Belletristik REZENSIONEN

Menschen wie du und ich?

Russin
Tod in der Datscha
Aus dem Russischen von Olaf Terpitz
btb Taschenbuch
Wilhelm Goldmann Verlag, München 2003, 479 S.
 
Bei den Krimis der Malyschewa steht im Mittelpunkt kein Detektiv oder Kommissar, sondern immer eine jüngere, meist berufstätige Frau, die durch Vorfälle im privaten Umfeld in einen Kriminalfall hineingezogen wird. Bei Tod in der Datscha - trotz Taschenbuch eine deutsche Erstveröffentlichung - ist dies die achtundzwanzigjährige Alexandra Mordwinowa, genannt Sascha, die ein Bild, das sie restaurieren soll, versehentlich zerstört. Das Bild war mit Gouache - einer Farbe auf Wasserbasis - gemalt worden, und Sascha hatte es, dies nicht wissend, mit Lack fixiert; im Profijargon nennt man dies "ein Bild braten". Da sie einen Vertrag unterschrieben hatte, der die Unversehrtheit des Gemäldes garantiert oder eine hohe Strafe festlegt, ist sie, die kaum ein Bild von sich verkauft, in großer Not. Sie versucht, den Maler ausfindig zu machen, in der Hoffnung, dass er ihr bei der Wiederherstellung des Gemäldes helfen kann. Je mehr sich Sascha mit dem Landschaftsbild beschäftigt - auf ihm ist ein Datschengrundstück dargestellt - desto tiefer gerät sie in ganz furchtbare, geheimnisvolle Machenschaften, von denen ein unaufgeklärter Mord in der Datscha schon Jahrzehnte zurückliegt. (Auf der Datscha wäre hier richtig gewesen; denn "Datscha" bezeichnet im Russischen sowohl das Landhaus als auch die Parzelle. Und der Mord, um den es hier geht, geschah im Freien.) Weitere Morde dagegen geschehen nicht auf oder in der Datscha, sondern gegenwärtig, ratzbatz, einer nach dem anderen: getötet wird eine Mutter und ihr Sohn, eine Schwester, eine Tante... Der Leser wird in diesem Krimi gekonnt in die Irre geführt, zusätzlich leider auch noch durch einen Übersetzungsfehler. Auf Seite 120 ist zu lesen, dass "Tante Katja" umgebracht wurde, gemeint aber ist die "Tante von Katja"! Überhaupt sind zu viele (Druck)Fehler in diesem Buch.

Malyschewas Krimis spielen im heutigen Russland und haben, so meint der Verlag, "ihren Ursprung im Alltäglichen". Am Morgen, nachdem ich diesen Satz geschrieben hatte, lese ich in der Zeitung: "Ukrainischer Ex-Minister tot in der Datscha". Hier übrigens ist in der Datscha richtig,  denn man fand den Toten im Landhaus. Doch bei der Formulierung eines russischen Rezensenten, dass es sich bei den Figuren des Kriminalromans um "Menschen wie du und ich" handelt, schaudert´s mich - es sei denn der Kritiker meint die Opfer, nicht die Täter. Doch erschütternd ist es schon, wie eine Frau, bis zu ihrer Morderei ganz unbescholten, die grausamsten Dinge tut.

Seit Seite 382 wusste ich, nach wem die Polizei suchen sollte; der Hinweis der Autorin ist allzu deutlich. Nichts desto Trotz folgten noch 97 spannende Seiten.

Anna Malyschewa, 1973 geboren, hat am Literaturinstitut in Moskau studiert und lebt mit ihrem Mann, dem Krimiautor Anatolij Koralew, am Rande von Moskau. Sie hat bereits mehr als fünfzehn Krimis veröffentlicht und ist mit zweiunddreißig Jahren eine der jüngsten Bestsellerautoren Russlands; 1999 wurde sie auf der Moskauer Buchmesse zur Krimiautorin des Landes gekürt. Angefangen, Krimis zu schreiben, hat sie aus Geldnot; denn die Mafia war (warum?) hinter ihr und ihrem Mann her.


Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de

 

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Am 26.05.2005 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 23.11.2019.

Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.

Schnelles Wasser kommt selten bis zum Meer.
Sprichwort der Russen

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