Belletristik REZENSIONEN | |
Wodka, Borschtsch und eine Leiche | |
Tatjana Ustinowa | Russin |
Blind ist die Nacht | |
Deutsch von Ganna-Maria Braungardt Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbeck bei Hamburg 2006, 381S. | |
Tatjana Ustinowa ist die Achte im Bunde meiner russischen Krimi-Autorinnen:
Anna Dankowtsewa,
Darja Donzowa,
Polina Daschkowa,
Alexandra Marinina,
Anna Malyschewa,
Viktoria Platowa,
Tatjana Stepanowa.
Geboren 1968, studierte sie Aerodynamik am renommierten Moskauer
Physikalisch-Technischen Institut. Bevor sie zu schreiben begann,
arbeitete sie beim Fernsehen. Inzwischen hat Tatjana Ustinowa in
Russland vierzehn Kriminalromane veröffentlicht - mit Millionenauflagen.
Quantitativ übertrifft die Kriminalliteratur in allen Teilen der Welt alle anderen Zweige der Literatur. Und qualitativ? Die Beurteilung des Kriminalromans steht - in den meisten Ländern - im Gegensatz zu seiner Popularität. "Während in den angelsächsischen Ländern die Gattung allein schon wegen ihres hohen handwerklichen Niveaus respektiert wird, überwiegt in Deutschland ihre negative Einschätzung, die sich erst seit den 1960er Jahren aufgrund eines erweiterten Literaturbegriffs, verschiedener gründlicher wissenschaftlicher Studien ... zur Trivialliteratur langsam zu ändern beginnt", schreibt Peter Nusser, Professor für Neue deutsche Literatur an verschiedenen amerikanischen und deutschen Hochschulen. Leider findet sich in Nussers Buch "Der Kriminalroman" (Verlag J. B. Metzler, Stuttgart / Weimar, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage, 2003) bis auf den Polen Stanisław Lem (1921-2006) und den Russen Viktor Schklovskij (1893-1984) keine Einschätzung zur osteuropäischen Kriminal-, Detektiv- und Thrillerliteratur, die seit dem Zerfall der UdSSR [Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken] auch in Russland zu Hauf erscheinen - obwohl Kriminalromane weltweit die beliebteste Gattung der Literatur sind und der Professor verspricht, dass "die in diesem Band angeführten Beispiele entsprechend international sind". Tatjana Ustinows Blind ist die Nacht ist ein Detektivroman, u .a zu erkennen an der "Rätselhaftigkeit des Mordes". Er [der Mord] ist das "zentrale Ereignis und hat doch nur auslösende Funktion. Nicht als Verbrechen ist er von Bedeutung, sondern als Anlass für die Tätigkeit der Detektion; nicht die sich in ihm ausdrückende Inhumanität wird Thema, sondern die Außergewöhnlichkeit seiner Begleitumstände". Die Hauptheldin von Blind ist die Nacht, Kira Gatt - Journalistin bei einem Magazin - ist so leicht nicht zu schrecken. "Schließlich", schreibt der Verlag, "hat sie den Sozialismus und eine Ehe überlebt." Doch eines Abends klingelt die Miliz an der Wohnungstür; denn in ihrem Treppenhaus liegt eine Leiche: Konsantin, genannt Kostik, der Chefredakteur der Zeitschrift, bei der Kira ("Eine hochinteressante Frau. Keine Heulsuse, nicht blöd und nicht feige.") arbeitet. Da beweise eine ihre Unschuld! Jedenfalls ist Kira Gatt froh über jede Hilfe, sogar über die ihres Ex-Mannes Sergej - obwohl ihr "Gespräche mit ihrem Ex-Mann immer die Laune verderben". Am Schluss ist Friede, Freude, Eierkuchen. Sergej, "der gefühllose Klotz", der so gefühllos gar nicht ist, lebt wieder bei seiner Familie, worüber Sohn Tim überglücklich ist. Und: Es wird noch ein Schwesterchen geboren, rot, hässlich wie der Papa, der so hässlich gar nicht ist... Fast hätte ich´s über all die Familien-Ereignisse und dem freudigen Ereignis vergessen: Die abgefeimte Mörderin (soviel sei verraten) wird - bevor sie Kira erschießen kann - in allerletzter Minute dingfest gemacht und kommt hinter Schloss und Riegel. Das Ganze ist außerordentlich spannend! Ich hatte bei Blind ist die Nacht noch nicht nach dem Übersetzer / der Übersetzerin geguckt, als ich auf Seite 106 wusste, wer diesen Krimi vom Russischen ins Deutsche übertragen hat: Ganna-Maria Braungardt. Raten Sie mal, wie ich darauf gekommen bin*? | |
Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de * "`Massja!´ Jelena Lwowna beugte sich hinunter, hob das Hündchen hoch, drückte es zärtlich an ihre Brust und küsste die graue Greisenschnauze mit den gebleckten Zähnen." Die "gebleckten Zähne" haben mich darauf gebracht, denn ohne die ist - glaube ich - keine Übersetzung von Ganna-Maria Braungardt je erschienen. | |
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Am 30.07.2011 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am
26.11.2019. Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet. | |
Grabkreuz und Spatenstiel sind aus demselben Holz. | |
Sprichwort der Russen |
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