Belletristik REZENSIONEN |
Ohne Russen ist das Leben schöner...
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Olga Sedakova |
Russin |
Reise nach Brjansk |
Zwei Erzählungen
Aus dem Russischen von Valeria Jäger und Erich Klein
Folio Verlag, Wien/Bozen 2000, 129 S. |
Es kann nie schaden, die Nachbemerkung eines Buches als Vorbemerkung zu lesen, manchmal erleichtert dies die Lektüre. So auch hier, wenn einem
auch ein bisschen bange wird, weil Erich Klein sagt, dass inhaltliche und auch formale Gründe dem nichtrussischen Leser das Verständnis der
Erzählungen erschweren: durch verwirrend zahlreiche Verweise auf sowjetische Alltags- und Politrealien und durch Anspielungen auf russische
Klassiker und verbotene Autoren in Hülle und Fülle. Dennoch: Die beiden Erzählungen sind interessant, auch wenn sich vielleicht nicht jedem
jeder Seitenhieb erschließt.
Die erste Erzählung, "Reise nach Brjansk", wurde 1984 geschrieben und schildert eine Lesereise der Autorin. Autorin? Olga Sedakova (1949 in
Moskau
geboren), schreibt zwar seit Beendigung ihrer Schulzeit, aber erschienen sind ihre Gedichte bis 1988 nur im
"Samisdat". Und so reiste sie in die
Provinz nach Brjansk als Übersetzerin von Rilke, Celan, Pound, Dylan Thomas, Paul Claudel, Dante... Was sie da an real existierendem Sozialismus
erlebt, das ist schon eine Erzählung wert...
Die zweite Geschichte "Reise nach Tartu und zurück" wurde 1988 geschrieben und erzählt über die Befindlichkeit der Intelligenzija in Zeiten des
Umbruchs. Anlass für die Reise ins
estnische Tartu ist das Begräbnis des von ihr verehrten estnischen Literaturwissenschaftlers Jurij Lotman. Auf Grund
einer Visumsformalität wäre die Ausreise für sie und einige andere zum Begräbnis geladene Gäste beinahe gescheitert. Welche Kuriosa sich bei
Aus- und Wiedereinreise bei der russischen Grenzbrigade abspielen, sind unglaublich, aber wahr. "Leb wohl Tartu...", schreibt die Sedakova zum
Abschied von der Stadt. "Jetzt bist du endlich ganz anders geworden. Die Spuren des sowjetischen Lebens verschwinden aus den Straßen, es ist
wie ein Haus, das nach langem und hässlichem Radau aufgeräumt wird. Ohne uns
[Russen] wird es hier schön sein."
Diese beiden Reise-Geschichten sind, neben zwei kleinen, erst kürzlich erschienenen Kindheitserinnerungen, die einzigen ausdrücklich biographischen
Texte der "begnadeten Erzählerin" (Tatjana Tolstaja).
Olga Sedakova ist Dichterin, Übersetzerin (ins Englische,
Hebräische, Französische, Italienische, Deutsche) und Professorin für
Literaturtheorie an der Russischen Staatsuniversität. Seit 1991 hat sie Gastprofessuren und hält Vorträge in den USA, England, Schweden,
Österreich, Italien, Südafrika.
Die immer selben Handzeichnungen von Paul Thuile auf dem Schutzumschlag, dem Einband und der Titelei sind so lieblos,
dass sie mir schon einmal gereicht hätten...
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Gisela Reller
/ www.reller-rezensionen.de |
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Am 18.01.2002 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am
26.11.2019.
Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet. |
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