Belletristik REZENSIONEN

Banaler Titel, langweiliger Krimi

Russin
Widrige Umstände
Anastasijas sechster Fall
Aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/Main 2003, 286 S.

 Widrige Umstände - man nenne mir einen Krimi, der so nicht heißen könnte...

Zusammen mit ihrem schwersten Fall ("Der gestohlene Traum") ist dies der siebente Fall der Ermittlerin Anastasija (Nastja) Kamenskaja. Da immer dieselbe Ermittlerin die Fälle der Marinina löst, muss die Autorin einem Zufallsleser natürlich immer dasselbe Grundwissen über die handelnden Hauptpersonen vermitteln: zum Beispiel, dass die bei der russischen Miliz arbeitende Chefinspektorin Kamenskaja nicht besonders hübsch, küchenunerfahren, kaffeesüchtig und seit vielen Jahren einem Mathematikprofessor verfallen ist. Außerdem: "Sie trieb keinen Sport, konnte nicht schnell laufen, nicht schießen, beherrschte keinen Kampfsport." Statt dessen kann die Kamenskaja denken und analysieren. Auch das wird zu Beginn aller Bücher für den Erstleser  - nicht immer geschickt - abgearbeitet. Dem Stammleser hängen diese nun schon mehr als bekannten Charaktereigenschaften der Kamenskaja zum Halse raus - übrigens auch ihr "Aufwachprozess" unter der erst heißen, dann kalten Dusche. Doch bisher folgte dann ein spannender Handlungsverlauf und man hatte - bis zum nächsten Buch - seinen anfänglichen Unmut vergessen.

"Es waren drei Mörder", so beginnt Widrige Umstände, "ein Auftraggeber, ein Organisator und ein Vollstrecker." Ermordet wird eine Majorin der Miliz, die ein Buch über Korruption im Staatsapparat geschrieben hat - von einem Vollstrecker, den ein Auftraggeber organisiert hat. Das hört sich spannend an, ist es aber nicht. Widrige Umstände ist von allen Fällen der am wenigsten spannende Fall. Geht der Marinina die Phantasie aus? Denn wieder einmal schlüpft die "graue Maus" Anastasija Kamenskaja in eine andere Identität, wird über Wochen hinweg diesmal die aufreizende und kapriziöse Journalistin und Erpresserin Larissa Lebedewa, und wieder einmal verbringt die Ermittlerin viele Stunden mit einem Profikiller. Da sie aber denken und analysieren kann, wie nun schon alle Leser wissen, gibt sie (ebenfalls wieder einmal) so raffiniert verschlüsselte Angaben nach draußen, dass der Leser baff ist über die Verschlüsslerin und über die Entschlüssler. Leider ist der Marinina-verwöhnte Leser nach der Lektüre von Widrige Umstände überhaupt nicht baff.

Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de 
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Am 19.09.2003 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 23.11.2019.

Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.

Vor heimischem Dieb schützt kein Schloss.
Sprichwort der Russen

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