Belletristik REZENSIONEN

Sie hat Berge von Leichen hinter sich...

Russin
Die Diva vom Gorki-Park
Aus dem Russischen von Olga Kouvchinnikova und Ingolf Hoppmann
Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2003, 355 S.
"Was", so fragte ich (mehr rhetorisch) in meiner Rezension zu Viktoria Platowas "Die Frau mit dem Engelsgesicht" und "Ein Püppchen für das Ungeheuer", "veranlasst den renommierten Berliner Aufbau Taschenbuch Verlag - der etwa zeitgleich Rybakows "Die Kinder vom Arbat" und Nabokovs "Lolita" herausgab - Bücher solcher Platowa-Couleur zu bringen?" Zur Frankfurter Buchmesse 2003 nutzte ich die Gelegenheit und stellte dem Verlagsleiter Bernd Lunkewitz genau diese Frage. Seine Antwort: Der Verlag sei bemüht, nicht nur dem Geschmack der Daschkowa-Fans zu entsprechen, sondern auch dem Geschmack der Leser des Platowa-Stils. Vielleicht haben einige Leser des Aufbau-Verlags auch pornographische Lesewünsche? Dann, das sei verraten, bedient sie der Aufbau-Verlag mit der Platowa-Lektüre auch recht gut. Wie schrieb schon die "Süddeutsche Zeitung"? "Man muß sich die Kunden des Aufbau-Verlages als glückliche Menschen vorstellen." Muss man?

War die im Ich-Stil erzählende Heldin in ihren ersten beiden Büchern erst "eine graue Maus", dann "die schöne Eva" und dann "das Miststück Anna", ist sie nun wieder zur Eva mutiert, allerdings zu einer "abgewrackten grauen Schindmähre", die erst siebenundzwanzig Jahre alt ist. Wie immer gerät die Ich-Heldin rein zufällig in die schauderhaftesten Verbrechen. "Was hatte ich vorher gemacht? Ich hatte meine toten Freunde nicht begraben, dafür aber meine einzige Liebe; ich hatte drei Monate lang im Koma gelegen und mein ungeborenes Kind verloren; ich hatte gelernt zu töten, ich kannte mich aus mit Giften, Waffen und in der menschlichen Psyche; ich war jenen abtrünnig geworden, die mich lehrten, eine blinde Waffe im Dienste zweifelhafter Ziele zu sein. Und ich hatte Berge von Leichen hinter mir gelassen." Diesmal hat sie einen neuen Job als Casting-Assistentin bei dem aus Polen stammenden genialen Regisseur Andrzej Bratny, der alle, die mit ihm zu tun kriegen durch sein "zauberhaftes inneres Licht" hypnotisiert. Außerdem scheint er aber auch wirklich was von Hypnose zu verstehen... Als Mitarbeiter für sein Filmteam bevorzugt Bratny  Junkies, Alkoholiker, Spinner, eine ehemalige Striptease-Tänzerin, einen KGB-Beamten und weibliche Wesen, die ihn anhimmeln. Dann geschieht der erste Mord: Die alternde Hauptdarstellerin wird mit einer Ahle erstochen. Der filmbesessene Bratny schafft, um seinen Film zu retten, eine neue Diva heran. Auch sie wird um die Ecke gebracht. Als es auch die dritte alte Schachtel erwischt, sind alle ratlos. Auch die hässliche Eva - inzwischen hat man auch ihren Geliebten gekillt - begibt sich auf eine falsche Fährte. Als aber auch noch ihr blinder, tscheremissischer Freund  ermordet wird und deren Freundin, da beginnt die Casting-Assistentin etwas Richtiges zu ahnen... und: klärt die wirklich kolossale Mordserie auf.

Eins muss der Neid der so gar nicht zimperlichen Platowa lassen: Man ist ihren Ermittlungen als Leser nie voraus und die Mörder sind immer die, auf die man ganz und gar nicht kommt, obwohl nach der Aufklärung der diabolischen Fälle alles ganz logisch erscheint.

Was ich mich frage: Warum nennt der Verlag den Inhalt des Buches auf dem Cover einen Roman und auf dem Innentitel einen Kriminalroman? Und warum heißt der Titel Die Diva vom Gorki-Park? Mir ist nicht erinnerlich, dass an irgend einer Stelle des Buches vom Moskauer Gorki-Park die Rede ist. Und: Warum ist der blinde, an den Rollstuhl gefesselte Freund von Eva ein Tscheremisse, obwohl sich das Volk der Tscheremissen schon seit 1936 Mari1 nennt.

Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de
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Am 10.02.2004 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 07.01.2017.

Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.

In Butter gebraten, schmeckt auch ein Bastschuh.
Sprichwort der Mari

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