| Belletristik REZENSIONEN | |
| Der Euro im Visier der Mafia | |
| Bernhard Thieme | Über die Russenmafia | 
| Russisch Roulette | |
| berlin.krimi.verlag, Berlin 2002, 250 S. | |
| Die grobe Russenmafia ist fein vernetzt. 
        Thiemes Krimi spielt in Berlin, 
        wo sich die Mafiosis besonders wohl zu fühlen scheinen. Überhaupt ist 
        für Bürger aus der Ex-UdSSR Berlin "magnetischer Anziehungspunkt". Wie viele es sind, weiß niemand genau. 
        Offiziell waren 1998 insgesamt 25 
        264 Russen gemeldet. Ob in dieser Statistik auch 
        Ukrainer, 
        Belarussen, 
        Kaukasier... erfasst 
        sind, entzieht sich der Kenntnis der Polizei. 
        Geschätzt wird, dass zusammen mit den illegal in Berlin lebenden Menschen aus der einstigen 
        Sowjetunion mindestens einhundertfünfzigtausend 
        russischsprachige Personen in und um Berlin leben. Natürlich sind nicht 
        alle in Berlin lebenden Russen
        in kriminelle Machenschaften verwickelt, allenfalls zehn Prozent wird geschätzt. Doch für diese zehn Prozent von 
        Kriminellen sind Raub, Menschenhandel, Prostitution und Schmuggel 
        besonders einträgliche Geschäftsbereiche geworden. Tatsache ist, 
        schreibt der investigative [nachforschende, enthüllende] Journalist 
        Jürgen Roth, dass die wichtigen kriminellen Organisationen aus der 
        Ex-UdSSR ihre Statthalter in Berlin sitzen haben. Die berüchtigte "Solnzevskaja" gehöre dazu,
        deren Führer Sergej Michailow Berlin schätzen 
        gelernt habe, so dass er sogar deutscher Staatsbürger werden wollte. 
        (...) Die Organisation "Dolgoprudenskaja" spiele eine Rolle in Berlin 
        sowie die "Choroschevskaja" (Die Gute) oder die "Sportsmeny" (Russische Liga 
        der Sportler), um nur einige zu nennen. Nicht weniger stark vertreten 
        sei die tschetschenische Mafia  und 
        die litauische Brigade... Es ist schon ein wundersames Gefühl, wenn man 
        sich vorstellt, dass diese Mafiosis im Berliner "Voland" in der Wichertstraße 
        anzutreffen sind, wo man gerade selbst seinen Geburtstag gefeiert hat. 
        Dass man ganz durch Zufall sowohl in ihr Blickfeld als auch in ihre 
        Fänge geraten kann, macht Thieme deutlich mit Anne Soltau und Georg Cäsar 
        Lichtenberg, die durch ihre schnelle Hilfe 
        ausgerechnet dem Mafiaboss Prjenstwjuchow das Leben retten. Da dem 
        bulligen Russen 
        bei dieser Rettungsaktion etwas abhanden kommt, geraten die beiden ganz und gar unbescholtenen Passanten bei der Russenmafia in 
        Verdacht und in Lebensgefahr. Das macht den Krimi eigentlich spannend, 
        denn dass die untereinander rivalisierenden Mafiosis sich gegenseitig um 
        die Ecke bringen, bringt einen nicht aus der Leseruhe. Ich habe nicht 
        einmal mitgezählt, wie viele Mafiosis in diesem Buch ihr Leben lassen. Zehn 
        werden es wohl sein, die von einer Minute zu anderen, meist durch eine 
        todsichere Kugel, ihr Leben aushauchen - zur Freude ist anzunehmen, des 
        Bestattungsunternehmens Ahorn-Grieneisen, das im Buch Russisch Roulette 
        mit einer Anzeige wirbt, damit wir, die Leser, "diese Welt einmal so 
        verlassen, wie es unseren Vorstellungen entspricht". Warum Thieme 
        seinen spannenden Krimi  Russisch Roulette nennt, weiß ich 
        nicht zu sagen, denn alle Mafiosis sind mit Kugeln reich gesegnet, da 
        fehlt keinem nie auch nur eine einzige im Lauf... Und warum eigentlich Russenmafia? Kriminelle Russen, die gibt es im Buch zuhauf, aber auch einen Ukrainer, einen Kasachen , von Armeniern ist die Rede, von Tschetschenen, von Georgiern... GUS-Mafia wäre da wohl angebrachter! Und so ärgert sich auch Thieme: "(...) Wenn wir von abgehackten Köpfen und abgemurksten Frauen hören, dann war das die Russenmafia. Dabei steckt hinter diesen Verbrechen vielleicht nur ein aserbaidshanischer Mädchenhändler, der Prostitution ausschließlich mit der eigenen Familie betreibt." Hauptkommissar Strothmann ist übrigens durchaus seriengeeignet - er soll auch schon in Thiemes "Ein Toter zuviel" einprägsam agiert haben. Es beeindruckt, wie gut sich Thieme (geboren 1943 in Kahla / Thüringen) mit sowjetisch-russischer Mentalität auskennt, man ist geneigt zu glauben, dass er in Russland studiert hat. Aber nichts da, wir erfahren von einem Studium der Romanistik und Germanistik in Rostock und Berlin. Vorübergehend arbeitete Thieme als Dolmetscher, Reisebetreuer, Stadtführer und Zeitungsmetteur, ist seit 1969 als Lektor, Übersetzer und Herausgeber tätig, Russisch Roulette ist sein zweiter Kriminalroman. In Insiderkreisen gilt er als Meister des "Um-die-Ecke-Bringens", was ganz sicher nichts damit zu tun hat, dass sein Vater Metzger war. Thieme versteht auch eine Menge vom Fechten; denn sowohl der Boss der "Russen"mafia Jewgenij Michailowitsch Prjenstwjuchow (genannt Jeff), sein deutscher Handlanger und ehemaliger Stasi-Offizier Walter als auch Hauptkommissar Strothmann waren in den sechziger Jahren sportliche Rivalen in den jeweiligen Fecht-Nationalmannschaften; sie beherrschen also Finten, Scheinangriffe und kühne Paraden. Nur geht es in Russisch Roulette nicht um Olympiamedaillen, sondern um einen Milliardendeal im Zusammenhang mit der Einführung des Euro... Beeindruckend auch das Wissen des Autors über den Aufbau und die Entstehung der "Russen"mafia. Thieme lässt Dr. Retter von Europol spannend dozieren über die Verbindung von krimineller und legaler Wirtschaft, über das Kryscha-System, über die "Diebe im Gesetz"... Aber einige Fakten kommen mir denn doch bekannt vor. Richtig, Bernhard Thieme hat wohl von Jürgen Roth "Der Oligarch" und "Die Russenmafia" gar wohl studiert - wogegen ja nichts einzuwenden ist. Einzuwenden ist allerdings etwas gegen die Umschlaggestaltung von Iris Farnschläder unter Verwendung der gar zu primitiven Zeichnung von Claas Janssen. | |
| Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de | |
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 Am 22.11.2003 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 26.11.2019. Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet. | |
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