Belletristik REZENSIONEN | |
Todessonate und ein grüner Violinschlüssel | |
Alexandra Marinina | Russin |
Der gestohlene Traum | |
Anastasijas schwerster Fall Aus dem Russischen von Natascha Wodin Argon Verlag, Berlin 2003, 413 S. | |
Wer sich die fünf bereits in die Homepage gestellten Rezensionen über die
Marinina (1957 in Lvov geboren) zu Gemüte geführt hat, ist über die
Person und das Privatleben ihrer ständigen Ermittlerin Anastasija Kamenskaja bestens informiert
(ganz neu in Band 6 nur, dass die
Arbeitswütige vor dreizehn Jahren eine Abtreibung hatte). Man weiß sogar
ihren Brustumfang und dass sie seit über dreizehn Jahren in den
rothaarigen Mathematikprofessor Aljoscha Tschistjakow verliebt ist, wenn
auch nicht gerade leidenschaftlich. Geheiratet hat sie ihn bis jetzt
nicht, denn als sie es im vierten Band endlich vorhat, werden vor ihren
Augen zwei Bräute erschossen. Natürlich ließ die engagierte
Kriminalbeamtin der Miliz Hochzeit und Hochzeitsreise sausen und stürzte
sich ins Aufklärungsgetümmel... Und so müssen wir noch immer mit einer
oftmals einsamen, ledigen Verbrecherjägerin vorlieb nehmen, die ihren
kochbegabten Professor nur zu sich bittet, wenn sie männlichen Schutzes
bedürftig ist und wenn sie Appetit auf etwas Warmes hat. Ist Der gestohlene Traum Anastasijas sechster Fall? Man weiß es nicht, denn - nanu? der Verlag verzichtet diesmal auf eine Durchnummerierung. Doch laut Untertitel ist es ihr schwerster Fall. Da darf man gespannt sein, denn wie sie in Band 3 den Tod von sechs jungen Männern aufklärt, die kaltblütig jeweils an einem Montag mit jeweils einem Schuss aus jeweils 25 Meter Entfernung erschossen werden, das war schon Hochspannungsliteratur. Um es gleich vorwegzunehmen, ob der Fall vom gestohlenen Traum schwerer zu lösen ist, ist schwer zu sagen, aber verworrener ist er allemal: Die schöne junge Sekretärin und Gelegenheitsprostituierte Vika Jeremina wird in einem Waldstück bei Moskau ermordet aufgefunden. Ist sie ein Opfer ihres unsteten, alkoholisierten Lebenswandels geworden? Oder hat sie eine schwere, psychische Erkrankung - sie glaubt nämlich, dass ihr jemand ihren immer wiederkehrenden (Alb-)Traum gestohlen hat - um den Verstand und ums Leben gebracht? Bevor die Kamenskaja mit ihren Ermittlungen beginnt, erfährt sie, dass es in ihrer Obersten Kriminalbehörde Russlands eine undichte Stelle gibt, mindestens einer ihrer Kollegen arbeitet für die örtliche Mafia. Wer ist dieser unmoralische Unhold? Da gibt es im Verlaufe des Buches eine Überraschung nach der anderen. Und was den Mord an Vika anbelangt, so hat es nicht nur die Kripobeamtin schwer, den Fall zu entwirren, sondern auch der Leser sieht manchmal nicht mehr durch. Geradezu tödlich spannend wird es, als die Kamenskaja in Rom (Hier trifft sie sich mit ihrer "schwindelerregend eleganten Mutter".) auf einem Buchumschlag zufällig einen grünen Violinschlüssel entdeckt, der den Mord an Vika in ein völlig neues Licht rückt und die Kamenskaja ins Visier der Mafia. Wer die Fäden des Geschehens in der Hand hält, erfährt der Leser in der vorletzten Zeile der letzten Krimiseite. Macht eine solche geniale Fall-Konstruktion (in all ihren Büchern) die Marinina zur erfolgreichsten russischen Schriftstellerin aller Zeiten? | |
Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de
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Am 30.04.2003 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 23.11.2019. Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.
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Gott gab den Weg, der Teufel den Umweg. | |
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