Belletristik REZENSIONEN | |
Von 62 Spielzeugpistolen ist eine scharf | |
Darja Donzowa | Russin |
Spiele niemals mit dem Tod | |
Aus dem Russischen von Helmut Ettinger Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2007, 387 S. (Rezensiert, entsprechend dem Gästebuch-Eintrag von Christa aus Kiel.)
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Man weiß: Diktatoren mögen keine Kriminalromane. Warum? Weil das
Verbrechen in autoritären Systemen nichts zu suchen hat. Das hat sich
geändert, seitdem der Eiserne Vorhang vom Winde verweht ist. Vor allem
Russland erlebt einen wahren Boom dieses Genres (obwohl doch oft von dem "Diktator"
Putin die Rede ist).
Besonders starke weibliche Krimi-Autorinnen hat das Land! Alexandra
Marinina
machte 1999 auf Deutsch den Anfang mit
"Auf fremdem Terrain" und
"Der Rest war Schweigen".
Mittlerweile sind neun Bücher mit ihrer Ermittlerin
Anastasia Kamenskaja erschienen, alle sind besprochen in dieser
Websites. Wie die Marinina, stellen auch die
Daschkowa, die
Malyschewa,
die Platowa, die
Stepanowa, die
Donzowa ihre aufregenden
Krimigeschichten in die aufregende russische
Gegenwart - in die "Zeit
der Groschenromane, wo die hohe Literatur nichts mehr gilt" und in die
Zeit der "bevorstehenden Präsidentschaftswahlen"
[2008].
Eine der blutrünstigen Krimiautorinnen ist Darja Donzowa (eigentlich Agrippina Donzowa), 1952 in Moskau geboren. Sie studierte Journalistik an der Moskauer Lomonossow-Universität, arbeitete zunächst als Übersetzerin und unterrichtete später Französisch und Deutsch. Kriminalromane schreibt sie seit 1998, mittlerweile sind es vier Krimi-Reihen. Sie hat bisher 46 Bücher veröffentlicht (schreibt der Verlag, ich will´s kaum glauben), von denen bisher 24 Millionen Exemplare (schreibt der Verlag, ich will´s kaum glauben) verkauft wurden. Darja Donzowa wurde in Russland dreimal Schriftstellerin des Jahres, sie moderiert im russischen Radio eine Talk-Show, ihre Krimis dienen als Vorlage für Hörspiele und Fernsehserien. Mit ihrem Mann, ihren drei Kindern und ihren Hunden lebt sie in Moskau. In Darja Donzowas erstem auf Deutsch erschienenen Krimi "Ein Hauch von Winter" lassen sich normal gebaute Frauen für einiges Geld Füße oder Hände absäbeln, um perversen Liebhabern als behinderte Sexobjekte zu dienen. Ich dachte, diese perfide Idee ist nicht zu toppen. Aber dann las ich den Kriminalroman "Lenas Flucht" von Polina Daschkowa, in dem gewissenlose Ärzte schwangere Frauen in ein bestimmtes Krankenhaus in Lesnogorsk überweisen, wo weitere gewissenlose Ärzte für künstliche Wehen sorgen, um Kinder der 22.-26. Schwangerschaftswoche auf die Welt zu bringen. Diese lebenden Winzlinge werden - für viel Geld - zu gefragten medizinischen Präparaten "verarbeitet", den Müttern wird weisgemacht, ihre Kinder seien tot geboren worden oder schon im Mutterleib tot gewesen. Geht es noch abartiger? Es geht. In Spiele niemals mit dem Tod erschießt der Sohn Wanja seinen Vater, den berühmten Krimi-Autor Kondrat Rasumow. Er trifft ihn mitten in die Stirn. Sie meinen, eine solche Beziehungstat sei so selten nicht? Nun, dann lassen Sie sich gesagt sein, dass dieser mörderische Junge erst vier Jahre alt ist... Jemand hat eine seiner zweiundsechzig Spielzeugpistolen mit einem geladenen Schießprügel vertauscht. Aber wer? Als außerordentlich verdächtig gilt Lena, die Ehefrau des Toten, von der Miliz in Untersuchungshaft genommen. Kurz vor dem Mord hatte sich Lena
("faul, liederlich und nicht sehr klug, aber nicht bösartig") eine
Haushaltshilfe ins Haus genommen: Tanja Romanowa, die einmal mit dem
reichen Geschäftsmann Michail verheiratet war, der sich als Krimineller
entpuppte. Er hatte einen Menschen umgebracht und büßte dafür jetzt in
einem Lager im Komi-Gebiet.
Tanja war damals zu der Ärztin Katja gezogen, hatte
ihr den Haushalt geschmissen und die Kinder versorgt. Da Katja mit den
Kindern und allen Haustieren für ein Jahr als Chirurgin nach Miami gegangen ist,
ist Tanja frei und verdingte sich bei Lena Rasumowa. Obwohl einige
Indizien gegen Lena sprechen, glaubt Tanja an ihre Unschuld. Deshalb
macht sie sich als Laiendetektivin auf die Suche nach der Person, die
dem kleinen Wanja die Pistole in die Hand gedrückt hat. Der Kleine kann
nichts aussagen, weil die besorgte Mutter ihn mit seiner Kinderfrau sofort am
Tag nach der Tat ins Ausland geschickt hat.
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Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de | |
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Ins Netz gestellt am 06.03.2007. Letzte Bearbeitung am 20.11.2019. Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet. | |
Freundschaft hält nur, bis die Miliz kommt. | |
Sprichwort der Neuen Russen |
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