styria premium Wien / Graz / Klagenfurt 2011,
mit zahlreichen Abbildungen, 320 S.
Wir alle wissen: Am 26. April 1986 explodierte im ukrainischen
Tschernobyl ein Atomreaktor, einer von vier baugleichen
Reaktorblöcken; Reaktor 5 und 6, schon geplant, wurden wegen des
Super-Gaus (Gau = Größter anzunehmender Unfall) nicht mehr gebaut. Durch die Explosion in der
Ukraine (1986 noch zur
Sowjetunion
gehörig) war weltweit Radioaktivität freigesetzt worden, in große
Höhe gelangt und mit dem Wind über halb Europa gezogen. In Im
Sarkophag von Tschernobyl ist eine Tabelle der belasteten Gebiete abgedruckt.
Dieser Tabelle ist zu entnehmen, dass der europäische Teil
Russlands
mit 59,3 Ci (Curie) am meisten verstrahlt wurde, gefolgt von
Belorussland mit 43,5 Ci, der
Ukraine mit 37,63 Ci, von Schweden mit
23,44 Ci, von Finnland mit 19,0 Ci, von Norwegen mit 7,19 Ci; von Deutschland
mit 0,32 Ci.
Es war 2002 als ich in meiner Rezension zu
"Tschernobyl" von Swetlana Alexijewitsch
schrieb: "Wenn man Swetlana Alexijewitschs Buch gelesen hat, erfährt man von Menschenschicksalen, die einem das Blut in den Adern
gerinnen lassen, die einem die Tränen in die Augen treiben. Ich habe geheult, geheult, geheult... So furchtbar
hatte ich mir das alles nicht vorgestellt, nicht vorstellen können. Swetlana Alexijewitsch
lässt Beteiligte und Betroffene sprechen. Sprechen? Aufschreien!"
Inzwischen las ich zur Tschernobyl-Problematik noch
"Der Stern Tschernobyl" (1986),
"Maria mit der Wermutspflanze" (1990),
"Nahaufnahme" (2006),
"Tschernobyl Baby" (2011)... Zutiefst berührt
haben mich alle Bücher. Aber keines hat mich so nachhaltig
beunruhigt wie Ich war im Sarkophag von Tschernobyl von dem
Russen Anatoly N. Tkachuk.
Tkachuk, geboren 1950 im fernöstlichen
Wladiwostok, arbeitete von
1972 bis 1998 auf verschiedenen operativen und leitenden Positionen
beim KGB, dem russischen Komitee für Staatssicherheit. Seine
Dienstzeit beendete er im Rang eines Generalmajors als Erster
Stellvertreter des Abteilungsleiters des russischen Sicherheitsdienstes im
Moskauer Militärbezirk. In Tschernobyl war
Tkachuk verantwortlich für die Führung der Organe der
Militärspionageabwehr des KGB, also auch verantwortlich für den
Schutz der (600 000) Liquidatoren und aller anderen Personen, die in
Tschernobyl ihr Leben "für das Überleben der Menschheit" einsetzten.
Anatoly N. Tkachuk ("Mehr als zwanzig Jahre habe ich dieses Buch
in mir herumgetragen.") erzählt von unendlich viel Erschütterndem.
Zwei seiner Gedankengänge wollen mir überhaupt nicht mehr aus dem
Kopf gehen --- doch davon später.
Um die Menschheit vor der nuklearen Strahlung aus Tschernobyl zu
schützen, wurde ein Sarkophag gebaut - eine Schutzhülle um den
Unglücksreaktor, die Tkachuk als "ingenieurtechnische
Meisterleistung" bezeichnet. "Dass das verstärkte Betongebäude, mit
mehr als 60 Meter Höhe, in einem halben Jahr errichtet wurde,
übersteigt die Vorstellungskraft. In der Sarkophagkonstruktion sind
360 000 Kubikmeter Beton und mehr als 6 000 Tonnen Metallstützen
verbaut. Der gewaltige Riss in der Außenhülle des Kraftwerksblocks wurde
mit einer Kaskade von monolithischen Mauern überdeckt. Das Metallgerüst
wurde mit Betonteilen gefüllt, die an manchen Orten bis zu 18 Meter
Spannweite haben, und im Kraftwerk wurde zwischen Block 3 und dem
zerstörten Block 4 aus demselben Material eine `biologische
Schutzmauer´ errichtet. Später wurden manche Wände mit Blei bedeckt.
