Vorab!

Leider kommt im Internet bei meinem (inzwischen veralteten) FrontPage-Programm  längst nicht alles so, wie von mir in html angegeben. Farben kommen anders, als von mir geplant, Satzbreiten wollen nicht so wie von mir markiert, Bilder kommen manchmal an der falschen  Stelle, und - wenn  ich  Pech  habe  -  erscheint  statt  des  Bildes  gar  eine  Leerstelle.

Was tun? Wer kann helfen?

 

*

Wird laufend bearbeitet!

 

Ich bin eine Tschuwaschin: Die .

 

Foto:

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring

 

"Die Seele, denke ich, hat keine Nationalität."

Juri Rytchëu (tschuktschischer Schriftsteller, 1930 bis 2008) in: Im Spiegel des Vergessens, 2007

 

Wenn wir für das eine Volk eine Zuneigung oder gegen das andere eine Abneigung hegen, so beruht das, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, auf dem, was wir von dem jeweiligen Volk wissen oder zu wissen glauben. Das ist – seien wir ehrlich – oft sehr wenig, und manchmal ist dieses Wenige auch noch falsch.  

Ich habe für die Berliner Illustrierte FREIE WELT jahrelang die Sowjetunion bereist, um – am liebsten - über abwegige Themen zu berichten: über Hypnopädie und Suggestopädie, über Geschlechtsumwandlung und Seelenspionage, über Akzeleration und geschlechtsspezifisches Kinderspielzeug... Außerdem habe ich mit jeweils einem deutschen und einem Wissenschaftler aus dem weiten Sowjetland vielteilige Lehrgänge erarbeitet.* Ein sehr interessantes Arbeitsgebiet! Doch 1973, am letzten Abend meiner Reise nach Nowosibirsk – ich hatte viele Termine in Akademgorodok, der russischen Stadt der Wissenschaften – machte ich einen Abendspaziergang entlang des Ob. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich zwar wieder viele Experten kennengelernt hatte, aber mit der einheimischen Bevölkerung kaum in Kontakt gekommen war.  

Da war in einem magischen Moment an einem großen sibirischen Fluss - Angesicht in Angesicht mit einem kleinen (grauen!) Eichhörnchen - die große FREIE WELT-Völkerschafts-Serie** geboren!  

Und nun reiste ich ab 1975 jahrzehntelang zu zahlreichen Völkern des Kaukasus, war bei vielen Völkern Sibiriens, war in Mittelasien, im hohen Norden, im Fernen Osten und immer wieder auch bei den Russen. 

Nach dem Zerfall der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zog es mich – nach der wendegeschuldeten Einstellung der FREIEN WELT***, nun als Freie Reisejournalistin – weiterhin in die mir vertrauten Gefilde, bis ich eines Tages mehr über die westlichen Länder und Völker wissen wollte, die man mir als DDR-Bürgerin vorenthalten hatte.

Nach mehr als zwei Jahrzehnten ist nun mein Nachholebedarf erst einmal gedeckt, und ich habe das Bedürfnis, mich wieder meinen heißgeliebten Tschuktschen, Adygen, Niwchen, Kalmyken und Kumyken, Ewenen und Ewenken, Enzen und Nenzen... zuzuwenden. 

Deshalb werde ich meiner Webseite www.reller-rezensionen.de (mit inzwischen weit mehr als fünfhundert Rezensionen), die seit 2002 im Netz ist, ab 2013 meinen journalistischen Völkerschafts-Fundus von fast einhundert Völkern an die Seite stellen – mit ausführlichen geographischen und ethnographischen Texten, mit Reportagen, Interviews, Sprichwörtern, Märchen, Gedichten, Literaturhinweisen, Zitaten aus längst gelesenen und neu erschienenen Büchern; so manches davon, teils erstmals ins Deutsche übersetzt, war bis jetzt – ebenfalls wendegeschuldet – unveröffentlicht geblieben. 

Sollten sich in meinem Material Fehler oder Ungenauigkeiten eingeschlichen haben, teilen Sie mir diese bitte am liebsten in meinem Gästebuch oder per E-Mail gisela@reller-rezensionen.de mit. Überhaupt würde ich mich über eine Resonanz meiner Nutzer freuen!

Gisela Reller 

    * Lernen Sie Rationelles Lesen" / "Lernen Sie lernen" / "Lernen Sie reden" / "Lernen Sie essen" / "Lernen Sie, nicht zu rauchen" / "Lernen Sie schlafen" / "Lernen Sie logisches Denken"...

 

  ** Im 1999 erschienenen Buch „Zwischen `Mosaik´ und `Einheit´. Zeitschriften in der DDR“ von Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis (Hrsg.), erschienen im Berliner Ch. Links Verlag, ist eine Tabelle veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Völkerschaftsserie der FREIEN WELT von neun vorgegebenen Themenkreisen an zweiter Stelle in der Gunst der Leser stand – nach „Gespräche mit Experten zu aktuellen Themen“.

(Quelle: ZA Universität Köln, Studie 6318)

 

*** Christa Wolf zur Einstellung der Illustrierten FREIE WELT in ihrem Buch "Auf dem Weg nach Tabou, Texte 1990-1994", Seite 53/54: „Aber auf keinen Fall möchte ich den Eindruck erwecken, in dieser Halbstadt werde nicht mehr gelacht. Im Gegenteil! Erzählt mir doch neulich ein Kollege aus meinem Verlag (Helmut Reller) – der natürlich wie zwei Drittel der Belegschaft längst entlassen ist –, daß nun auch seine Frau (Gisela Reller), langjährige Redakteurin einer Illustrierten (FREIE WELT) mitsamt der ganzen Redaktion gerade gekündigt sei: Die Zeitschrift werde eingestellt. Warum wir da so lachen mußten? Als im Jahr vor der `Wende´ die zuständige ZK-Abteilung sich dieser Zeitschrift entledigen wollte, weil sie, auf Berichterstattung aus der Sowjetunion spezialisiert, sich als zu anfällig erwiesen hatte, gegenüber Gorbatschows Perestroika, da hatten der Widerstand der Redaktion und die Solidarität vieler anderer Journalisten das Blatt retten können. Nun aber, da die `Presselandschaft´ der ehemaligen DDR, der `fünf neuen Bundesländer´, oder, wie der Bundesfinanzminister realitätsgerecht sagt: `des Beitrittsgebiets´, unter die vier großen westdeutschen Zeitungskonzerne aufgeteilt ist, weht ein schärferer Wind. Da wird kalkuliert und, wenn nötig, emotionslos amputiert. Wie auch die Lyrik meines Verlages (Aufbau-Verlag), auf die er sich bisher viel zugute hielt: Sie rechnet sich nicht und mußte aus dem Verlagsprogramm gestrichen werden. Mann, sage ich. Das hätte sich aber die Zensur früher nicht erlauben dürfen! – "Das hätten wir uns von der auch nicht gefallen lassen", sagt eine Verlagsmitarbeiterin.

