Belletristik REZENSIONEN |
Von Menschen in einer urrussischen Stadt
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Pjotr Aleschkowski |
Russe |
Stargorod. Stimmen aus einem Chor |
Erzählungen
Zusammengestellt und aus dem Russischen übersetzt von Alfred Frank
Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 2001, 134 S.
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Pjotr Aleschkowski aus
Moskau
ist in Deutschland kein unbekannter Schriftsteller: 1997 erschien im
Suhrkamp Verlag von ihm "Der Iltis" und 1998 "Der Erbe"
- beides große Romane.
Nun liegen von Aleschkowski (geboren 1957) die in
Moskau bereits 1995 erschienenen Erzählungen
vor - durch den Ort der Handlung locker miteinander verbunden. Stargorod (Alte Stadt) heißt der
urrussische Ort, im Atlas nicht auffindbar. Ein ausgedachtes Städtchen? Irgendwo in
Russland
soll es liegen - mit einigen Fabriken, einem Kreml, mit Kirchen, Klöstern und
einer typischen russisch-provinziellen
Bevölkerung. Stargorod ist Abstellgleis für gescheiterte Parteioberste und gescheiterte Popen, für
ehemalige Gefängnisinsassen und für warum auch immer Gestrandete, "kein Weiter- und kein Höherkommen".
Aleschkowskis Geschichten spielen zur Zeit der
Perestroika - die Staatsmacht ist gerade dabei, ihre
generelle atheistische Einstellung aufzugeben, und die genannten Preise für Lebensmittel sagen einem,
diese Geschichten spielen nicht zur alten Sowjetzeit, da waren sie billiger, und auch nicht gleich nach dem
Zerfall der Sowjetunion, da waren sie teurer. Wie zu allen Zeiten aber wird gesoffen, betrogen, bestochen,
überfallen, geklaut, und aus nichtigem Anlass bringt man sich gegenseitig um. Ein bisschen wird aber auch
geliebt, und ein bisschen ist man auch bemüht, rechtschaffen zu sein. Die dreizehn Erzählungen des Buches
sind zumeist kurz, die kürzeste hat etwas mehr als zwei Seiten, die längste allerdings
sechsundzwanzig - die hätte auch
einen Roman hergegeben. Alle Erzählungen schildern präzise und unterhaltsam Alltagsbegebenheiten, ohne
Schnörkel, mit einfachen Sätzen. Obwohl schlicht geschrieben, sind alle Geschichten durchaus tiefsinnig.
Sei es die über Natalja Petrowna Kiwokurzewa, deren Vorfahren als Leibwächter unter dem Zaren dienten oder
die über die erlebnishungrige Maschenka, die in
Moskau von einem Liebhaber schnöde ausgenommen wird oder
die Geschichte über die in Stargorod lebende kluge deutsche
Elsa mit dem gepflegten Garten und der unerwünschten
BRD-Verwandtschaft. Besonders beeindruckend "Luschkas Hügel" über Lukerja Iwanowna und ihre Männer: über ihren
Hauptbuchhalter, "den sie allem Anschein nach geliebt hatte", über ihren Gitarristen, "bei dem ihre Liebe außer
Zweifel stand", über vier weitere Kerle, die "körperlich robust, kaum Erinnerungen hinterließen". Fünf Jahre
lebte Luschka dann glücklich mit dem heißblütigen OssetenAslan
zusammen - bis er von einem
Zigeuner,
den er mal beleidigt hatte, mit einer Wildschweinschrotladung getötet
wird. Trotz aller Schicksalsschläge (Am Tag der Ermordung Aslans hat
Luschka einen schweren Autounfall.) lässt sich die dreißigjährige immer
hilfsbereite Luschka nicht unterkriegen...
Aus dem Rahmen der Erzählungen fällt "Wladik Kusnezow". Nicht nur
weil diese Erzählung mehr als doppelt so lang ist wie die längste der
anderen Kurzgeschichten, sondern wir lernen hier auch stilistisch einen
ganz anderen Aleschkowski kennen. Mit langen, wohl gebauten Sätzen mit
zahlreichen Klammerbemerkungen, heiter-ironisch, fast schon sarkastisch
im Ton, wird Wladiks Leben gezeichnet. Vom Wunderkind mit
Goldmedaillen-Schulabschluss brilliert Wladik an der Historischen Fakultät der
Moskauer Staatlichen
Lomonossow-Universität mit einer
Arbeit über Cato Marcus Porcius und ist am Ende der Geschichte ein
alkoholisierter Glöckner in der Kirche von Weschnjaki.
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Gisela Reller /
www.reller-rezensionen.de |
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Am 18.01.2002 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am
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Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet. |
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