Belletristik REZENSIONEN

Dem größten Schatz der Menschheit auf der Spur...

Russe
Die Bibliothek des Zaren
Ein Nicholas-Fandorin-Roman
Aus dem Russischen von Birgit Veit
Wilhelm Goldmann Verlag, München 2005, 384 S.
 
Als ich hörte, dass Boris Akunin in seiner neuen Krimi-Serie über das heutige Russland schreiben werde, war ich einerseits gespannt, andererseits enttäuscht; denn kein russischer Autor hat (auch Jusefowitsch nicht) so wissensreich und spannend über in Geschichte eingebettete Verbrechen geschrieben wie Akunin...

Nun habe ich den ersten Band der neuen Serie Akunins Die Bibliothek des Zaren gelesen und bin ausgesöhnt; denn Akunin - wohl wissend, was seine Leser am meisten an ihn fasziniert - verknüpft äußerst geschickt Vergangenheit und Gegenwart: Der neue Held der neuen Serie heißt Nicholas Fandorin und ist der Enkel des berühmten Ermittlers Erast Fandorin der ersten Fandorin-Serie. Er ist in achter Generation der Nachfahre des Hauptmanns Cornelius von Dorn, eines deutschen Abenteurers, der im 17. Jahrhundert auf der Suche nach Reichtum als Söldner nach Russland ging.

Der 1,99 Meter große Magister Nicholas Fandorin (auf Titel und vierter Umschlagseite des Buches falsch Nikolas) erbt von seinem Vater neben einem Adelstitel, einer wunderbaren Wohnung in South Kensigton und einer Menge Geld eine geheimnisvolle Handschrift seines Vorfahren Cornelius von Dorn (auf Titel und vierter Umschlagseite falsch Kornelius). Leider besteht diese Handschrift nur aus einer Hälfte des Textes. Als Nicholas, der als Historiker in London lebt, von einem russischen Unbekannten die andere Hälfte zugeschickt bekommt, beschließt er nach Moskau zu reisen, um das Geheimnis der Handschrift zu lüften. Dabei gerät er auf die Spur eines unermesslichen Schatzes und: heiratet die 1,51 Meter kleine Tatarin Altyn.

Im (Taschen-)Buch Akunins - eine deutsche Erstveröffentlichung - wechseln sich die Kapitel, in denen über den Vorfahren Dorn und den Nachfahren Fandorin berichtet wird, in schöner Regelmäßigkeit ab. Es ist schwer zu sagen, ob es im Russenland des 17. oder des 21. Jahrhunderts krimineller zugeht. Jedenfalls erfahren wir viel aus vergangener und gegenwärtiger Zeit, auch viele interessante damalige und heutige russischen Sitten und Bräuche.

Ist in Städtkes "Russischer Literaturgeschichte" zu lesen, dass Akunins Romane nach dem Typ der Literatur à la James Bond angelegt seien, so schreibt die "New York Times Book Review", wenn Puschkin Krimis geschrieben hätte, dann wäre "das hier dabei herausgekommen". Ich finde: Kein James Bond, kein Alexander Puschkin, sondern ein Boris Akunin: spannend, intelligent, gut geschrieben; Akunins phantasiereich konzipierte Kriminalromane stillen zweifellos das Lesebedürfnis nach gebildeter Unterhaltung.


Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de
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Am 13.09.2005 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 19.11.2019.

Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.

Wie sehr der Hammel auch stoßen mag, Berge versetzt er nicht.
Sprichwort der Russen

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