Wo sie recht hat, hat sie recht.“

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring

Wenn Sie sich die folgenden Texte zu Gemüte geführt und Lust bekommen haben, an die Wolga zu reisen und die Tschuwaschen kennenzulernen, sei Ihnen das Reisebüro ? empfohlen; denn – so lautet ein tschuwaschisches Sprichwort -

 

Wer reist, muss Wissen und Liebe zu Land und Leuten ins Gepäck packen.

(Hier könnte Ihre Anzeige stehen!)

 

 

Die TSCHUWASCHEN… (Eigenbezeichnung: )

Das Land der Tschuwaschen liegt am Oberlauf der Wolga, etwa fünfhundert Kilometer östlich von Moskau. Die Stammeswurzeln der Tschuwaschen lassen sich bis zu den Hunnen und Turkvölkern zurückverfolgen.

Bevölkerung:

Fläche:

Geschichtliches:

Staatsgefüge:

Verbannungsgebiet:

Hauptstadt:

Wirtschaft:

Verkehr:  

Sprache/Schrift:

Literatursprache/Literatur:

Bildung:

Gesundheitswesen:

Klima:

Natur/Umwelt:

Pflanzen- und Tierwelt:

Behausungen:

Ernährung:

Kleidung:

Folklore:

Feste/Bräuche:

Religion:

Ereignisse nach dem Zerfall der Sowjetunion, sofern sie nicht bereits oben aufgeführt sind:

Kontakte zur Bundesrepublik Deutschland:

 

Interessant, zu wissen..., dass die Tschuwaschen Bier seit über zweitausend Jahren brauen.

Wer bislang glaubte, der beliebte Gerstensaft sei in Bayern erfunden worden, muss sich eines Besseren belehren lassen! Tschuwaschisches Bier existiert bereits seit über zweitausend Jahren. Die Vorfahren der Tschuwaschen benutzten es für rituelle und religiöse Handlungen. Man trank Bier beim Beten und schenkte es dem Gott "Tura". Dieser Begriff und viele andere uralte Wörter findet man im Wortschatz der heutigen tschuwaschischen Bierkultur. Das Wort Bier heißt auf Tschuwaschisch  "Sara". Ursprünglich war der Hopfen noch nicht bekannt und auch die Hefe wurde als Gärungsmittel noch nicht verwendet. Um das Bier lecker zu machen, wurden verschiedene Kräuter, Datteln und Honig hinzugefügt.

Viele tschuwaschische Familien haben in ihrer Wohnung eine eigene Bierbrauerei und ein Hopfenfeld im Gemüsegarten; das Wappen Tschuwaschiens zieren u. a. Hopfenblätter. Früher unterschied man die verschiedenen Biersorten nach ihrem Verwendungszweck. So gab es

* rituelles Bier zum Beten, für Gedenkfeiern und andere religiöse Bräuche

*Alltagsbier für den täglichen Gebrauch - verschiedene Sorten je nach Alter und Geschlecht; so gab es Kinderbier, Frauenbier, Jungmädchenbier, Männerbier...

* festliches Bier für die Hochzeit

* Arbeitsbier zum Beispiel für den Hausbau oder landwirtschaftliche Arbeiten

* berauschendes Bier aus verschiedenen Honigsorten

* Heilbier auf Verordnung der Kurpfuscher...

Heute braut man in jedem Haus eine eigene Biersorte. Und zwar in kleinen Portionen, die ungefähr eine Woche reichen. Tschuwaschisches Bier ist in Russland hoch angesehen und wurde auf vielen Handelsmessen mit Medaillen ausgezeichnet. In Tschuwaschien findet man eintausendsiebenhundert Dörfer und über einhunderttausend Bauernhöfe - und in den meisten Häusern wird auch heute noch Bier gebraut.  In Tschuwaschiens Hauptstadt Tscheboksary gibt es seit 1997 ein Biermuseum. Für die Teilnehmer von Führungen werden im Museum verschiedene Biersorten zum Probieren angeboten.

 

 

Nur wer die Heimat liebt, ist zu Heldentaten fähig.

Sprichwort der Tschuwaschen

 

Die TSCHUWASCHEN: Für Liebhaber kurzer Texte

Tschuwaschien ist das Land der hunderttausend Stickereien. Traditionell sind sie rot auf weißem Grund, hier und da ein wenig gelb und blau für die Blüten, grün für die Stängel und Blätter, schwarz für die Konturen. Seit alters besticken die Tschuwaschinnen Männerhemden, Kleider, Kopftücher, Tischdecken, Bettwäsche, Hochzeitstücher - mist auf weißem Leinen mit zarten Woll- und Seidenfäden, eingefärbt mit Mohnblüten, Wermutspflanzen und Disteln. Der Tastar, das tschuwaschische Kleid der verheirateten Frau, ist mit Münzen verziert und meist rotschwarz bestickt, Sonne und Erde symbolisierend. Den Supran, das Kopftuch, zieren oft so winzige Stiche, dass sie nur mit einer Lupe als solche zu erkennen sind; der Stoff, federleicht, ist aus Kamelhaarwolle. Der Sulak, das Hochzeitstuch, das die Braut nach alttschuwaschischer Sitte ihrem Auserwählten zwei Wochen vor der Hochzeit schenkt, muss im Motiv - Stich um Stich - einmalig sein. Nehmen wir einmal an, das Tüchlein ist es nicht, dem Bräutigam stach ein ähnliches Motiv schon bei einem Freund ins Auge. Da kann es durchaus passieren, dass der eifersüchtige Bräutigam seine Braut im Stich lässt. Das sei kein stichhaltiger Grund? Da kennen Sie die Tschuwaschen nicht... - Die fast 1,8 Millionen Tschuwaschen sind ein Volk, das hervorgegangen ist aus der Vermischung von ostfinnischen Gruppen und Wolgabulgaren, die sich türkisiert haben. Tschuwaschien liegt im Zwischenstromland von Sura und Wsijaga, östlich der Wolga, die auch munter durch die Sprichwörter plätschert. Seir dem 6. Jahrhundert waren die Tschuwaschen Abhängige des mächtigen Reichs der Wolgabulgaren, deren Islamisierung im 9. Jahrhundert einen Teil der Tschuwaschen erfasste; heute sind die gläubigen Tschuwaschen orthodoxe Christen. Zu Beginn den 13. Jahrhunderts kamen sie unter die Herrschaft der Mongolen. Als die Goldene Horde zerfiel, gehörten die Tschuwaschen zum tatarischen Khanat von Kasan. Mit dessen Eroberung durch Iwan den Schrecklichen kamen sie 1552 unter russische Herrschaft. Russische Fachleute für östliche Epigraphik überraschten kürzlich in den Muster der tschuwaschischen Stickereien nicht wenige Zeichen der Runenschrift der Turkvölker.

