Belletristik REZENSIONEN | |
Vera, Pavel und der Satan | |
Aleksandr Puškin | Russe |
Das einsame Häuschen auf der Basilius-Insel | |
Eine Novelle Aus dem Russischen übertragen und mit einer Nachbemerkung von Peter Urban Mit Zeichnungen von Aleksandr Puškin und einem zeitgenössischen Stadtplan von St. Petersburg (1744) Friedenauer Presse, 3. Auflage, Berlin 2003, 32 S. | |
Diese erstmals ins Deutsche übertragene Novelle hat eine interessante
Entstehungsgeschichte. Aleksandr Puškin
(1799 bis 1837) soll sie im Freundeskreis unter dem Titel "Ein Märchen
vom Teufel, der mit der Droschke auf die Basilius-Insel fuhr" erzählt
haben. (Die Basilius-Insel ist - analog zur
Moskauer Basilius-Kathedrale
- der eingedeutschte Name des Vasiljevskij Ostrov, einem Stadtteil
Petersburgs.) Was man einst für eine Anekdote hielt, erfuhr seine
Bestätigung 1912, als in den Memoiren Baron Delvigs ein Brief eines
gewissen Titov vom 29. August 1879 veröffentlicht wurde; in ihm erklärt
Vladimir Titow (1807-1891), Diplomat von Beruf, Gesandter und Mitglied
des Staatsrats, der in jungen Jahren unter dem Pseudonym "Tit
Kosmokratov" der schönen Literatur huldigte, die Urheberschaft der
Erzählung. Wieder einmal ist es klug, die Nachbemerkung zuerst zu lesen, denn
sonst versteht man nicht, wenn auf dem Titelblatt groß als Autor Puškin
genannt, dann aber die Novelle mit Tit Kosmokratov unterzeichnet ist.
(Warum nur entfremden manche Slawisten uns so vertraute Gestalten wie
Puschkin [Puškin], Tschechow
[Čechov], Tschaikowski
[Čajkovskij]... mit ihrer für Belletristik so
unpassenden wissenschaftlichen Transkription?) Man nimmt übrigens an,
dass Titov die von ihm aufgeschriebene Novelle Im "Schneeglöckchen"
drucken ließ, jenem Almanach des Hauses Majkow, in dem Ivan Gontscharow
mit "Die Schwere Not" seine literarische Karriere begann;
Majkow begegnet uns übrigens auch bei Gontscharow in "Für den Zaren um die halbe
Welt".
In der Geschichte Das einsame Häuschen auf der Basilius-Insel steckt hinter dem nicht unansehnlichen jungen Mann Varfolomej der Teufel. Pavel Ivanovič, der mit Varfolomej befreundet ist, besucht die recht entfernten Verwandten Vera und ihre Mutter in ihrem einsamen Häuschen auf der Basilius-Insel. Pavel nennt Vera "seine kleine Schwester, liebte sie, wie jeder junge Mann ein wohlansehnliches, liebreizendes Mädchen liebt, war ihrer Mutter gefällig (...)". Als Pavel eines Tages seinen Freund Varfolomej mitbringt, nimmt das Unglück auf teuflische Weise seinen Lauf... Das Teufelsthema beschäftigte Puškin, die prägende Gestalt des "Goldenen Zeitalters" der russischen Literatur, seit 1821; er plante und skizzierte Gedichte mit Teufels- und Höllenmotiven, das Fragment einer Geschichte "vom verliebten Teufel" findet sich in seinem Nachlass, seine Notizbücher sind voller Zeichnungen von Teufelsfiguren. Teufel, Höllisches und Dämonisches sind seit Puškin aus der russischen Literatur nicht mehr wegzudenken und treiben ihren Spuk noch bei den Futuristen Chlebnikov und Kručënych in ihrem Poem "Höllenspiel". Woher nur kommt bei den Teufeln diese Lust, sich in menschliche Dinge einzumischen, obwohl niemand sie je darum gebeten hat... | |
Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de
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Am 10.06.2004 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 25.11.2019. Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet. |
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Teuflisches Treiben - in Aleksandr Puškins Notizbüchern. |