Reiseliteratur-Bildbände REZENSIONEN | |
In sechs Stunden von Wien bis an die ukrainische Grenze... | |
Reiner Riedler (Fotos) / Martin Pollack (Text) | Über die Ukraine |
Ukraine | |
Format 23 x 27 cm, Herausgegeben von Kurt Kaindl und Brigitte Blüml, Band 24 Otto Müller Verlag (Edition Fotohof), Salzburg 2003, 112 S. | |
Das Cover dieses Bildbandes ist wenig werbewirksam, angefangen von der
Bildauswahl über die Typographie bis hin zur Farbgestaltung. Gott sei
Dank hält das Innere nicht, was das Äußere verspricht. Die 109 durchweg
ganzseitigen Farbfotos von Reiner Riedel sind einprägsam und
aufschlussreich, auch für denjenigen, für den die Ukraine "ein Land
ist", wie Reiner Riedler meint, "dessen Namen bei uns (in Österreich - d. Rez.)
mit Ausnahme von `Tschernobyl´ nur wenig Assoziationen weckt."
Die Fotos des Bildbandes sind in elf Gruppen untergliedert: In Unterwegs, Reise ins Innere, Unter Tag, Zusammenleben, Im Altersheim, Kinder, In der psychiatrischen Klinik von Iwano-Frankiwsk, Fun-Generation, Die Kirche, Auf der Krim, In den Karpaten. Die meisten Menschen hat der Fotograf nicht aus der Ferne abgelichtet, sondern ist ihnen sehr nahe gekommen, so dass beeindruckende Porträts entstanden sind: von Eisanglern und ausgemergelten Bergarbeitern, von Altenheim-Bewohnern, von Waisen- und Straßenkindern, von psychisch Kranken, von Gläubigen und von jungen Ukrainern, die ihren Spaß haben wollen... Martin Pollak, geboren 1944, der Slawistik und Osteuropäische Geschichte studierte, schreibt in seinem Vorwort: "Ich betrachte die Fotografien aus der Ukraine, (...) die alten Männer mit ihren verbrauchten Körpern, die müden, resignierten Frauen am Markt, die Betrunkenen, die irgendwo liegen wie achtlos hingeworfene Bündel, ich sehe die rührende Frömmigkeit der einfachen Menschen, die sich inbrünstig an die Religion klammern, den Optimismus der Jugendlichen, die von der tristen Vergangenheit nichts mehr wissen wollen, die hilflose Nachahmung des Westens, die schäbigen Relikte des einst so mächtigen Imperiums, zu dem auch die Ukraine gehörte..." Pollak schreibt in seinem Vorwort auch ausführlich über die unter Stalin nach Usbekistan verbannten Krimtataren und darüber, dass in den neunziger Jahren etwa 300 000 Krimtataren auf die Halbinsel zurückkehrten. Leider hat sich Riedel dieses Themas in seinen Bildern gar nicht angenommen. Sollten ihm bei seinen acht Reisen in die Ukraine dazu keine eindrucksvollen Fotos gelungen sein? Riedler (geboren 1968) war durch eine Auftragsarbeit in die Ukraine geraten: "Mit der Caritas quer durch die Ukraine unterwegs, dokumentierte ich die Arbeit der Organisation." Von der Ukraine - die für ihn damals nicht mehr war als ein weißer Fleck auf der europäischen Landkarte - ging für Riedler eine unerklärliche Anziehungskraft aus, denn neben den "traurigsten Eindrücken" lernte er ebenso die "Liebenswürdigkeit der Menschen und ihre Lebenslust und Heiterkeit" kennen. Beides hat Reiner Riedler - der dass Kolleg für Fotografie in Wien absolvierte - in seinen bewegenden Fotografien eingefangen. | |
Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de | |
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Am 10.02.2004 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 28.11.2019. Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet. |
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Porzellanflasche - für Likör - mit traditionellen ukrainischen Ornamenten. |
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