Diesen unveröffentlichten Text habe ich geschrieben, als ich für das

Bibliographische Institut in Leipzig von 1986 bis 1991 ein Sprichwörterbuch von fünfzig Völkern der (ehemaligen) Sowjetunion erarbeitete,

das wegen des Zerfalls der Sowjetunion nicht mehr erschienen ist.

 

Als Journalistin der Illustrierten FREIE WELT – die als Russistin ihre Diplomarbeit über russische Sprichwörter geschrieben hat - habe ich auf allen meinen Reportagereisen in die Sowjetunion jahrzehntelang auch Sprichwörter der dort ansässigen Völker gesammelt - von den Völkern selbst,  von einschlägigen Wissenschaftlern und Ethnographen, aus Büchern ... - bei einem vierwöchigen Aufenthalt in Moskau saß ich Tag für Tag in der Leninbibliothek. So ist von mir erschienen: 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

Ich bin, wie man sieht, gut damit gefahren, es mit diesem turkmenischen Sprichwort zu halten: Hast du Verstand, folge ihm; hast du keinen, gibt`s ja noch die Sprichwörter.

Hier fünfzig tschuwaschische Sprichwörter:

 (Unveröffentlicht)

Im weißen Beinkleid abgereist, in schwarzer Pluderhose heimgekehrt.

Wer Bienenkörbe zerstört, kann nicht auf Gnade hoffen.

Besser mit einem Bären kämpfen als sich mit einem Bösewicht anlegen.

Starkes Bier macht trunken, eine böse Frau - grau.

Mit einem guten Freund ist selbst Nishni Nowgorod ein Zuhause.

Sich von einem Freund trennen - ein Jahr weinen, die Familie verlieren - zehn Jahre trauern, sich mit dem Volk entzweien -

das ganze Leben Tränen.

Eine Freundschaft zwischen Fremdlingen ist fester als zwischen Blutsverwandten.

Die Geburt eines Mädchens erfreut nur den Hausgeist.

Raffe nicht Geld, schaffe dir Freunde.

Geld ist kein Hund, erkennt keinen Herrn an.

Vom Großvater hängt die Ordnung auf dem Hof ab, von der Großmutter die Wärme in der Hütte.

Reicht dir jemand die Hand, begegne ihm nicht mit einem Knüppel.

Kein Handel ohne Sünde.

Im Haus geht´s ohne Geschirrklappern nicht ab.

Bevor du ein Haus baust, bereite das Dach vor.

Wenn der Hund bellt, schweigt die Nachtigall.

Selbst ein bösartiger Hund wedelt mit dem Schwanz.

Inmitten Hunderter halte dich vorn, inmitten Tausender geh nicht am Schluss.

Wenn er nicht krank wird, schafft´s auch ein Igel bis nach Simbirsk.

Ein wütender Hund schnappt dir nur ins Bein, ein bösartiger Mensch hat´s auf deinen Kopf abgesehen.

Zwei Iwans - schon eine Sippe.

Wenn du einen neuen Brunnen gräbst, schmähe den alten nicht.

Haben Diebe dir das Pferd gestohlen, wird auch das Zaumzeug weg.

Wer sich schwer tut, einem anderen einen Dienst zu erweisen, hat´s auch schwer mit sich selbst.

In einem Dorf stirbt ein Spatz nicht Hungers.

Hast du die einen zum Dreschen bestellt, ruf die anderen nicht zum Feiern.

Mit der Elle wird gemessen, mit der Kelle - geschöpft.

Oft wird der Enkel mehr geliebt als der eigene Sohn.

Kein Feld ohne Feldrain.

Ertragreiches Jahr - reicher Tschuwasche, Hungerjahr - reicher Mullah.

Müsste man sich nicht um Kleider und Essen sorgen, könnte man immer in die Beeren gehen.

Besser allein einen Kringel kaufen als zu dritt zwei Brote.

Viele Leute, wenig Menschen

Erkaltete Liebe kann selbst auf dem Ofen nicht erwärmt werden.

Zwei Menschen sind ein Paar, sieben bilden eine Familie.

Acht Reiche und neun Arme können in einem Dorf nicht in Frieden leben.

Beim Reichen legt selbst der Stier Eier.

Roggen dreschen ist gut zu fünft, Piroggen essen gut zu zweit.

Teilt ein Russe mit einem Tschuwaschen Brot und Salz, warum ihn dann nicht einen Verwandten nennen.

Schulden zwingen zu Schmeichelei.

Um nach Sibirien zu gelangen, braucht´s sieben Paar Bastschuhe.

Nicht für alle kannst du Sonne und Mond sein.

Mit einem Spinnrocken ist keine Gemeinde zu regieren.

Ohne die Stiefel auszuziehen, kannst du nicht über die Wolga schwimmen.

Der Tschuwasche bewirtet mit Käse, der Tatar reicht Sauermilch.

Ein Tschuwasche glaubt nur an das, was er anfassen kann.

