Kinderbuch-JugendbuchREZENSIONEN | |
Eine kleine, freche Maus im Porzellanladen | |
Aljoscha Blau (Bilder) / Wolfdietrich Schnurre (Text) | Russlanddeutscher |
Die Maus im Porzellanladen | |
Aufbau-Verlag, Berlin 2003, 28 S. | |
Auf der 55. Frankfurter Buchmesse 2003, als
Russland Gastland war, waren
auch die Kinderbücher russischer Autoren stark vertreten. Allerdings
fanden sich kaum "Nostalgieraritäten" (z. B. von
Wladimir Sutejew), wie
sie dankenswerterweise der
Leipziger Kinderbuchverlag LeiV herausgibt.
In einer der Veranstaltungen der Buchmesse wurde auch über die Geschichte des
russischen Kinderbuchs diskutiert. Die einen waren der Meinung, dass die
russische Kinderliteratur im 19. Jahrhundert mit Antony Pogorelskij
ihren Anfang nahm. Andere machten darauf aufmerksam, dass es bereits im
18. Jahrhundert Kinderbücher gab, zum Beispiel die von Katharina II. für
ihre Enkel geschriebenen Märchen.
Vor elf Jahren wurde von jungen russischen Schriftstellern der Verein "Das schwarze Huhn" gegründet. Der Name geht auf eine Geschichte von Antony Pogorelskij zurück, die in dieser Homepage unter "Die kleine schwarze Henne" rezensiert ist. Im Verein "Das schwarze Huhn" finden sich so bekannte Kinderbuch-Autoren wie Oleg Kurgusow, Marina Moskwina, Sergej Sedow, Juri Wijra... Die meisten müssen in Deutschland noch entdeckt werden. Schön, dass bei LeiV im März dieses Jahres von Eduard Uspenski "Väterchen Fjodor, der Kater & der Hund" erschienen ist. Die deutschen Kinderbuchverlage sollten auch mal einen Blick auf die Kinderenzyklopädien werfen, von russischen Kinderbuch-Autoren mit der nötigen Gründlichkeit geschrieben und reich bebildert. Es fällt auf, dass viele Illustratoren aus Russland (z. B. Sonja Bougaeva) gegenwärtig in Deutschland leben, auch Aljoscha Blau, 1972 in St. Petersburg geboren, der Die Maus im Porzellanladen illustriert hat. Der Text von Wolfdietrich Schnurre (Die Idee stammt von Marina Schnurre) erzählt von der Kunst des Verzeihens. Ein Elefant, der sein Leben lang hart arbeitete, hat sich von seinem ersparten Geld einen Porzellanladen gekauft. Eines Tages, als er gerade beim Staubwischen ist, betritt eine Maus den Laden; sie will eine Suppenschüssel kaufen. Doch der Elefant hat keine, da er nur "wirklich kostbares Porzellan" führt. Die kleine freche Maus ist darob so verärgert, dass sie Regale umwirft und den ganzen Laden demoliert. Die Wendung "wie ein Elefant im Porzellanladen" bedeutet so viel wie "tollpatschig". Der große gutmütige Elefant fällt in die Fensterscheibe und in Ohnmacht, die freche Maus tritt sich eine Scherbe in den Fuß. Beide werden ins Krankenhaus gebracht. Als sie wieder zu sich gekommen sind, will ein Polizist wissen, was passiert ist. Der Elefant spricht von der "niedlichen kleinen Maus" so liebenswürdig, dass der Polizist nicht mehr glauben kann, dass tatsächlich die Maus den Porzellanladen demoliert hat. Als der Polizist gegangen ist, fragt die Maus fassungslos: "Aber wieso sprachen Sie denn eben so nett von mir?" Und der Elefant antwortet: "Ich wollte Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereiten." Darüber denkt die überraschte Maus lange nach, holt dann ihr Motorrad aus der Garage und fährt zum Elefanten, um ihn zu fragen, ob er ihr verzeihen könne. Wenn man dann die beiden nächsten Seiten aufschlägt, sieht man die Maus auf ihrem Motorrad - im Anhänger hat sie Holzleisten, einen Hammer, einen Besen - Gerätschaften, um wieder gutzumachen. Ein Text (ob der mächtige Elefant der schmächtigen Maus verzeiht) findet sich nicht... Und somit sind Kinder, Eltern, Großeltern, Tanten, Onkels und Freunde gefragt. Ich habe mit Paul, dem achtjährigen Sohn einer Kollegin, eineinhalb Stunden debattiert, dann hat Paul der unverschämten Maus verziehen - "aber nur, wenn sie wirklich mithilft, alles wieder ordentlich zu machen". Ein pädagogisch sehr interessantes Buch mit sehr schönen Illustrationen vom Elefanten, der Maus und dem Porzellanladen - eigentlich nur in der Wendung "wie ein Elefant im Porzellanladen" zu gebrauchen. Aber ungeachtet dessen gefällt mir Die Maus im Porzellanladen sehr. | |
Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de | |
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Am 31.03.2004 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 28.11.2019. Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet. | |
Wie weise ist der Mensch, der, eh sein Glück verblüht, aus andrer Missgeschick gelernt. | |
Sprichwort der Russlanddeutschen |
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