[...] Unter diesem Monster aus Beton,
Stahl und Menschenleben entwickeln sich Dinge, die den
Wissenschaftlern neu sind. Die Physiker behaupteten, dass
unkontrollierte spontane Kettenreaktionen im übrig gebliebenen
Nuklearbrennstoff Jahre dauern und mit jedem Element, mit jeder
Substanz interreagieren können, um dabei Prozesse zu erzeugen, die
die Menschheit noch nicht gesehen hat." Um diese permanente Gefahr
besser einschätzen zu können und den Zustand des Reaktors zu
verstehen, die inneren Strukturen, die seine Reste halten, den
Reaktor selbst und den verstreuten nuklearen Brennstoff wurden Proben aus dem verstrahlten
Sarkophag benötigt. Um diese Proben zu bekommen ging Tkachuk
zusammen mit drei Männern - einem Bauingenieur, einem Atomphysiker und
einem General - in den Sarkophag von Tschernobyl.
Ein Höllentrip.
Der Weg der vier Männer, die als erste Menschen in den hoch
verstrahlten Sarkophag des explodierten Reaktorblocks 4 gingen,
liest sich, obwohl mit Tatsachen voll gepackt, wie ein Thriller.
"Die schwere Metallplatte wurde hinter ihnen mit einem unangenehmen
Knall geschlossen. Die Männer waren umgeben von völliger Dunkelheit.
[...] Vor ihnen lag die Ungewissheit [...] Schneller! Die Zahlen auf dem winzigen Bildschirm
wuchsen jede Sekunde: 40 Röntgen pro Stunde, 50, 90, 100, 120...
[...] Alles voll Staub, das Dosimeter zeigt 700 Röntgen / Stunde und
steigt ständig. [...] Das Gebäude, von dem die Konstrukteure
angenommen hatten, dass es einer atomaren Explosion standhalten
würde, bot nun den Eindruck eines von Windstößen zerschlagenen
Kartenhauses. [...] Bei einem neuerlichen Unglück würde die
schreckliche Kraft im Inneren dieses Gebäudes nach außen dringen;
die Menschheit würde mit Trauer konfrontiert, mit Tod, Untergang,
Hölle... es wäre die Apokalypse.[...] Plötzlich blieb Ingenieur Lozov stehen.
Dieser mittelgroße durchtrainierte Mann griff wild um
sich, fiel auf die Knie, riss sich die Gasmaske vom Kopf, sog tief
die Luft ein und stürzte auf sein Gesicht. [...] Seine Lippen
verfärbten sich in Sekunden blau, Schaum trat aus seinem Mund,
vermischte sich mit dem Staub und sein Gesicht wurde schwarz. Die
Augen traten langsam aus den Höhlen hervor, zeigten nur noch das
Weiße. Lozov machte noch ein paar tiefe Atemzüge und erlosch. [...]
Die gewaltigen Ströme aufgeladener Teilchen trugen die tödliche
Drohung, schufen hochradioaktive Felder mit massiver
Neutronenaktivität. Sie konnte überall sein, hinter jeder Kurve, in
jeder Ecke. Diese Fallen konnten jeden, der in sie trat, innerhalb
von Sekunden töten.[...] Die feste Stimme von General Yudenkov
[erlaubte] keinen Weg zurück. Der Auftrag musste zu Ende gebracht
werden. Aber dieser Befehl war für Andrey Yudenkov der schwierigste,
den er je gegeben hatte. Selbst im Krieg hatte er keine
vergleichbaren Befehle erteilt, hatte niemals Männer in den sicheren
Tod geschickt." Der Bauingenieur Lozov war versehentlich
auf den geschmolzenen Kernbrennstoff getreten, der wie erkaltete
Lava unter einer Staubschicht lauerte, er starb zehn Minuten nach
Betreten des Sarkophags. Der Atomphysiker berührte die strahlende
Masse mit den Händen und starb zwei Tage später in einer
Spezialklinik in Kiew. Der Militärkommandant überlebte das
damalige Strahlenbombardement fünf Jahre. Der einzige der vier mutigen
Männer, ich scheue mich nicht, Helden zu schreiben, der den
Höllentrip bis heute überlebt hat, ist der
KGB-Mann Anatoly
N. Tkachuk. In der österreichischen "Presse" fragt der Interviewer,
wie es komme, dass Tkachuk trotz seines Aufenthalts in der
Strahlenhölle so gesund aussehe? Tkachuk antwortet mit einem
russischen Sprichwort: "Der Sport und die Arbeit schmücken den
Mann." Fast möchte man beim Anblick Tkachuks, dessen schwarzes Haar
kaum ein graues Fädchen schmückt, auf den Gedanken kommen, der
russische Geheimdienst habe (schon) damals ein geheimes Mittelchen
gegen die Strahlenkrankheit gehabt. Doch so spurlos vorübergegangen
war die gewagteste Expedition der Menschheit auch an Tkachuk nicht.