Wer in Tschuwaschien eine Glatze hat, hat sie auch in Moskau.

Die Wahrheit kommt in Bastschuhen, die Lüge in Stiefeln.

Kommst du über die Wolga, kommst du auch zu Verstand.

Hast du was mit den Augen gesehen, laufe mit den Beinen davon.


Interlinearübersetzung aus dem Russischen von Gertraud Ettrich; gesammelt und in Sprichwortform gebracht von Gisela Reller

 

 

Die TSCHUWASCHEN: Für Liebhaber kurzer Texte für Kinder

Vom Kaukasus auch machen wir uns in Richtung Nordosten auf den Weg an die Wolga. Die Völker Russlands nennen diesen längsten europäischen Strom liebevoll "Mütterchen Wolga". Im Wolgagebiet leben sechs Völker der Russischen Föderation, eines davon sind die Tschuwaschen. Obwohl sie eine Turksprache sprechen, sind sie Christen. - Habt Ihr schon von dem Kosmonauten Andrijan Nikolajew gehört? Er ist 1962 mit "Wostok 3" ins All gestartet. Der Bauernsohn Andrija Nikolajew ist eine Tschuwasche! - Tschuwaschien gilt als das Land einzigartiger Stickkunst. Seit Jahrhunderten ist es bei den Tschuwaschen üblich, mit roten Woll- und Seidenfäden weißes Leinen zu besticken, aus dem die Tschuwaschin dann Männerhemden, Kleider, Blusen, Schürzen, Kopftücher, Tischdecken, Bettwäsche näht. und einen Sulak, ein Hochzeitstüchlein. Einge gute Stickerin kennt einhundertfünfzigtausend unterschiedliche Stiche. Einhundertfünfzigtausend! Manche Stiche sind so winzig, dass man sie nur mit einer Lupe als Stiche erkennen kann. Wer es zu einer solchen Meisterschaft bringen will, muss mit etwa fünf Jahren anfangen, das Sticken zu erlernen. Das Motiv, das die Braut auf das Hochzeitstüchlein stickt, muss Stich für Stich einmalig sein. Sollte der Bräutigam auf dem Tüchlein eines anderen jungen Mannes dasselbe oder ein ähnliches Motiv entdecken, muss er laut altem Brauch seine braut wegen Untreue verlassen. Heute wird diese Sitte nicht mehr ganz so streng befolgt... Wie es einer raffinierten Füchsin gelingt, sich mit einem reich bestickten Kleid aus dem Staube zu machen, erzählt das tschuwaschische Märchen Die schlaue Füchsin.

 

Diesen unveröffentlichten Text habe ich geschrieben, als ich nach der Wende

von 1997 bis zum Jahre 2000 zusammen mit Gabriele Kleiner (die die Märchen auswählen und übersetzen sollte)

und Gisela Röder (die die Zeichnungen für die Märchen anfertigen sollte) die Idee für ein Märchenbuch der Völker Russlands

„Die listige Füchsin und der kleine, dicke Samowar“ (Arbeitstitel) konzipierte.

 

 

So sollte unser Märchenbuch von 70 Völkern Russlands aussehen. Bei allen Zeichnungen sollten die Märchenhelden zum Beispiel nicht mit Phantasie-Kleidung ausgestattet sein, sondern Schnitt und Stickereien sollten - wie bei unserer Füchsin - dem Original entsprechen.

Gestaltung: Horst Wustrau.

 

 Ich zitiere aus unserem Exposé: „Allgemein bekannt ist, dass es sich sowohl beim zaristischen russischen Reich als auch bei

der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) um einen ausgeprägten Vielvölkerstaat handelte. Meist unbeachtet bleibt, dass nach dem Zerfall der UdSSR die Russische Föderation – die sich von Europa bis in den Fernen Osten erstreckt – ein solcher Vielvölkerstaat geblieben ist, in dem neben den Russen etwa siebzig weitere angestammte Völker leben. Diese Völker sprechen die unterschiedlichsten Sprachen, gehören den unterschiedlichsten Religionen an, haben jeweils ihre eigenen Geschichte, ihre spezifischen

Sitten und Bräuche. (…) Noch immer fehlen leicht verständliche Publikationen, aus denen man Näheres über Herkunft, Bevölkerungsanzahl, Siedlungsgebiete, Sprache, Religion… der verschiedenen Nationalitäten erfahren kann. Für Kinder gibt es keinerlei Literatur, die einen umfassenden kindgerechten Einblick in die ethnische Vielgestaltigkeit Russlands vermittelt. Auch in den Schulbüchern fehlen hierzu entsprechende Texte. Die in den letzten hundertfünfzig Jahren im deutschen Sprachraum publizierten

Märchensammlungen der Völker Russlands bzw. der Sowjetunion wiederholen sich in der Auswahl, greifen immer wieder

auf dieselben Quellen zurück und sind in ihrer Zusammenstellung – was die einzelnen Völkerschafts-Märchen betrifft – mehr zufällig als systematisch und nie umfassend zusammengestellt. In keiner Märchensammlung gibt es außer der namentlichen

Nennung des Volkes weiterführende Hinweise zu diesen Völkern – weder geographische noch ethnographische oder historische. –

Auf dieser Erkenntnis – der jahrelange Recherche u. a. in den großen staatlichen Bibliotheken Russlands vorausgegangen ist – basiert unsere Idee, ein exklusives Märchenbuch der Völker Russlands mit faktenreichen kindgerecht geschriebenen

Einführungstexten zu allen Völkern der Russischen Föderation herauszugeben. (…) – Zu den Herausgeberinnen:

Gisela Reller ist Russistin, Buchautorin und Fachjournalistin für alle GUS-Staaten und deren Völker. Sie hat – als Reporterin der Illustrierten FREIE WELT - seit 1964 bis in die Gegenwart weit über hundert Reisen in alle Gebiete der ehemaligen Sowjetunion

unternommen und verfügt über ein sehr umfangreiches und vielseitiges Völkerschafts-Spezialarchiv. – Gabriele Kleiner – ebenfalls Reporterin der Illustrierten FREIE WELT – ist Russistin, Übersetzerin und Journalistin mit Schwerpunkt Ost- und Südosteuropa, sie hat drei Jahre lang in Moskau gelebt und kennt die GUS-Staaten darüber hinaus ebenfalls durch viele Reportagereisen. – Gisela Röder hat für eine Märchenserie in der FREIEN WELT farbige großformatige Zeichnungen beigesteuert. Sie hat nach Vorlagen (Ornamente, Trachten, typische Gebrauchsgegenstände, Schmuck…) aus dem Spezialarchiv von Gisela Reller für das jeweilige Märchen ethnographisch exakte, abwechslungsreiche und unverwechselbare Zeichnungen angefertigt. Jedem Märchen sollte ein kurzer kindgerechter Text

