Überlebenskampf in sowjetischen Lagern - 
      ein Kriegsgefangener erinnert sich 
      Mit  Schwarz-Weiß-Fotos 
      Waldemar Weber Verlag, Augsburg 2005, 166 S.
            
      
  
      Ein Kriegsgefangener erinnert sich: der Österreicher Anton Bayr wurde 
      am 10. Mai 1945 in der ČSSR von den Tschechen gefangen, nach einigen 
      Wochen den Russen übergeben und gelangte in den Ural, mitten in das 
      stalinistische Verbannungsgebiet. 
      Alle Lagerorte im Ural, in denen Bayr 
      untergebracht war, gehörten zum "Archipel Gulag", den der Nobelpreisträger 
      Alexander Solschenizyn 
      in seinem gleichnamigen Buch so eindrucksvoll beschrieben hat.
      
  
      Anton Bayr ist nicht der Erste, der seine Erinnerungen 
      als Kriegsgefangener in sowjetischen Lagern niederschrieb. Deshalb auch 
      ist vieles von dem, was er beschreibt, ganz und gar nicht neu. Dennoch 
      habe ich unter dem Aspekt, dass es sich bei dem Gefangenen um einen ganz  
      jungen Mann handelt, "um einen völlig unerfahrenen Siebzehnjährigen" 
      doch alles mit noch anderen Augen gelesen - und immer an meinen heute etwa 
      gleichaltrigen Enkel Sebastian gedacht... 
      
        
      Bayr beschreibt zweieinhalb Jahre härtester Arbeit - als Holzfäller, 
      Former in einer Ziegelfabrik, Bauhilfsarbeiter, Schneeschaufler, 
      Transportarbeiter - bei allzu kargen Tagesrationen (um die 600 Gramm Brot 
      und eine Kelle Suppe, die sich meist als heißes Wasser entpuppt), in 
      primitivsten Unterkünften, bei durchschnittlich 20 bis 40 Grad Kälte, 52 
      Grad waren keine Seltenheit. Wie bewundernswert diejenigen, die unter 
      diesen Umständen auch noch Tagebuch führten, auch noch heimlich, denn 
      natürlich war das streng verboten. Aber gerade durch die festgehaltenen 
      Details, die man nach sechzig Jahren ja nicht mehr erinnert, wird das Buch 
      zu etwas Besonderem. Etwas Besonderes ist auch, dass der Autor die 
      Wolgadeutschen,  die  Russlanddeutschen, die Kalmüken
      [Kalmyken] und die Krimtataren
      erwähnt, die mit noch einigen anderen Sowjetvölkern (z. B. den 
      Tschetschenen,
      Kabardinern, Balkaren, Meßcheten, das sind islamisierte 
      Georgier...) während des 
      zweiten Weltkrieges von 
      Stalin deportiert wurden, weil sie angeblich - 
      als ganzes Volk (!) - mit den Deutschen kollaborierten. Das betraf insgesamt mehr als 3,5 Millionen 
      Menschen. Ein Lager mit wolgadeutschen Frauen schloss sich dem Lager, in 
      dem Bayr die meiste Zeit untergebracht war, unmittelbar an. Obwohl er über 
      das Leben im Lager nichts berichten kann, macht er den Leser mit dem 
      Leidensweg der Russlanddeutschen bekannt.
      Und das nicht nur mit dem Wissen aus Büchern und Akten, sondern auch durch Augenzeugenberichte; denn Anton 
      Bayr zog es 1999 - über ein halbes Jahrhundert nach dem verhängnisvollen 
      Krieg - an 
      den Ort seiner Plagen zurück. Zwar fand er von seinem Lager 
      nichts mehr vor (" ...über unsere Vergangenheit ist Gras gewachsen!!"), 
      doch durch seine Reise  kann der Autor - der nach dem Krieg Lehrer, 
      Bezirksschulinspektor und Abgeordneter zum Nationalitätenrat war - die 
      autobiographische Schilderung mit Fotos, Karten und Ausschnitten aus 
      seinen NKWD-Akten aufschlussreich ergänzen. "Als Betroffener", schreibt 
      er, "ist es mir ein besonderes Anliegen, diese 
      leidvolle Epoche vor dem 
      Vergessen zu bewahren, zumal die Zeitzeugen schon immer weniger werden."
      
  
      Besonders bewegend die Tatsache, dass der 
      Siebzehnjährige unter den härtesten Bedingungen "büßte (...), obwohl ich 
      nie auch nur einen einzigen Schuss abgegeben hatte!"
      
  
      Der Waldemar Weber Verlag in Augsburg lässt 
      es sich angelegen sein, Werke über das Schicksal der 
      Russlanddeutschen 
      herauszugeben (z. B. "Die Zone der totalen Ruhe" von Gerhard Wolter, 
      "Die Dondeutschen 1830-1930" von Reinhard Nachtigal), über Ereignisse in 
      der Sowjetunion, 
      über die bisher der Mantel des Schweigens gebreitet war 
      (z. B "Die Chronik des Großen Hungers" von Walerij Michajlow), über die 
      Kriegsgefangenschaft in sowjetischen Lagern und veröffentlicht 
      russlanddeutsche Literatur 
      (z. B. "Propyläen der Nacht", Gedichte). Ich 
      lernte die russlanddeutschen Brüder Waldemar und Robert Weber 1970 in 
      Moskau kennen, 
      als ich einige Wochen bei der russlanddeutschen Zeitung 
      "Neues Leben" als Austauschredakteur arbeitete. Wer hätte damals 
      gedacht, dass sie einmal in Deutschland leben und wirken würden...
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       Gisela Reller 
      / www.reller-rezensionen.de
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          Am 24.10.2006 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 
			12.01.2017. 
          Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.
        
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Das Kamel bemerkt seinen Höcker nicht, der Mensch nicht seine Laster.
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      | Sprichwort der Kalmyken |