Er musste sich einer Operation am Hals unterziehen, und er hatte
einen dunkelbraunen Strahlungsbrand auf der Haut. Aber er blieb am
Leben, ist heute in Moskau ein bekannter Geschäftsmann.
Ich frage mich auch, ob Tkachuk zum Überleben Gottvertrauen geholfen hat. Denn
ganz ungewöhnlich für einen KGB-Mann spricht er in seinem Buch in
den verschiedensten Zusammenhängen vom "Herrn der Schöpfung", von
"Gott" (der als einziger die Männer vor dem unabwendbaren Tod retten
konnte), von "irgendjemand da oben", von "höheren Mächten" (die an
die Menschen eine Warnung erließen).
Nun sollte man meinen, Anatoly N.
Tkachuk ist gegen die Atomenergie. Aber, was lese ich in einem
Interview mit ihm im "Kurier"? "Die Atomenergie", sagt er da, "ist
grundsätzlich vom Menschen beherrschbar. Es ist immer der
menschliche Faktor, der zu den Katastrophen führt. In Tschernobyl
wurde ein Experiment falsch durchgeführt, was zur Explosion führte,
und in Japan berücksichtigten die Menschen nicht ein so starkes
Erdbeben und die darauf folgende mächtige Flutwelle. [...] Der
technische Fortschritt kann nicht aufgehalten werden." In der
"Berliner Zeitung" vom 18./19. Juni 2011 las ich, dass inzwischen
bekannt wurde, dass schon die Erdstöße allein, und nicht, wie lange von
Japan behauptet, erst der Doppelschlag von Beben und Tsunami -
ausreichten, um das Kühlsystem zusammenbrechen zu lassen. Jetzt verstehe
ich auch, warum Tkachuk seinem Buch einen Ausspruch
Andrej Sacharow
vorangestellt hat: "Der Fortschritt ist nur unter Kontrolle
der Vernunft möglich und sicher."
Das Buch von Anatoly N. Tkachuk ist ein ungeheuer faktenreiches
Sachbuch mit romanhaften Zügen. Der Autor schreibt seinen Bericht
des Überlebenden in der dritten Person, seinen Helden nennt er Andrey Pravdin. Von Andrey kann
der Autor zum Beispiel sagen: "Solche Entscheidungen zu treffen ist
die Bestimmung starker Persönlichkeiten, die sich nicht entmutigen
lassen. Solche Menschen gehen ihren Weg auch in der verzweifeltsten
Situation, wenn jeder andere sich abwenden, kapitulieren würde oder
seine Ideale verraten. Aber da war ein stählerner Kern in Andrey,
der ihn in der Seele stärkte und ihn der Richtigkeit dessen
versicherte, was er tat." Solche Aussagen in der Ich-Form würden
sich vermutlich eigentümlich ausnehmen. In der 3. Person jedoch, obwohl sich
der Leser stets im Klaren darüber ist, dass sich der Autor mit Andrey selbst meint,
haben mich nicht unangenehm berührt. Der Zweck
heiligt die Mittel ... Nicht von ungefähr
auch dankt Tkachuk seinem Sohn Roman (der gerade zur Welt gekommen
war, als sein Vater sich in den Sarkophag wagte; seine Tochter war
damals zehn Jahre alt.) dafür, dass er ihm geholfen habe, "das
künstlerische Vorhaben dieses Buches zu realisieren".
Das Meiste in diesem Buch ist autobiographisch und erzählt von den
realen Geschehnissen jener Tage. Wer dieses Buch lese, schreibt der
Autor in seinem Vorwort, solle nachdenken, welches Schicksal unsere
Erde erwartet. Sie, die Erde, sei zur Geisel der Menschheit und
ihrer technischen Entwicklung geworden. "Wenn ich die Parallele
zwischen der friedlichen Nutzung der Kernenergie und den
Nuklearwaffen ziehe, möchte ich den Leser darauf hinweisen, dass
beide gefährlich sind und uns sowie künftige Generationen bedrohen.
[...] Dieses Buch ist das Resultat
meiner Erkenntnisse. Ich hatte mit der nuklearen Aufrüstung und der
friedlichen Kernenergienutzung zu tun, die außer Kontrolle geraten
ist. [...] Wenn ich von Gefahren spreche weiß ich genau, wie
realistisch und gefährlich sie sind. Ich kann nicht schweigend der
heranziehenden Katastrophe planetarischen Maßstabs zusehen. [...]