(für 6 bis 12jährige) vorangestellt werden, in dem die Kinder mit dem Finger auf der Landkarte von Moskau aus durch die Russische Föderation reisen: durch das europäische Russland, den Nordkaukasus, Westsibirien, Südsibirien, den hohen Norden, den Fernen Osten. Ist es nicht interessant, dass bei den Mordwinen ein guter Märchenerzähler genauso viel Achtung genossen hat wie ein geschickter Jäger oder ein starker Holzfäller? Dass einer der sowjetischen Kosmonauten der Tschuwasche Andrijan Nikolajew war? Dass die

Nordosseten an Gott, die Tschuktschen an Geister, die Tschetschenen an Allah, die Burjaten an Buddha glauben? Dass bei den Mari erst Märchen erzählt werden durften, wenn alle Arbeit des Tages getan war? Dass von den ganz dicht beieinander lebenden

Völkern des Wolga-Kama-Gebietes drei Völker finno-ugrisch und drei Völker eine Turksprache sprechen? Dass die

tschuwaschische Braut ihrem Bräutigam ein Hochzeitstüchlein sticken musste, das im Muster ganz und gar einmalig war? (…)“

Nachdem wir uns erfolglos mit 26 Verlagen in Verbindung gesetzt hatten, gaben wir auf!

 

 

 Das tschuwaschische  Märchen Die listige Füchsin

*

Es lebte einmal eine Füchsin, eine richtige Schelmin. Die stahl einem alten Mann öfter mal ein Huhn. Eines Tages aber lauerte der Bauer der Füchsin im Hühnerstall auf, stülpte ihr blitzschnell einen Kaftan über und trug sie in die Hütte. Gerade als seine Alte sich am geheizten Ofen zu schaffen machte. Der Alte nahm seine Fellmütze ab und warf sie ins Feuer. "Was machst du denn da?", schrie seine Frau erschrocken und wolle die Mütze aus den lodernden Flammen angeln. "Ich brauche die alte Schapka nicht länger, ich nähe mir eine neue, eine aus Fuchsfell", sprach der Alte und begann, sein Messer zu schärfen. - Da wurde die Füchsin ganz traurig. Umbringen wollte sie der Alte. Was nur konnte sie tun, um hier wieder herauszukommen, um zu fliehen - zurück in den Wald, in die Freiheit. - "Töte mich nicht, Großvater", flehte die Füchsin. "Ich kann tanzen, kann singen. Viel Spaß werdet ihr mit mir haben." Da legte der Alte Messer und Wetzstein beiseite, griff sich die Gusli und begann zu spielen. Die Füchsin stellte sich in die Mitte der Hütte, ließ ihren buschigen Schwanz wedeln, hob die Vorderpfoten, schwenkte sie nach links, schwenkte sie nach rechts, drehte sich ein wenig im Kreis herum und - blieb stehen. "Weshalb tanzt und singst du nicht?", frage der Alte. Die Füchsin stimmte ein fröhliches Lied an, eins von den Wäldern, den Feldern und Wiesen. "Tanze", rief die Alte und klatschte in die Hände. - "Wie denn nur soll ich tanzen, bin dazu nicht festliche angezogen. Zum Tanzen brauche ich ein Kleid, ein weißes, bunt besticktes." - "Schnell, Frau, hol dein allerschönstes Gewand und zieh es unserem Gast an", befahl der Alte. Die Alte kramte aus der Truhe ein langes weißes Hemd aus feinem Linnen hervor und gab es der Füchsin. Die streifte es über und hob - mutiger geworden - stolz den kopf. "Nun aber tanze", bat der Alte die Füchsin. "Mir fehlt noch eine mit Silbermünzen geschmückte Kappe, ohne die geht es nicht!" - "Alte, gib unserer lieben Füchsin deine Kappe, damit sie endlich tanzen kann!" - Seine Alte kramte aus der Truhe ein glitzerndes Häubchen hervor und setzte es der Füchsin auf. doch anstatt sich nun endlich im Tanze zu drehen, bat die Füchsin um eine Perlenkette für den Hals, um Stiefel für die Füße, um ein rotes Seidentuch für die Taille und um eine passende Schürze. Wie zu einer Hochzeit staffierte die Alte die Füchsin heraus, reich und festlich. Doch die rührte sich immer noch nicht vom Fleck. - "Herausgeputzt haben wir dich, jetzt musst du aber auch tanzen", baten die beiden Alen. "Ich kriege keine Luft mehr, öffnet das Fenster, dann werd´ ich auch tanzen." Der Alte eilte zum Fenster und riss es weit auf. leuter griff nun der Alte in die Saiten seiner Gusli, und die Füchsin setzte die Füße zum Tanz. Erst langsam, dann immer schneller. Wie wirbelte im reis herum, sprang und schwenkte die Pfoten. Plötzlich aber sauste sie zum Fenster und sprang hinaus: weg war sie. Der Alte und seine Frau liefen hinterher, doch die Füchsin war schon über alle Berge.

*

 Ausgewählt – mit dem Anspruch auf deutsche Buch-Erstveröffentlichung – und aus dem Russischen übersetzt von Gabriele Kleiner

 

Als Reporterin der Illustrierten FREIE WELT bereiste ich 1978 KARELIEN. In meinem Buch „Zwischen Weißem Meer und Baikalsee“, 207 Seiten, mit zahlreichen Fotos von Heinz Krüger und ethnographischen Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring, 1981 im Verlag Neues Leben, Berlin, erschienen, habe ich über die Burjaten, Adygen und KARELIER geschrieben.

