Belletristik REZENSIONEN | |
"Die Petrowka" ist Moskaus "Scotland Yard" | |
Tatjana Stepanowa | Russin |
Der dunkle Hauch der Angst | |
Aus dem Russischen von Margret Fieseler Lübbe Verlag, Bastei-Taschenbücher, Bergisch Gladbach 2002, 443 S. | |
Die neuen russischen Krimis verkaufen sich hierzulande erstaunlich gut.
Das wissen der Diogenes-Verlag mit
Alexandra Marinina und
Anna Dankowtsewa, der Aufbau-Verlag mit
Polina Daschkowa und
Boris Akunin.
Nun will es auch der Verlag Bastei Lübbe wissen mit Tatjana Stepanowa.
Wie die Marinina war auch die Stepanowa Mitarbeiterin bei der Miliz. Sie schrieb bisher neun Kriminalromane, die in Russland eine Gesamtauflage von zwei Millionen Exemplaren erreichten. Immer ist die Mitarbeiterin des Pressezentrums der Moskauer Miliz, Katja Petrowskaja, mit von der dramatischen Partie. In diesem ersten Fall der Moskauer Polizeireporterin geht es um die schrecklich zugerichtete Leiche des zehnjährigen Stassik und um die Leiche einer älteren Frau, die ermordet in einem Wäldchen bei Moskau aufgefunden wird - ihr Kopf ist zertrümmert, ein Teil des Gehirns fehlt. Vor ihr wurden bereits zwei ältere Frauen genau so zugerichtet. Nikolai Kolossow, der Chef der Moskauer Mordkommission, macht sich mit seinem Mitarbeiterstab aus der mächtigen Petrowka 38*, der Zentrale der Russischen Miliz, an die Ermittlungen. Da es sich bei Leiche Nummer zwei um Serafima Kaljasina, der Laborantin einer Tierversuchsstation handelt, führt die erste Spur hierher und dann weiter ins Moskauer Museum für Vor- und Frühgeschichte, wo Kolossow die Schädel von Neandertalern entdeckt, denen vor zigtausend Jahren die gleichen tödlichen Verletzungen zugefügt worden waren wie den zwei ermordeten Frauen älteren Jahrgangs, zu denen sich noch eine dritte gesellen wird. Wegen des Alters der Frauen vermuten die Ermittler bald, dass es sich bei dem Täter um einen Gerontophilen handelt, einer sehr seltenen Anomalität. Aber auch der Laborleiter Olgin ist verdächtig, der Physiologe Swanzew, die Tierärztin Iwanowa, der Laborant Suworow, der Verhaltensforscher Jusbaschew, der Afghanistan-Veteran Pawlow und - der Menschenaffe Humphrey. Gut, dass zu Beginn des schaurigen Geschehens die Hauptpersonen mit ihren Tätigkeiten aufgeführt sind; denn für den in russischer Literatur ungeübten Leser ist es doch nicht so ganz einfach, sich die vielen Vor-, Vaters- und Familiennamen auf Anhieb zu merken. Nicht klar ist, warum neben den Morden an den drei Frauen auch noch ein Kind (fast noch ein zweites) dran glauben muss. Mit dieser Parallel-Handlung kann die Stepanowa nur einen Zweck verfolgen, nämlich den, von dem wirklichen Täter abzulenken, der die Frauen - auch das noch - mit prähistorischen Werkzeugen erschlägt. Der dunkle Hauch der Angst ist vom Verlag als Thriller ausgewiesen. Mit den vielen verkorksten Individualisten, den giftigen Riesenschlangen und den brüllenden Menschenaffen ist er tatsächlich ein Thriller - eine auf Spannungseffekte abgestellte, reißerische Kriminalgeschichte. Man fragt sich, warum manche Verlage sogar auf den Untertitel Kriminalroman verzichten und ihre effektvoll spannenden Krimis als Romane ausgeben? "Die leichten Schritte des Wahnsinns" von der Daschkowa und "Mit verdeckten Karten" von der Marinina --- das sind Thriller! | |
Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de * Im Innenhof der Petrowka 38 wurde im November 2005 eine Skulptur von Felix Edmundowitsch Dsershinski aufgestellt, dem Gründer und Vorsitzenden des Allrussischen Außerordentlichen Komitees zur Bekämpfung von Konterrevolution und Sabotage, kurz Tscheka genannt. Dabei war man 1991 zu denken geneigt, die Ära Dsershinskis sei zu Ende, als Demonstranten seine Skulptur nach dem Putschversuch des Parteiapparates gegen Michail Gorbatschow vom Sockel kippte. Polizeichef Wladimir Pronin gab mit der Aufstellung der Skulptur den Bitten pensionierter Militäroffiziere nach...
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Am 15.02.2003 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 26.11.2019. Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet. | |
Komme, was da wolle, wenn ein Ende absehbar. | |
Sprichwort der Russen |
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