Unmittelbar vor Drucklegung dieses Buches hat sich in Japan die
Tragödie von Tschernobyl wiederholt, hat sich wieder einmal die
Überlegenheit der Natur über die menschlichen Technologien
bestätigt."
Die Namen im Buch sind verändert. "Veränderung ist nicht
Erfindung" - lässt uns der Autor wissen. Unser Buchheld Andrey Pavlik
(alias Anatoly N. Tkachuk) hat einen Gegenpart: den Amerikaner
Robert Lenz, überdurchschnittlich groß, athletischer Körperbau,
schmales Gesicht europäischen Zuschnitts, blonde, glatte Haare,
gewölbte Stirn, blaue Augen, schmale Nase, dünne Lippen.
[...] Ledig. Möglicherweise
CIA-Angehöriger. Mehrmals im Zusammenhang mit Raketentests
aufgefallen, aber auch bei Bau und Betrieb von Atomkraftwerken.
Mehrere Reisen in die DDR und nach Osteuropa. Hat die UdSSR [Union
der Sozialistischen Sowjetrepubliken] noch nicht besucht. Technische
Ausbildung. [...] Deutsche Herkunft. [...] Offizieller Grund seines
Besuches ist Sightseeing mit einer Gruppe von Touristen aus
verschiedenen Ländern. [...] Er soll besonderes Interesse an den
verschiedenen Strahlungsquellen in der Nähe der Armeeanlagen zeigen.
Andrey Pavlik begegnet Robert Lenz das erste Mal noch zu Zeiten der
Sowjetunion in einer
ausländischen Touristengruppe, der, so vermutet man, auch
Geheimagenten angehören... Den Robert Lenz scheint der Autor
einerseits "erfunden" zu haben, um ihm Lobeshymnen über das
russische Volk in den Mund zu legen, wie: "Robert verstand nun, dass
es unmöglich war, ein Volk zu brechen, das seine Geschichte so
respektiert und eine solche unbeirrbare Seele hat, selbst wenn auf
der Welt alles auf den Kopf gestellt wird. Oder: "Heroismus und
Opfermut des russischen Volkes konnten den Erfolg bringen." Oder:
"Sein letzter Einsatz hatte seine Haltung zu den Menschen in der
Sowjetunion verändert. Sein Land [Amerika] baute von den Russen das
Image eines blutsäuferischen, aggressiven, immer betrunkenen und
unterlegenen Volkes auf. Barbaren, aber mit der Atombombe." usw. usw.
Zu Beginn dieses Beitrages sprach
ich von zwei Gedankengängen Tkachuks, die mir nicht mehr aus
dem Kopf gehen. Es sind dies erstens seine Auslassungen über eine psychotronische Waffe:
"In den Jahren des Kalten Krieges haben alle Erfindungen irgendwie
mit Waffen zu tun gehabt. Es vergeht kein Tag
[?], an dem nicht eine neue Kriegswaffe
erfunden wird. Und sie werden immer raffinierter. Einst war die
Rakete der große Durchbruch und schien die perfekte Waffe. [...] Die
psychotronische Waffe ist schon jetzt kein Märchen. [...] Einstein
hatte recht, als er sagte, niemand wüsste, mit welcher Bewaffnung
der Dritte Weltkrieg geführt würde, aber die Waffen des Vierten
wären Stöcke und Steine."
Und da ist zweitens Tkachuks vage ausgesprochene Vermutung, dass
der Atomunfall von Tschernobyl durch Einwirkung von außen
[durch eine pschotronische Waffe]
geschehen
sein könnte. Tkachuk spricht davon, dass es wenige Sekunden vor der
Explosion des Reaktors 4 ein unterirdisches Erdbeben gegeben habe,
eventuell ausgelöst durch eine Waffe unbekannter Herkunft...
[...] Mehrere Augenzeugen berichteten
über Ausfallerscheinungen und Schwächezustände, und zwar in den zehn
Minuten vor der Explosion. Die Untersuchungskommission betrachtete
diese Aussagen als Entlastungsversuche. Die Informationen über die
Entwicklung psychotronischer Waffen im Ausland erweckten aber
zusätzliche Zweifel an dieser Einschätzung."