 

Vor-Karelisches (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")

 „Nach dem hochsommerlichen Burjatien und dem schon herbstlichen Adygien verlangte es sowohl Kamerabesitzer als auch Notizbucheigentümerin nach einem anderen „Zeitabschnitt zwischen Aquinoktium und Solstitium“. Johann Warkentin, beauftragt, von Moskau aus meteorologische Erkundungen über den hohen Norden im allgemeinen und Karelien im besonderen einzuziehen, sandte poetische Antwort – ein Gedicht des karelischen Autors Jaakko Rugujew:

Die Jahreszeiten in Karelien // Reich ist Kareliens Sommer. / Wunderbar weich ist die Luft. / Blüten, geweckt von der Sonne, / verströmen den süßesten Duft. / Und Erdbeeren jede Menge / am Waldrand, im Wiesengrund. / Pflück Brombeeren an den Hängen - / blau sind im Nu Hand und Mund. / Silbern wallt in der Frühe / auf tauiger Heide der Dampf. / Die Sense schwing! / Für die Mühe / goldige Sonnbräune dankt. // Der Herbsthimmel ist zwar verhangen, / und freilich, zu tun gibt´s genug: / Das Korn wartet schon auf die Kammer, / das Stoppelfeld auf den Pflug. / Auch Fischnetze gilt es zu stellen… / doch hast du das alles getan, so schau in später Taghelle / die rührige Herbstzeit dir an: / So ganz ohne drückende Schwere / ihr festlicher Glanz ist und warm. / Wie köstlich blinken die Beeren / im Borkenkörbchen am Arm. // Und später – tief eingeschneit alles, / des kurzen Wintertags Grau: den Menschen aus Kalevala / sind Stürme von klein auf vertraut. / Weither aus den Waldparzellen / tönt emsiger Äxte Schlag. / Was tut´s, dass die beißende Kälte / die Wangen gerötet hat! / Dann gehen die Stämme auf Reisen, / und wir kommen richtig in Fahrt. / Es schüttelt hoch über der Schneise der Sonnenball seinen Bart. // Und erst dieser herrliche Frühling! / Wer unseren Frühling nicht schätzt, / was weiß der von menschlichem Fühlen! / Verkümmert, verdorrt ist sein Herz! / Die Sonne klopft sacht an die Scheiben, / schon klingt´s unterm Dachrand: twit-twit. / Der Schwalben geschäftiges Treiben / besänftigt ein jedes Gemüt, / und jeder fühlt plötzlich begeistert - / sei´s auch für den Augenblick nur – der Säfte ewigen Kreislauf / der uralten, jungen Natur. // 

Nachdichtung aus dem Russischen: Johann Warkentin

Was tun? Besonders verlockend scheint fürwahr der herrliche karelische Frühling zu sein.  hin, Kreislauf der uralten, jungen Natur her, wir entscheiden uns für das

 

 

Warnung: Karelien ist zwischen Russland und Finnland geteilt. Der russische Teil umfasst die Republik Karelien und reicht in die Leningrader Oblast hinein, der finnische Teil teilt sich in die Landschaften Südkarelien und Nordkarelien. Es soll schon Reisende gegeben haben, die eigentlich in
die russische Republik Karelien wollten, sich aber in Süd- oder Nordkarelien in Finnland wiedergefunden haben – und umgekehrt!

 

 

 

Rezensionen und Literaturhinweise (Auswahl) zu den TSCHUWASCHEN

 

Rezension in meiner Webseite www.reller-rezensionen.de

 

* KATEGORIE REISELITERATUR/BILDBÄNDE: Edeltraud Maier-Lutz, Flußkreuzfahrten in Rußland, Unterweg auf Wolga, Don, Jenissej und Lena, Trescher-Reihe Reisen, herausgegeben von Sabine Fach und Bernd Schwenkros, mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Trescher Verlag, 4. Auflage, Berlin 2002.

 

 

Literaturhinweise (Auswahl)

 

 * Die Geschichte von Kullerwo, Sechs Lieder aus dem „Kalewala, Insel-Bücherei Nr. 695, übertragen und herausgegeben von Gisbert Jänicke, Insel-Verlag, Leipzig 1985.

Dieser Liederzyklus „Kalewala“ („Kalevala“) ist so alt wie die Edda. „Ihre Themen“, schreibt Gisbert Jänicke in seinem Nachwort, sind manchmal ähnlich, meist

 

 

 

1. Streifenornament

 

 

 

 

Bibliographie zu Gisela Reller

 

Bücher als Autorin:

 

Länderbücher:

 

*  Zwischen Weißem Meer und Baikalsee, Bei den Burjaten, Adygen und Kareliern,  Verlag Neues Leben, Berlin 1981, mit Fotos von Heinz Krüger und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Diesseits und jenseits des Polarkreises, bei den Südosseten, Karakalpaken, Tschuktschen und asiatischen Eskimos, Verlag Neues Leben, Berlin 1985, mit Fotos von Heinz Krüger und Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Von der Wolga bis zum Pazifik, bei Tuwinern, Kalmyken, Niwchen und Oroken, Verlag der Nation, Berlin 1990, 236 Seiten mit Fotos von Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

Biographie:

 

* Pater Maksimylian Kolbe, Guardian von Niepokalanów und Auschwitzhäftling Nr. 16 670, Union Verlag, Berlin 1984, 2. Auflage.

 

 

... als Herausgeberin:

 

Sprichwörterbücher:

 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

Aphorismenbuch:

* 666 und sex mal Liebe, Auserlesenes, 2. Auflage, Mitteldeutscher Verlag Halle/Leipzig, 200 Seiten mit Vignetten und Illustrationen von Egbert Herfurth.

 

... als Mitautorin:

 

Kinderbücher:

 

* Warum? Weshalb? Wieso?, Ein Frage-und-Antwort-Buch für Kinder, Band 1 bis 5, Herausgegeben von Carola Hendel, reich illustriert, Verlag Junge Welt, Berlin 1981 -1989.

 

Sachbuch:

 

* Die Stunde Null, Tatsachenberichte über tapfere Menschen in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges, Hrsg. Ursula Höntsch, Verlag der Nation 1966.

 

 

... als Verantwortliche Redakteurin:

 

* Leben mit der Erinnerung, Jüdische Geschichte in Prenzlauer Berg, Edition  Hentrich, Berlin 1997, mit zahlreichen Illustrationen.

