Sachbuch REZENSIONEN

Punktionelle Recherchen: von Tolstoi bis Sorokin

Über die russische Literatur
Von Ketzern und Klassikern
Streifzüge durch die russische Literatur
Suhrkamp Verlag, Frankfurt / Main 2003, 236 S.

Sie war mir schon als Übersetzerin, Kritikerin, Herausgeberin und immer wieder als sachkundige Nachwort-Schreiberin aufgefallen. Verfallen bin ich ihr, als sie zum 3. Internationalen Literaturfestival in der Berliner Sophienstraße charmant die Zügel in die Hand nahm, weil der russische Moderator, vom Alkohol gebeutelt, die Zügel nicht mehr halten konnte...

Ilma Rakusa, geboren 1946, lebt in Zürich. In Von Ketzern und Klassikern schreibt sie über Bücher und Autoren aus Russland, erweist sich als gleichermaßen intime Kennerin der russischen Avantgarde wie der russischen Klassiker. Ihr Buch handelt von Anton Tschechows "Möwe", von Samjatins visionärem anti-utopischem Roman "Wir",  von Schipenkos Erstlingsroman "Das Leben Arsenijs" und vielem, vielem mehr.

Ilma Rakusas Streifzüge durch die russische Literatur folgen keinem festen Prinzip, keinen literarischen Stilrichtungen, Schulen oder Gruppierungen. Sie verweilen bei bekannten und weniger bekannten Autoren, geben Einblick in biographische und werkgeschichtliche Zusammenhänge oder beschränken sich auf die Charakteristik eines Buches, eines künstlerischen Verfahrens, einer thematischen Konstellation. Ilma Rakusa, die ihre Streifzüge auch "punktuelle Recherchen" nennt, in ihrem Vorwort: "Meine Streifzüge entlarven Skurriles und Melancholisches, sie zeigen den Aufbruch russischer Schriftstellerinnen in die Post-Perestroika und so manchen wagemutigen Versuch, aus politisch-realsozialistischer Gängelung ins Reich ästhetischer Freiheit zu entkommen."

Man sollte Rakusas Streifzüge in erster Linie als Anregung und Anleitung zur Lektüre verstehen. Es ist zum Beispiel sehr reizvoll, das verdienstvolle Heft der Friedenauer Presse "Lieder der Stadt" über die Malerin-Poetessa Elena (Jelena) Guro zu lesen und dann zu schauen, was die Rakusa zur allzu früh verstorbenen Guro zu sagen hat oder Daniil Charms für sich zu entdecken und dann nachzulesen, was er der Rakusa bedeutet. Ihre Gedanken stimmen durchaus nicht immer mit der gängigen Meinung überein. Interessant und spannend auch ihre thematischen Beiträge über die Frauengestalten bei Dostojewski, über Kinder in der russischen Literatur, über russische Schriftstellerinnen im Aufbruch. In dem Kapitel über russische Gegenwartsschriftstellerinnen nennt sie die Petruschewskaja, die Ulitzkaja, die Slawnikowa, die Platowa, die Rybakowa, die Marinina, die Daschkowa.

Von Viktorija Tokarjewa, die sich selbst zu den fünf besten russischen Autorinnen zählt, ist bei Rakusa nicht die Rede.

Erfreulich, dass der Suhrkamp Verlag das individuelle Bändchen Von Ketzern und Klassikern in seine verdienstvolle Reihe edition Suhrkamp als Originalausgabe aufgenommen hat!


Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de

 

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  • Klaus Städtke (Hrsg.), Russische Literaturgeschichte.

Am 31.03.2004 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am am 12.01.2017.

Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.

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Sprichwort der Russen

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