Hörbuch REZENSIONEN

Eine "Steppenpappel" mit Gummigaloschen

Kyrgyse
Du meine Pappel im roten Kopftuch
Aus dem Russischen von Juri Elperin
Lesung, Sprecher: Rudolf Kowalski, Günter Lamprecht
Bearbeitung und Regie: Ulrich Biermann, Tonmeister: Martin Urrigshardt
Produktion: Hertzfrequenz  GmbH nach der Buchvorlage vom Unionsverlag, Zürich 1986
Der Audio Verlag, Berlin 2003, 2 CD, Laufzeit: ca. 80 Minuten. Mit Booklet von Katja Ernst, Britta Brugger.
 
Was für eine (an)rührende Liebesgeschichte ist Du meine Pappel im roten Kopftuch. Fast will sie mir besser gefallen als "Dshamilja", die Louis Aragon einmal "Die schönste Liebesgeschichte der Welt" genannt hat.

Der Kraftfahrer Iljas bringt Material in einen Kolchos und lernt, als er unterwegs eine Panne hat, das Mädchen Asselj kennen, "ihr Figürchen, schlank wie eine Pappel", mit Galoschen an den hübschen Beinen und einem roten Tuch um den Kopf. Sie treffen sich einige Male. Wenn Asselj neben Iljas im Führerhaus sitzt, fühlt er sich so wohl wie noch nie in seinem Leben. Der schüchternen Asselj scheint es ebenso zu gehen. Als Iljas erfährt, dass Asselj in wenigen Tagen mit einem entfernten Verwandten verheiratet werden soll, schlägt er ihr vor, auszureißen. Sie tun es - "Ach, wie lange sollen die alten Bräuche uns Jungen noch das Leben verbittern." - zum großen Kummer ihrer Eltern. Asselj und Iljas leben glücklich miteinander, bald wird ihr Sohn Samat geboren. Als er gerade stehen kann, nimmt das Unglück seinen Lauf. Der Lastwagenfahrer Iljas will beweisen, dass man die höchste Passstraße der Welt sogar mit einem Anhänger befahren kann. Sein Versuch schlägt fehl. Er wird zum Gespött seiner Kollegen, beginnt zu trinken und bleibt des Öfteren bei der Fahrdienstleiterin Kaditscha über Nacht. Eines Tages erfährt Asselj davon und verlässt mit dem kleinen Bündel Sohn das Haus.

Im Buch Du meine Pappel im roten Kopftuch erzählt Iljas seine traurige Ehegeschichte dem Autor Tschingis Aitmatow, als sie zufällig im selben Eisenbahnabteil sitzen; denn sie waren einander schon einmal begegnet, auch zufällig, an einer Tankstelle, als der Autor mit dem Lastwagen mitgenommen werden wollte, weil er - als Journalist - ganz schnell nach Osch, in die Hauptstadt Bergbadachschans im hohen Pamir reisen musste. Aber Iljas hatte ihn damals nicht mitgenommen. Nun erzählt er seinem zufälligen Reisegefährten, warum er damals auf keinen Fall einen Mitfahrer gebrauchen konnte...

Im Hörbuch fehlt der Epilog, in dem der Autor im Buch von dieser Szene an der Tankstelle erzählt. Und es fehlt auch die Erklärung, wie der Autor des Straßenmeisters Baitemir Kulow Vertrauen und Sympathie gewonnen hatte, dass auch er ihm seine Lebensgeschichte erzählte, die auch mit Asslej zu tun hat...

Die Geschichte des Fahrers Iljas wird im Hörbuch Du meine Pappel im roten Kopftuch von Rudolf Kowalski gelesen, auf einen Schlag einem großen Publikum bekannt geworden durch die Fernsehserie "Bella Block"; die Geschichte des Straßenmeisters Baitemir liest Günter Lamprecht, der in über einhundertfünfzig Film- und Fernsehproduktionen mitspielte. Beide lesen die Texte sehr gefällig und eindrucksvoll, wurden aber, was die Aussprache kyrgysischer Eigennamen und Begriffe anbelangt, nicht gut informiert. Wenigstens hätten sie das oft vorkommende Wort A-il (Dorf) und Dshigit (als Djigit, nicht: Dsigit = verwegener junger Bursche) richtig aussprechen müssen.

Man hört die Fassung des Buches etwa vierzig Minuten schneller, als man das Buch liest, was an (sehr geschickten) Kürzungen liegt. An einigen Stellen erregen die Kürzungen allerdings  erstaunte Aufmerksamkeit: Wenn einer widerspricht, obwohl der Redner davor gestrichen wurde. Untermalt wird diese wunderschöne lyrische Erzählung Aitmatows mit kyrgysischer Musik, leider immer viel zu kurz.


Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de

Das Buch zum Hörbuch!

 

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Am 03.02.2005 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 27.11.2019.

Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.

In keinem Ail (sprich: A-il = Dorf) gibt es nur Dummköpfe.
Sprichwort der Kyrgysen

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