Belletristik REZENSIONEN

Paradiesisches ist nicht zu entdecken...

Russin
Russische Szenen
Zwischen Paradies und Hölle
Reportagen aus Russland
Aus dem Russischen von Marianne Wiebe, Eva Rönnau und Wladimir Schalimow
Wostok Verlag, Berlin 1999, 175 S.

Langweilig der Haupttitel, reißerisch der Untertitel, wahrhaftig Tatjana Kuschtewskajas Reportagen aus Russland. 1947 wurde die Autorin in Turkmenien geboren, lebte nach Abschluss der Musikhochschule acht Jahre als Musiklehrerin im sibirischen Jakutien danach studierte sie an der Fakultät für Drehbücher der Filmhochschule in Moskau. Als Dokumentarfilmerin und freie Journalistin war sie überall im weiten Russenland. Ihre Szenen spielen denn auch zwischen Moskau und Wladiwostok vor 1992 und danach.

Tatjana Kuschtewskaja schreibt über die Wunderheilung durch einen Schamanen, über weise Zauberinnen und Pater Pawel, über einen österreichischen Spion im hohen Norden, über Politische Kommissare der Roten Armee, die sie vor dem Zerfall der Sowjetunion interviewte und zehn Jahre später noch einmal traf...

Welche Geschichten ihres Buches nähern sich mehr der Hölle, welche dem Paradies? In die Nähe der Hölle gehören ganz sicherlich die Geschichten, in denen sie über Selbstmorde von Kindern schreibt, in denen sie das Abschlachten der Grönlandrobben-Babys am Weißen Meer beklagt, in denen sie das Schicksal von Menschen schildert, die eines einzigen fährlässigen Augenblicks wegen viele Jahre in einer Strafkolonie irgendwo in der Kolundasteppe schmachten.

Aber welche ihrer Geschichten sind in der Nähe des Paradieses angesiedelt? Ich kann im Buch weder über das damalige noch über das heutige Russland Paradiesisches entdecken.

In den begleitenden Worten zum Buch nennt Lew Kopelew Tatjana Kuschtewskaja eine "begabte, wahrheitstreue und sensible Autorin". Ja, das ist sie - besonders wenn sie über die großen Probleme der kleinen Völker schreibt.

1991 verließ Tatjana Kuschtewskaja ihre russische Heimat und lebt als Russischlehrerin in Deutschland.

Gisela Reller / www.reller-rezensionen.de
Weitere Rezensionen zu "Reportagen":

Am18.01.2002 ins Netz gestellt. Letzte Bearbeitung am 04.01.2017.

Das unterschiedliche Schreiben von Eigennamen ist den unterschiedlichen Schreibweisen der Verlage geschuldet.

Die Frau des Schamanen lässt sich gern bewirten, die Frau des Chefs lässt gern für sich arbeiten.
Sprichwort der Jakuten

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