Belletristik REZENSIONEN | |
"Wohlbefinden ist Zeichen des Stillstands." | |
Daniil Charms | Russe |
Briefe aus Petersburg 1933 | |
Aus dem Russischen und herausgegeben von Peter Urban, 2. Auflage Friedenauer Presse, Berlin 1988, 24 S. | |
Als der Porree auf dem Markt schon nicht mehr 30, sondern 40 Kopeken
kostet, schreiben wir das Jahr 1933, es ist September in Leningrad, von
Daniil Charms hartnäckig
Petersburg
genannt. Von Herbst 1933 bis Frühjahr
1934 schreibt er neun Briefe an die Schauspielerin Klavdija Vasiljewna
Pugačeva, die in Briefe aus
Petersburg 1933 veröffentlicht sind. Leider sind nur die Briefe von
Charms erhalten geblieben, nicht hingegen die Antworten der Pugačeva;
es wird vermutet, dass die Retter des Charms´schen Nachlasses nach dessen
Verhaftung (am 23. August 1941) die Antworten vernichteten,
um niemanden weiter zu gefährden. Die neun Briefe Charms´ gehören zu den
wenigen zusammenhängenden Briefwechseln, die von ihm überhaupt erhalten sind.
Charms galt in der Sowjetunion - 1931 war er, der "Gründung einer antisowjetischen monarchistischen Organisation im Bereich der Kinderliteratur" beschuldigt und für einige Zeit nach Kursk verbannt - als gefürchtete Unperson; denn keiner fing so pointiert konkrete Momente seiner Epoche ein und führte sie spielerisch, böse, in grotesker Verzerrung ad absurdum. Der Großmeister des absurden Humors verliebte sich in die Schauspielerin just in dem Moment, als feststand, dass sie wegen eines neuen Engagements nach Moskau gehen würde. Sein erster Brief (vom 20. September 1933) umfasst einen zärtlichen Teil - "...glauben Sie mir nur das eine, daß ich nie einen Freund gehabt und nie auch nur daran gedacht habe..."-, einen spielerischen Teil - "...ich bin froh, daß Sie nach Moskau gezogen sind, denn wären Sie hier geblieben (kürzer!) ich hätte binnen Kürze (noch kürzer!) vergessen, ich hätte mich in Sie verliebt und alles um mich her vergessen! (Geschafft!) und einen geschäftlichen Teil - "Ich glaube nicht an den Briefwechsel unter Bekannten, eher und besser können Menschen Briefe wechseln, die einander unbekannt sind, und deshalb bitte ich Sie nicht um Briefe `nach allen Regeln der Form´. Obwohl Daniil Charms die Pugačeva, bevor sie nach Moskau ging, nur "vier Male" gesehen hatte, möcht er "alles, was ich sehe und denke" nur ihr sagen. Einem seiner Briefe legt er sein Gedicht "Die Freundin" bei. Ausdrücklich betont er in seinem Brief (vom 9. Oktober 1933), dass dieses Gedicht nicht von ihr handle. "Vielleicht ist sie, so komisch das in unserer Zeit sein mag, die Muse." Mich bewegen sehr diese
vier Zeilen aus dem Gedicht "Die Freundin":
Talent wächst, indem es zerstört und baut,
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Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de | |
Weitere Werke zur Person "Charms": | |
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Am 31.03.2004 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 20.11.2019. Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet. | |
Der eine Tag ist nicht der Bruder des anderen. | |
Sprichwort der Russen |
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