 

* HANDSCHLAG, Vierteljahreszeitung für deutsche Minderheiten im Ausland, Herausgegeben vom Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Berlin 1991 - 1993.

 

 

2. Streifenornament

 

 

 

 

Pressezitate (Auswahl) zu Gisela Rellers Buchveröffentlichungen:

Dieter Wende in der „Wochenpost“ Nr. 15/1985:

„Es ist schon eigenartig, wenn man in der Wüste Kysyl-Kum von einem Kamelzüchter gefragt wird: `Kennen Sie Gisela Reller?´ Es ist schwer, dieser Autorin in entlegenen sowjetischen Regionen zuvorzukommen. Diesmal nun legt sie mit ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik Berichte aus Kalmykien, Tuwa und von der Insel Sachalin vor. Liebevolle und sehr detailgetreue Berichte auch vom Schicksal kleiner Völker. Die ethnografisch erfahrene Journalistin serviert Besonderes. Ihre Erzählungen vermitteln auch Hintergründe über die Verfehlungen bei der Lösung des Nationalitätenproblems.“

B(erliner) Z(eitung) am Abend vom 24. September 1981:

"Gisela Reller, Mitarbeiterin der Ilustrierten FREIE WELT, hat autonome Republiken und gebiete kleiner sowjetischer Nationalitäten bereist: die der Burjaten, Adygen und Karelier. Was sie dort ... erlebte und was Heinz Krüger fotografierte, ergíbt den informativen, soeben erschienenen Band Zwischen Weißem Meer und Baikalsee."

Sowjetliteratur (Moskau)Nr. 9/1982:

 "(...) Das ist eine lebendige, lockere Erzählung über das Gesehene und Erlebte, verflochten mit dem reichhaltigen, aber sehr geschickt und unaufdringlich dargebotenen Tatsachenmaterial. (...) Allerdings verstehe ich sehr gut, wie viel Gisela Reller vor jeder ihrer Reisen nachgelesen hat und wie viel Zeit nach der Rückkehr die Bearbeitung des gesammelten Materials erforderte. Zugleich ist es ihr aber gelungen, die Frische des ersten `Blickes´ zu bewahren und dem Leser packend das Gesehene und Erlebte mitzuteilen. (...) Es ist ziemlich lehrreich - ich verwende bewusst dieses Wort: Vieles, was wir im eigenen Lande als selbstverständlich aufnehmen, woran wir uns ja gewöhnt haben und was sich unserer Aufmerksamkeit oft entzieht, eröffnet sich für einen Ausländer, sei es auch als Reisender, der wiederholt in unserem Lande weilt, sozusagen in neuen Aspekten, in neuen Farben und besitzt einen besonderen Wert. (...) Mir gefällt ganz besonders, wie gekonnt sich die Autorin an literarischen Quellen, an die Folklore wendet, wie sie in den Text ihres Buches Gedichte russischer Klassiker und auch wenig bekannter nationaler Autoren, Zitate aus literarischen Werken, Märchen, Anekdoten, selbst Witze einfügt. Ein treffender während der Reise gehörter Witz oder Trinkspruch verleihen dem Text eine besondere Würze. (...) Doch das Wichtigste im Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee sind die Menschen, mit denen Gisela Reller auf ihren Reisen zusammenkam. Unterschiedlich im Alter und Beruf, verschieden ihrem Charakter und Bildungsgrad nach sind diese Menschen, aber über sie alle vermag die Autorin kurz und treffend mit Interesse und Sympathie zu berichten. (...)"

Neue Zeit vom 18. April 1983:

„In ihrer biographischen Skizze über den polnischen Pater Maksymilian Kolbe schreibt Gisela Reller (2. Auflage 1983) mit Sachkenntnis und Engagement über das Leben und Sterben dieses außergewöhnlichen Paters, der für den Familienvater Franciszek Gajowniczek freiwillig in den Hungerbunker von Auschwitz ging.“

Der Morgen vom 7. Februar 1984:

„`Reize lieber einen Bären als einen Mann aus den Bergen´. Durch die Sprüche des Kaukasischen Spruchbeutels weht der raue Wind des Kaukasus. Der Spruchbeutel erzählt auch von Mentalitäten, Eigensinnigkeiten und Bräuchen der Adygen, Osseten und Dagestaner. Die Achtung vor den Alten, die schwere Stellung der Frau, das lebensnotwendige Verhältnis zu den Tieren. Gisela Reller hat klug ausgewählt.“

1985 auf dem Solidaritätsbasar auf dem Berliner Alexanderplatz: Gisela Reller (vorne links) verkauft ihren „Kaukasischen Spruchbeutel“ und 1986 das extra für den Solidaritätsbasar von ihr herausgegebene Sprichwörterbuch „Dein Freund ist Dein Spiegel“.

Foto: Alfred Paszkowiak

 Neues Deutschland vom 15./16. März 1986:

"Vor allem der an Geschichte, Bräuchen, Nationalliteratur und Volkskunst interessierte Leser wird manches bisher `Ungehörte´ finden. Er erfährt, warum im Kaukasus noch heute viele Frauen ein Leben lang Schwarz tragen und was es mit dem `Ossetenbräu´ auf sich hat, weshalb noch 1978 in Nukus ein Eisenbahnzug Aufsehen erregte und dass vor Jahrhunderten um den Aralsee fruchtbares Kulturland war, dass die Tschuktschen vier Begriff für `Freundschaft´, aber kein Wort für Krieg besitzen und was ein Parteisekretär in Anadyr als notwendigen Komfort, was als entbehrlichen Luxus ansieht. Großes Lob verdient der Verlag für die großzügige Ausstattung von Diesseits und jenseits des Polarkreises.“

 

 Gisela Reller während einer ihrer über achthundert Buchlesungen

in der Zeit von 1981 bis 1991.

