Hörbuch REZENSIONEN | |
Der bekannteste Antikriegsschriftsteller neben Remarque | |
Theodor Plievier | Über Stalingrad |
Stalingrad | |
Hörspiel Sprecher: Friedrich von Bülow, Herbert Fleischmann, Paul Hoffmann, Heinz Klingenberg, Wolfgang Preiß u. v. a. Hörspielbearbeitung: Manfred Häberlen, Regie: Gert Westphal, Komposition: Karl Sczuka Produktion: Südwestfunk, 1953 Der Audio Verlag, Berlin 2002, 1 CD, Laufzeit: etwa 70 Minuten. Mit Booklet. | |
Nicht alle mich tief berührenden Episoden
des Buches "Stalingrad" von
Theodor Plievier fand ich im Hörbuch Stalingrad wieder. Aber:
Alle Episoden des Hörbuchs gehören zu den mich tief berührenden. Es ist
schon eine Kunst, ein Buch mit 457 Seiten, für das man, läse man es
hintereinander, an die zehn Stunden benötigen würde, auf etwas mehr als eine Hörspielstunde einfühlsam zu kürzen.
Das Hörbuch ist wie das Buch ausschließlich dem Kriegsgeschehen auf deutscher Seite gewidmet. Als Hörspiel gestaltet, geht es mit Hörspielelementen äußerst sparsam um: mal etwas Marschmusik, mal ein vereinsamtes Pfeifen, mal das Stöhnen von Verwundeten während eines Beschusses, mal im Originalton Ausschnitte der Rede des Reichsmarschalls, während ein Verwundeter zum Gott Erbarmen um Wasser fleht. Eine viel größere Rolle spielt die Verdichtung des Textes durch einprägsam gesprochne Dialoge und chronologisierende Texteinschübe. Sechzig Jahre nach der Schlacht um Stalingrad bleiben die Fakten der Niederlage der deutschen 6. Armee und ihrer rumänischen und kroatischen Verbündeten erschütternd. Mehr als 300 000 Soldaten sollten im Sommer 1942 die Stadt an der Wolga erobern. Am 22. November wurden sie nach einer Offensive der sowjetischen Soldaten eingekesselt. Viktor Nekrassow schreibt in seinem "Stalingrad" ausführlich über diese Offensive, er hat sie selbst miterlebt. Hitler untersagte dem Oberbefehlshaber General Paulus später den Ausbruch aus dem Kessel und erzwang ein sinnloses, mörderisches Dahinschlachten. Nach Tagen verzweifeltem Kampf - fast keine Munition mehr, fast kein Sprit, fast ohne Essen und Trinken, fast ohne medizinische Betreuung, ohne Winterausrüstung - waren 145 000 Männer tot, 91 000 kamen in Gefangenschaft. Von ihnen starben 50 000 an Typhus, 35 000 überlebten die Kriegsgefangenschaft nicht - die meisten waren schon vor ihrer Gefangennahme krank und hoffnungslos unterernährt. Nur etwa 5 000 ehemalige deutsche Soldaten kehrten aus der Schlacht um Stalingrad in ihre Heimat zurück, viele weiterhin an ihren Verletzungen leidend, viele bis ans Lebensende traumatisiert. Seit die Armee vollständig eingeschlossen ist, verspricht die Führung in Deutschland, die 6. Armee aus der Luft zu versorgen und eine Entsatzarmee zu schicken. Obwohl feststeht, dass die Armee dem Untergang geweiht ist, wird das Kapitulationsangebot der Russen vom 8. Januar 1943 nicht angenommen. Erschütternde Szenen hält auch das Hörbuch bereit, zum Beispiel die
Szene, wie ein an Typhus erkrankter Soldat von seinen Kameraden aus
Angst vor Ansteckung raus in den Schnee geschafft wird, dem Tod des
Erfrierens ausgeliefert. Und was für eine Farce, als es auf die
telefonische "Bitte um Erlaubnis zum Ausbruch nach Westen" statt dieser
Erlaubnis Auszeichnungen regnet... Auch im Hörbuch sind die beiden
Hauptgestalten Gnotke und Vilshofen (wenn sie auch erst viel später
auftreten als im Buch) gut herausgearbeitet. Was mir nach dem Lesen des
Buches gar nicht so eindringlich in Erinnerung war: Wie der Soldat Gnotke dem Offizier Vilshofen erläutert, dass er schuldiger ist, mehr
zum Unglück der Soldaten beigetragen habe, als andere Befehlshaber, weil
man zu ihm, Vilshofen, Vertrauen gehabt habe... Und erst die
Unterhaltung zwischen dem gefangen genommenen Feldmarschall Paulus und
dem ihn begleitenden höheren russischen Offizier Polkowik - über
Machorka, ein "ergiebiges und weit ausspinnbares Thema". Beide sitzen in
einem geschlossenen Auto während des Gesprächs um Tabak, Nikotingehalt,
die Farbe der Blütenblätter der Tabakpflanze, dieweil ein endloser
Soldatenhaufen, "ein grauer, schleimiger Wurm", am Autofenster
vorbei kriecht...
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Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de Das Buch zum Hörbuch!
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Am 31.03.2004 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 26.11.2019. Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet. | |
Besser bitter als allzu süß. | |
Sprichwort der Russen |
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