Von ursprünglich zweihundert möglichen Ursachen war nach genauen
Untersuchungen als einzige Ursache menschliches Versagen übrig
geblieben. "Eine thermische Explosion aufgrund der fahrlässigen
Handlungsweise des Personals in Block 4" - das ist die offizielle
Version, die die Öffentlichkeit kennt. Im Buch Ich war im
Sarkophag von Tschernobyl treffen sich
die beiden ehemaligen Geheimdienst-Kontrahenten Lenz / Tkachuk zufällig bei einem
Gesundheitsbad in den berühmten thermischen Quellen von Sardinien. Sie erkennen
sich nach Jahrzehnten wieder und freuen sich, einander zu sehen. "Andrey
wurde bewusst, daß weder Hass noch die geringste Feindseligkeit
zurück geblieben war. Seltsames Gefühl. Sie waren Feinde, und jetzt,
da sie sich trafen, sprachen sie wie alte Freunde. Wohin war ihr
Konflikt entschwunden?"
Im Verlaufe ihres Gesprächs bittet der Russe Tkachuk den
Amerikaner Robert Lenz, ihm eine Frage zu beantworten, die ihn seit
langer Zeit quält: "Unter den Atomwissenschaftlern in Tschernobyl
gab es Gerüchte, dass eine neuartige Waffe gegen das Kraftwerk
eingesetzt worden sei, die ein Mikroerdbeben und die folgende
Explosion ausgelöst haben soll. Irgendwie ist diese Version nie
weiter untersucht worden.
[...] Habt ihr diesen
entsetzlichen Alptraum geschaffen?"
Statt einer Antwort stirbt Robert
Lenz. --- Herzversagen.
Ein Sachbuch mit romanhaften Zügen.
Oder die Wahrheit? Das Leben schreibt ja bekanntlich die besten
Romane...
Eine gute Idee ist, allen Kapiteln die beeindruckendsten Zeilen
aus dem jeweiligen Kapitel voranzustellen. Aufschlussreich auch, die
zahlreichen Tabellen, Grafiken, Zeichnungen und informativen
Fotographien. Aber mussten wirklich so viele Fotos des
(zugegebenermaßen gut aussehenden) Autors das Buch "schmücken"?
Anlässlich des 25. Jahrestages der Tschernobyler Katastrophe hat
in Kiew eine Geberkonferenz mit fünfzig Teilnehmerstaaten
stattgefunden. Die neue Schutzhülle - gebaut für einhundert bis
zweihundert Jahre - soll aus 20 000 Tonnen Stahl und
Beton bestehen und wird den alten Sarkophag ummanteln. Tkachuk und
seinen Mannen ist zu verdanken, dass man besser weiß, was Strahlung,
Chemie und Physik im alten Sarkophag anrichten können ... "Man könnte das Vorhaben
[des neuen Sarkophags, der mit
Gleitschienen auf den alten geschoben wird] in etwa mit dem amerikanischen
Mondprogramm vergleichen, weil noch niemand je eine so gewaltige
Konstruktion in einem radioaktiv kontaminierten Gebiet errichtet
hat", sagt Wolodymyr Berkowsky von der Internationalen
Atomergiebehörde (IAEA) in Wien. Die Ukraine will im Oktober mit dem
Bau des neuen Sarkophags beginnen, der ukrainischen Regierung liegen
Spendenzusagen in Höhe von rund 670 Millionen Euro vor. (Ich
gestatte mir, daran zu denken, dass die Hungernden in Nordafrika mit einer solchen Summe
vor dem Hungertod gerettet werden könnten...)
*
Was aber, frage ich mich, haben sich
Übersetzer und Verlag bei den Schreibweisen in Ich war im
Sarkophag von Tschernobyl gedacht? Das fängt mit
dem Namen des Autors an: Auf Seite 242 ist sein Zonenausweis
abgedruckt, mit dem der Inhaber das Recht zur uneingeschränkten
Einfahrt in das Sperrgebiet und Zutritt zum Tschernobyler
Atomkraftwerk und zu Block 4 hatte. Deutlich lesbar steht dort der
Name des Autors geschrieben: Тkaчүқ Aнатолий
Ниқолаевиҹ. Ins Deutsche transkribiert wäre richtig: Tkatschuk, Anatolij
Nikolajewitsch. Der Buchstabe "ч" ist ein "tsch", kein "ch"!
- Oder: Auf Seite 304 stehen zum Beispiel die Orte Goroditschsche,
Simowitschsche, Pljutowitschsche. Das russische "щ" ist ein "schtsch",
kein tschsch: Oder: Warum stets "y" statt "ij" bei Anatoly, Andrey,
Sergey, Nadya, Gennady? Oder: Warum Pripyat statt Pripjat - wie es
stets geschrieben ist. Oder: Warum stets "v" statt "w" zum Beispiel bei Jevdokimov,
Kiev, Vera... Oder: Warum "c" statt "k" bei Arcady.
Warum - frage ich den Übersetzer und Bearbeiter des Buches Reinhard
Deutsch und den styria premium Verlag? |