NachRussland-Reihe Mit Abbildungen
Books on Demand, Norderstedt 2007, 128 S.
Mir sind sieben
Veröffentlichungen zum Thema "Wodka" auf dem deutschen Büchermarkt bekannt, sieben nennt (auf S. 117)
auch Roland Bathon in seinem sehr kurzweiligen und sehr informativen
Buch Russischer Wodka.
Wodka (Niemals mit Eis servieren!) wird bei Bathon - zu meiner Genugtuung; denn ich bin ein
Verfechter der Duden-Transkription - ausschließlich mit "W"
geschrieben, weil "Vodka" die englische Umsetzung des russischen "Водка"
ist. Ich bedaure - auch in vielen meiner
Rezensionen -, dass die
englische Umsetzung den deutschen Sprachraum überfallen hat. (Besser:
Der deutsche Sprachraum sich hat überfallen lassen...)
Ich kenne Roland Bathon* schon von
"Russland auf eigene Faust" und schätze den Autor, weil seine Bücher -
gekonnt - Lücken schließen: dieses Buch die Wodka-Lücke, jenes die
Individualreise-Lücke. In dieser, seiner "Wodka-Bibel", sind alle Aspekte
zum "Wässerchen"**-Thema abgehandelt. Der Wodka im Wandel / Die russische
Wodkageschichte / Der Wodka im neuen Russland / Geselligkeit und Bräuche
/ Was man zum Wodka isst / Wodka als Kultur / Rohstoffe /
Herstellungsverfahren / Aromatisierung / Liköre und Wein aus Wodka /
Geschmäcker sind verschieden / Russland auf dem Wodka-Weltmarkt /
Russische Großbrenner und ihre Marken / Exilrussische Gründungen im
Westen / Westliche Marken in Russland / Samagon - daheim Gebranntes in
Russland / Original oder Fälschung / Russische Wodka-Alkopops... Auch
der Alkoholismus und der wirtschaftliche Aspekt des russischen
Traditionsgetränkes sind Thema des Buches.
Apropos Fälschung... Wäre ich doch 1993
schon durch Bathon aufgeklärt gewesen; denn da bin ich mit meinen
Reisebegleitern in einer Stadt des "Goldenen Rings" auf gefälschten
(gepanschten?) Wodka hereingefallen. Wir blieben zwar dem Leben
erhalten, aber die Wirkung und die Nachfolgen gehören der
Unvergesslichkeit an... Und das am romantischen Lagerfeuer am Ufer von
Mütterchen Woga, wo nach Bathon der Wodka am besten mundet.
Die beiden ersten Kapitel, beginnend im
15. Jahrhundert erzählen von dem Streit zwischen Russen und Polen
darüber, wer der Erfinder der Weltspirituose Nummer Eins ist. Das ist
interessant und informativ, aber Bathon gelingt es, seinen Text immer
auch unterhaltsam zu gestalten - mit Legenden, Anekdoten, Geschichten
und vielen Rezepten. Eine Anekdote geht so: "Im schönen
Sankt Petersburg
hatte ein Sturm die Spitze der Peter-Pauls-Kathedrale beschädigt.
Zunächst traute sich keiner, zur Reparatur nach oben zu steigen. Doch
schließlich wagte es ein Leibeigener und kletterte ungesichert hinauf.
Nach erfolgreicher Instandsetzung erhielt er vom
Zaren zum Dank einen
Becher, mit dem er überall im Reich kostenlos Wodka bekommen konnte. -
Betrunken, wie er daraufhin öfters war, verlor er ständig den Becher,
und nachdem der Zar ihm einige Humpen ersetzt hatte, wurde es diesem zu
dumm. Er ließ dem Leibeigenen an Stelle des Bechers ein Zeichen in den Hals unterhalb des Kinns brennen. Nun musste der
Kirchenretter nur noch auf das Brandmal zeigen, um sein
Gratis-Wässerchen zu bekommen." - Seitdem bedeutet in
Russland ein
Fingerschnalzen an den Hals, dass man "einen Trinken gehen" will.
Ganz neu waren für mich des Autors
Ausführungen über den russischen Chemiker Mendelejew (auf S. 28 falsch
Mendelew), den die meisten aus der Schule als Erfinder des
Periodensystems kennen werden. Dmitri Mendelejew
(1834-1907) nämlich war es, der das
Wodka-Glas "Stopka" erdachte, das die berüchtigten 100 (сто) Gramm fasst. Auch seine
Doktorarbeit hat der berühmte Russe zum Thema Wodka verfasst und
entscheidende Beiträge zur Verbesserung des Herstellungsverfahrens
beigesteuert.
