Belletristik REZENSIONEN

Zwei Leningrader Weise und ihre Jünger

Russe
Maxim und Fjodor
Eine Sache in drei Teilen und Der Hausigel
Aus dem Russischen übersetzt von Beate Rausch
Berlin Verlag, Berlin 1998, 159 S.

Als ich Maxim und Fjodor las, wurde ich oft an das Kultbuch "Die Reise nach Petuschki" von Wenedikt Jerofejew erinnert; denn auch bei Schinkarjow wird von der ersten bis zur letzten Seite gesoffen. Und auf Seite 118 tatsächlich ein Hinweis auf Wenitschka, Jerofejews Helden, der mit durchbohrter Kehle endet. Nicht so Maxim, Fjodor und deren Jünger Pjotr und Wassili, die am Ende des Buches noch genauso verkatert sind wie zu Beginn, natürlich von immer neuen (vollen) Wermut-, Porter-, Wodkaflaschen...

Wichtig zu wissen, dass die Russen Maxim und Fjodor irgendwann in Japan weilten. Wie sie dorthin gerieten, was sie dort trieben, weiß der Autor allein - schließlich spielt diese absurde Dichtung zu tiefsten Sowjetzeiten, wie uns nicht nur die Preise für 0,7 Liter Wein, verschnitten mit Spiritus (2 Rubel 42 Kopeken) und für 0,5 Liter Wodka (4 Rubel 12 Kopeken) wissen lassen. Jedenfalls wimmelt es im Buch von "Japanismen", die dem Leser - neben anderen mehr oder weniger bekannten Begriffen - auf knapp zwanzig Seiten erläutert werden - immerhin ein Sechstel von Maxim und Fjodor. Das ziemlich hintergründig-heitere Werk versorgt den Leser mit Episoden, die manchmal recht fragwürdig, oft sehr lebenswahr, fast immer amüsant sind, zum Beispiel:

"Einmal fragte Maxim Pjotr, worin seiner Meinung nach der Sinn des Zen (konzentrierte Betrachtung, Meditation - d. A.) bestehe. `Zen´, sagte Pjotr, der elegante, aber nicht sehr tiefsinnige Vergleiche liebte, `das ist die Fähigkeit, mit einer Viertelliterflasche Wodka zwei ganze Wassergläser zu füllen."
`Mit einer leeren´, fügte Wassili hinzu.
Maxim richtete den Blick auf Fjodor.
`Und den Wodka nicht zu trinken´, sprach Fjodor.
Maxim nickte zufrieden und sagte: `Und ihn nicht in Gläser zu füllen.´"

Der 1954 in Leningrad geborene Schinkarjow begann. sich Anfang der siebziger Jahre mit Malerei zu beschäftigen; seine Werke wurden in Unterground-Ausstellungen gezeigt. Ab 1978 arbeitete er als Geologe und Kesselwärter. Dazu der Autor: "Die erzwungene Einsamkeit, die meine Arbeit mit sich brachte, verpflichtete mich beinahe zum Schreiben. Maxim und Fjodor zum Beispiel habe ich im Winter fern von jeder Stadt geschrieben, wo ich mit der Bewachung eines Bohrlochs beauftragt war. Die Bedingungen erinnerten (...) an Einzelhaft."

Maxim und Fjodor gehörte zu den Büchern, "über die man besser nicht mit flüchtigen Bekannten spricht", soll heißen, die als antisowjetisch galten.

Zum Abschluss beglückt uns Schinkarjow noch mit dem besinnlichen Märchen Der Hausigel, der sich aus Verzweiflung über seine ungetreue Freundin, die Katze, wie kann es anders sein, dem Suff ergibt.

Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de
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Am 15.02.2003 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 26.11.2019.

Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.

Schweres streckt die Sehnen, Mitleid weckt nur Tränen.
Sprichwort der Russen

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