Berliner Zeitung vom 2./3. Januar 1988:

„Gisela Reller hat klassisch-deutsche und DDR-Literatur auf Liebeserfahrungen durchforscht und ist in ihrem Buch 666 und sex mal Liebe 666 und sex mal fündig geworden. Sexisch illustriert, hat der Mitteldeutsche Verlag Halle alles zu einem hübschen Bändchen zusammengefügt.“

Neue Berliner Illustrierte (NBI) Nr. 7/88:

„Zu dem wohl jeden bewegenden Thema finden sich auf 198 Seiten 666 und sex mal Liebe mannigfache Gedanken von Literaten, die heute unter uns leben, sowie von Persönlichkeiten, die sich vor mehreren Jahrhunderten dazu äußerten.“

Das Magazin Nr. 5/88.

"`Man gewöhnt sich daran, die Frauen in solche zu unterscheiden, die schon bewusstlos sind, und solche, die erst dazu gemacht werden müssen. Jene stehen höher und gebieten dem Gedenken. Diese sind interessanter und dienen der Lust. Dort ist die Liebe Andacht und Opfer, hier Sieg und Beute.´ Den Aphorismus von Karl Kraus entnahmen wir dem Band 666 und sex mal Liebe, herausgegeben von Gisela Reller und illustriert von Egbert Herfurth."

 

Schutzumschlag zum „Buch 666 und sex mal Liebe“ .

Zeichnung: Egbert Herfurth

 

FÜR DICH, Nr. 34/89:

 

"Dem beliebten Büchlein 666 und sex mal Liebe entnahmen wir die philosophischen und frechen Sprüche für unser Poster, das Sie auf dem Berliner Solidaritätsbasar kaufen können. Gisela Reller hat die literarischen Äußerungen zum Thema Liebe gesammelt, Egbert Herfurth hat sie trefflich illustriert."

Messe-Börsenblatt, Frühjahr 1989:

"Die Autorin – langjährige erfolgreiche Reporterin der FREIEN WELT - ist bekannt geworden durch ihre Bücher Zwischen Weißem Meer und Baikalsee und Diesseits und jenseits des Polarkreises. Diesmal schreibt die intime Kennerin der Sowjetunion in ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik über die Kalmyken, Tuwiner und die Bewohner von Sachalin, also wieder über Nationalitäten und Völkerschaften. Ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird uns in fesselnden Erlebnisberichten nahegebracht."

Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel schrieb ich in der Ausgabe 49 vom 7. Dezember 1982 unter der Überschrift „Was für ein Gefühl, wenn Zuhörer Schlange stehen“:

„Zu den diesjährigen Tagen des sowjetischen Buches habe ich mit dem Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee mehr als zwanzig Lesungen bestritten. (…) Ich las vor einem Kreis von vier Personen (in Klosterfelde) und vor 75 Mitgliedern einer DSF-Gruppe in Finow; meine jüngsten Zuhörer waren Blumberger Schüler einer 4. Klasse, meine älteste Zuhörerin (im Schwedter Alten- und Pflegeheim) fast 80 Jahre alt. Ich las z.B. im Walzwerk Finow, im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder, im Petrolchemischen Kombinat Schwedt; vor KIM-Eiersortierern in Mehrow, vor LPG-Bauern in Hermersdorf, Obersdorf und Bollersdorf; vor zukünftigen Offizieren in Zschopau; vor Forstlehrlingen in Waldfrieden; vor Lehrlingen für Getreidewirtschaft in Kamenz, vor Schülern einer 7., 8. und 10 Klasse in Bernau, Schönow und Berlin; vor Pädagogen in Berlin, Wandlitz, Eberswalde. - Ich weiß nicht, was mir mehr Spaß gemacht hat, für eine 10. Klasse eine Geographiestunde über die Sowjetunion einmal ganz anders zu gestalten oder Lehrern zu beweisen, dass nicht einmal sie alles über die Sowjetunion wissen – was bei meiner Thematik – `Die kleinen sowjetischen Völkerschaften!´ – gar nicht schwer zu machen ist. Wer schon kennt sich aus mit Awaren und Adsharen, Ewenken und Ewenen, Oroken und Orotschen, mit Alëuten, Tabassaranern, Korjaken, Itelmenen, Kareliern… Vielleicht habe ich es leichter, Zugang zu finden als mancher Autor, der `nur´ sein Buch oder Manuskript im Reisegepäck hat. Ich nämlich schleppe zum `Anfüttern´ stets ein vollgepacktes Köfferchen mit, darin von der Tschuktschenhalbinsel ein echter Walrosselfenbein-Stoßzahn, Karelische Birke, burjatischer Halbedelstein, jakutische Rentierfellbilder, eskimoische Kettenanhänger aus Robbenfell, einen adygeischen Dolch, eine karakalpakische Tjubetejka, der Zahn eines Grauwals, den wir als FREIE WELT-Reporter mit harpuniert haben… - Schön, wenn alles das ganz aufmerksam betrachtet und behutsam befühlt wird und dadurch aufschließt für die nächste Leseprobe. Schön auch, wenn man schichtmüde Männer nach der Veranstaltung sagen hört: `Mensch, die Sowjetunion ist ja interessanter, als ich gedacht habe.´ Oder: `Die haben ja in den fünfundsechzig Jahren mit den `wilden´ Tschuktschen ein richtiges Wunder vollbracht.´ Besonders schön, wenn es gelingt, das `Sowjetische Wunder´ auch denjenigen nahezubringen, die zunächst nur aus Kollektivgeist mit ihrer Brigade mitgegangen sind. Und: Was für ein Gefühl, nach der Lesung Menschen Schlange stehen zu sehen, um sich für das einzige Bibliotheksbuch vormerken zu lassen. (Schade, wenn man Kauflustigen sagen muss, dass das Buch bereits vergriffen ist.) – Dank sei allen gesagt, die sich um das zustande kommen von Buchlesungen mühen – den Gewerkschaftsbibliothekaren der Betriebe, den Stadt- und Kreisbibliothekaren, den Buchhändlern, die oft aufgeregter sind als der Autor, in Sorge, `dass auch ja alles klappt´. – Für mich hat es `geklappt´, wenn ich Informationen und Unterhaltung gegeben habe und Anregungen für mein nächstes Buch mitnehmen konnte.“

 

Die Rechtschreibung der Texte wurde behutsam der letzten Rechtschreibreform angepasst.

Die TSCHUWASCHEN wurden am 10.10.2015 ins Netz gestellt. Die letzte Bearbeitung erfolgte am 16.01.2016.

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Zeichnung: Karl-Heinz Döhring