Und wer noch immer glaubt, dass der "Wodka
Gorbatschow"
nach dem ersten Präsidenten der Sowjetunion, nach
Michail Gorbatschow,
benannt ist, wird von Bathon eines Besseren belehrt: "In Sankt
Petersburg lebte im ausgehenden Zarenreich Leontowitsch Gorbatschow, der
(...) Wodka herstellte. 1917 emigrierte er aus den gleichen Gründen wie
Smirnow [Wodka Smirnoff] in den Westen, und zwar genauer gesagt nach
Berlin. Dort fing er 1921 erneut an, Wodka herzustellen. Seit 1923 wird
das Getränk in einer blau etikettierten Zwiebelturmflasche abgefüllt,
die heute wohl jeder im deutschsprachigen Raum kennt." Apropos
Gorbatschow. Seine wenig überlegte Heldentat, Alkohol (auch Wein)
in den achtziger Jahren drastisch zu verbieten - und z. B. die traditionellen Weinländer
Georgien und
Moldawien
wirtschaftlich fast zu ruinieren - kommt in Russischer Wodka zu kurz.
Gab es nach dem Ende der Sowjetunion
dreißig Wodkamarken, so sollen es heute zweitausend sein, unter vielen
anderen Marken z. B. den "Kauffman-Wodka"
(der Millionärswodka für die reichen
Neuen Russen zum Preis um die 140 €
für die Flasche, einem Parfüm-Flakon nachempfunden, erhältlich im
Berliner KaDeWe.), den "Gschelka Bespochmelnaja" (nachdem man keinen
Kater bekommen soll und der mit dem Slogan "Возми меня!" - "Nimm mich!"
beworben wird) und den "Kalaschnikov-Wodka" aus
Sankt Petersburg (der 41
% hat und nach Angaben der Produzenten ein ehemaliges Militärprodukt
ist, das seit 1947 produziert und seit einigen Jahren exportiert wird.
"Die außergewöhnliche Prozentzahl dient den Soldaten zur einfachen
Unterscheidung `ihres´ Wodkas von Fälschungen und schnöden Zivilsorten."
Der Name "Kalaschnikov" ist kein Zufall, denn
Michail Kalaschnikow, der
Erfinder des berühmten Schnellfeuergewehrs, war Mitbegründer und
Ehrenvorsitzender der Marke).
Die wohl überraschendste Aussage in
Bathons Buch: Die Russen sind nicht die Trinker, für die sie gemeinhin
gehalten werden. Denn: Trinkt ein Russe im Schnitt zehn bis fünfzehn
Liter Rohalkohol, so schluckt ein Deutscher ebenfalls zehn Liter, ein
Österreicher elf und ein Schweizer neun. "Nach der offiziellen
Regierungsstatistik", behauptet Bathon, "trinken die Russen nicht mehr,
eher sogar etwas weniger, als die Deutschen." Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist
Russland also keine Trinkernation? Man stelle
sich vor: Im Juli 2007 wurde in Russland der Genuss von Alkohol auf der
Straße und in der Öffentlichkeit (außer in Kneipen) sogar offiziell
verboten.
Bei Bathons "Russland auf eigene Faust"
waren einige Fehler anzumerken. Auch in Russischer Wodka sind
Patzer passiert. So mutet es z. B. komisch an, wenn der Autor bei
Büchern, die "bedenkenlos empfohlen werden können", sein eigenes
Buch nennt oder wenn er schreibt, die Etiketten bei einigen Wodkasorten
seien zweisprachig (deutsch und russisch). Und anfügt, dass sie daher
auch ohne russische Sprachkenntnisse lesbar seien. Leider gibt es auch
an die fünfzig grammatische, orthographische und Tippfehler.
Trotz dieser (vielleicht) Krümelkackerei
ist das hübsch aufgemachte Büchlein Russischer Wodka
hundertprozentig*** zu empfehlen.
Ganz aktuell und im Buch noch nicht
erfasst: Wenige Tage nach Benennung Dmitri Medwedjews zum Nachfolgekandidaten
Wladimir Putins wurden Wodka-Hersteller Russlands
beim Amt für die Registrierung von Markennamen vorstellig. Neben
Wodkasorten wie "Putinka" [gar nicht nach
Wladimir Putin, sondern nach
"пүтъ" = Weg benannt] - wollen sie künftig "Medwedjewa" oder "Zar
Medwedj" auf den russischen Markt bringen. Auch die neue Doppelspitze
Medwedjew (Präsident) und Putin (Ministerpräsident) soll in
hochprozentiger Form aufgelegt werden als "Wolodja i Medwedi"; Wolodja
ist die Koseform von Wladimir, Medwedi der Plural von Medwedj (= Bär).
Wir wissen schon: Wodkasorten nach dem jeweiligen Staatsoberhaupt zu benennen, hat Tradition in
Russland. Könnte man sich dagegen in
Deutschland einen Wodka (oder lieber einen Obstler?) "Angela Merkel"
vorstellen? |