Hörbuch REZENSIONEN |
Ohne Katzen ist das Leben öde
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Olga Kaminer |
Gebürtige Russin mit deutscher Staatsangehörigkeit |
Alle meine Katzen
Lesung Sprecher: Olga Kaminer und Franziska Matthus
Regie: Robert Schoen, Ton und Schnitt: Jean Szymczak, Tonstudion P4, Berlin
Der Audio Verlag, Berlin 2005, 2 CDs mit Booklet, Laufzeit: etwa 143 Minuten |
Olga Kaminer ist die Ehefrau des inzwischen deutsch gewordenen "Vorzeigerussen"
Wladimir Kaminer.
Sie wurde 1966 auf der fernöstlichen
Insel Sachalin geboren.
Mit sechzehn Jahren war sie ihren beiden älteren Cousins nach Leningrad (dem heutigen
St. Petersburg) gefolgt und studierte am
Technologischen Institut Chemie. Nach einem kurzen Intermezzo in
Lettland 1984 kehrte sie nach unglaublich kuriosem Wohnungstausch nach
Leningrad zurück. Auf Einladung einer Verwandten kam Olga Kaminer 1990
zum ersten Mal nach Deutschland und blieb in West-Berlin. Sie schrieb
sich in einen Deutsch-Intensivkursus ein und träumte davon, Deutsch
"im Schlaf"* zu lernen. Als Kellnerin im Berliner Prenzlauer Berg
lernte sie ihren zukünftigen Mann kennen. Wladimir Kaminer legt im Café Burger bei der
Russendisko noch heute auch (ehemalige)
Undergroundmusik auf, sie kassiert das Eintrittsgeld...
Die Kaminers (2006 erschien von ihnen
"Küche totalitär, Das Kochbuch
des Sozialismus") leben mit ihren zwei Kindern Nicole und
Sebastian, dem Perserkater Fjodor
[nach Dostojewskij] und
der Siamkatze Lady in Berlin-Prenzlauer Berg. Apropos Katzen. Die haben
Olga Kaminer ihr Leben lang begleitet; nur als Kind lebte sie
katzenfrei. Zwar bekam sie von ihren Eltern vom Streifenhörnchen bis
zu tschetschenischen Papageien alles mögliche Getier, aber nicht die
ersehnte Katze. Erwachsen geworden, waren
dann für sie häufige Wohnungswechsel ebenso charakteristisch wie die
Bekanntschaft mit vielen "Katzenpersönlichkeiten": mit Python, die
sich gern herumtragen ließ und sich am liebsten von Sprottenpastete
ernährte; mit Schamil, der am liebsten zu den Klängen von Wagner und
Beethoven schnurrte; mit Maus, die so eifersüchtig war, dass man sie,
wenn Besuch kam, in den Geschirrschrank sperren musste; mit Patrizia,
der Tochter von Maus, mit Murotschka, mit Brian Eno, mit Assa, Masja,
Marfa und Wassilissa... Einmal vor die Alternative gestellt,
sich zwischen ihrem braven Freund und einer ungebärdigen Katze zu
entscheiden, zögerte Olga Kaminer lange...
Olga Kaminers Geschichten haben meist eine der genannten Miezen als
Rahmenhandlung. Eingebettet in unterhaltsamer Katzenplauderei erzählt
sie über ihren Alltag in der russischen Heimat. Sie geht auch nicht
wie die Katze um den heißen Brei herum, wenn sie von Widrigkeiten und
Absurditäten berichtet, z. B. von der permanenten sowjetischen
Wohnungsnot: Einmal ergatterte sie auf
dem Schwarzmarkt eine Bleibe, die eigentlich schon längst hätte
abgerissen werden sollen, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen
wäre... Doch "In der sozialistischen Planwirtschaft", so Olga Kaminer,
"ging es zum Glück nie nach Plan." Solche und andere Unbilden in der
Sowjetunion streut sie zu Hauf in ihren Katzen-Text. Manchmal kann man
sich des Eindrucks nicht erwähren, dass sie gern auch die Erwartungshaltung
derjenigen bedient, die unbedingt Mieses über das "Arbeiter- und
Bauernland" hören wollen und sei es über bösartige Kellnerinnen,
die die Restaurant-Tische mit schmutzigen Lappen abwischen... Den
einzelnen Kapiteln - Lebensstationen der Olga Kaminer - ist jeweils eine
"Katzenpersönlichkeit" zugeordnet - eine gute
Konzeptions-Idee. Für Katzenfreunde wichtig: Die Katzen sind durchaus
nicht nur Staffage.
Vor- und Nachwort werden von Olga Kaminer gelesen, der weitaus meiste
Text professionell von Franziska Matthus. Die Matthus, in Dresden
geboren, studierte an der Berliner Schauspielschule "Ernst Busch", man
kennt sie aus vielen Fernsehproduktionen. Sie versteht es
hervorragend, den Text der Kaminer mit ihrer angenehmen Stimme
aufzupeppen, und "schauspielert" nur hier und da - immer an passender
Stelle. Wie sie zum Beispiel "Miau" sagt...
Übrigens: Warum Olga Kaminer Katzen liebt? "Weil es keine
Polizeikatzen gibt!"
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Gisela Reller /
www.reller-rezensionen.de
* In der Sowjetunion ist "Lernen im Schlaf" schon seit Jahrzehnten
populär, der "Erfinder" dieser Lehrmethode ist der Kiewer Professor Blisnitschenko.
Ich besuchte ihn 1968 in
Kiew und schrieb über seine
Lehrmethode in der FREIEN WELT.
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Am 29.08.2007 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 26.11.2019.
Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet. |
Eine Katze wärmt die Seele. |
Sprichwort der Russen |
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