Vorab!

Leider kommt im Internet bei meinem (inzwischen veralteten) FrontPage-Programm  längst nicht alles so, wie von mir in html angegeben. Farben kommen anders, als von mir geplant, Satzbreiten wollen nicht so wie von mir markiert, Bilder kommen manchmal an der falschen  Stelle, und - wenn  ich  Pech  habe  -  erscheint  statt  des  Bildes  gar  eine  Leerstelle.

Was tun? Wer kann helfen?

 

*

Wird laufend bearbeitet!

 

 

Wir sind KALMYKEN: Familie Tschugurzikow vor ihrem Haus in Elista, Kalmykiens Hauptstadt.

 

 

Foto: Detlev Steinberg

Fotos und Illustrationen richtig statt Karelier = Kalmyken

                    

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring

 

"Die Seele, denke ich, hat keine Nationalität."

Juri Rytchëu (tschuktschischer Schriftsteller, 1930 bis 2008) in: Im Spiegel des Vergessens, 2007

 

Wenn wir für das eine Volk eine Zuneigung oder gegen das andere eine Abneigung hegen, so beruht das, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, auf dem, was wir von dem jeweiligen Volk wissen oder zu wissen glauben. Das ist – seien wir ehrlich – oft sehr wenig, und manchmal ist dieses Wenige auch noch falsch.  

Ich habe für die Berliner Illustrierte FREIE WELT jahrelang die Sowjetunion bereist, um – am liebsten - über abwegige Themen zu berichten: über Hypnopädie und Suggestopädie, über Geschlechtsumwandlung und Seelenspionage, über Akzeleration und geschlechtsspezifisches Kinderspielzeug... Außerdem habe ich mit jeweils einem deutschen und einem Wissenschaftler aus dem weiten Sowjetland vielteilige Lehrgänge erarbeitet.* Ein sehr interessantes Arbeitsgebiet! Doch 1973, am letzten Abend meiner Reise nach Nowosibirsk – ich hatte viele Termine in Akademgorodok, der russischen Stadt der Wissenschaften – machte ich einen Abendspaziergang entlang des Ob. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich zwar wieder viele Experten kennengelernt hatte, aber mit der einheimischen Bevölkerung kaum in Kontakt gekommen war.  

Da war in einem magischen Moment an einem großen sibirischen Fluss - Angesicht in Angesicht mit einem kleinen (grauen!) Eichhörnchen - die große FREIE WELT-Völkerschafts-Serie** geboren!  

Und nun reiste ich ab 1975 jahrzehntelang zu zahlreichen Völkern des Kaukasus, war bei vielen Völkern Sibiriens, war in Mittelasien, im hohen Norden, im Fernen Osten und immer wieder auch bei den Russen. 

Nach dem Zerfall der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zog es mich – nach der wendegeschuldeten Einstellung der FREIEN WELT***, nun als Freie Reisejournalistin – weiterhin in die mir vertrauten Gefilde, bis ich eines Tages mehr über die westlichen Länder und Völker wissen wollte, die man mir als DDR-Bürgerin vorenthalten hatte.

Nach mehr als zwei Jahrzehnten ist nun mein Nachholebedarf erst einmal gedeckt, und ich habe das Bedürfnis, mich wieder meinen heißgeliebten Tschuktschen, Adygen, Niwchen, Kalmyken und Kumyken, Ewenen und Ewenken, Enzen und Nenzen... zuzuwenden. 

Deshalb werde ich meiner Webseite www.reller-rezensionen.de (mit inzwischen weit mehr als fünfhundert Rezensionen), die seit 2002 im Netz ist, ab 2013 meinen journalistischen Völkerschafts-Fundus von fast einhundert Völkern an die Seite stellen – mit ausführlichen geographischen und ethnographischen Texten, mit Reportagen, Interviews, Sprichwörtern, Märchen, Gedichten, Literaturhinweisen, Zitaten aus längst gelesenen und neu erschienenen Büchern; so manches davon, teils erstmals ins Deutsche übersetzt, war bis jetzt – ebenfalls wendegeschuldet – unveröffentlicht geblieben. 

Sollten sich in meinem Material Fehler oder Ungenauigkeiten eingeschlichen haben, teilen Sie mir diese bitte am liebsten in meinem Gästebuch oder per E-Mail gisela@reller-rezensionen.de mit. Überhaupt würde ich mich über eine Resonanz meiner Nutzer freuen!

Gisela Reller 

   * Lernen Sie Rationelles Lesen" / "Lernen Sie lernen" / "Lernen Sie reden" / "Lernen Sie essen" / "Lernen Sie, nicht zu rauchen" / "Lernen Sie schlafen" / "Lernen Sie logisches Denken"...

 

 ** Im 1999 erschienenen Buch „Zwischen `Mosaik´ und `Einheit´. Zeitschriften in der DDR“ von Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis (Hrsg.), erschienen im Berliner Ch. Links Verlag, ist eine Tabelle veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Völkerschaftsserie der FREIEN WELT von neun vorgegebenen Themenkreisen an zweiter Stelle in der Gunst der Leser stand – nach „Gespräche mit Experten zu aktuellen Themen“.

(Quelle: ZA Universität Köln, Studie 6318)

 

*** Christa Wolf dazu in ihrem Buch "Auf dem Weg nach Tabou, Texte 1990-1994", Seite 53/54: „Aber auf keinen Fall möchte ich den Eindruck erwecken, in dieser Halbstadt werde nicht mehr gelacht. Im Gegenteil! Erzählt mir doch neulich ein Kollege aus meinem Verlag (Helmut Reller) – der natürlich wie zwei Drittel der Belegschaft längst entlassen ist –, daß nun auch seine Frau (Gisela Reller), langjährige Redakteurin einer Illustrierten (FREIE WELT) mitsamt der ganzen Redaktion gerade gekündigt sei: Die Zeitschrift werde eingestellt. Warum wir da so lachen mußten? Als im Jahr vor der `Wende´ die zuständige ZK-Abteilung sich dieser Zeitschrift entledigen wollte, weil sie, auf Berichterstattung aus der Sowjetunion spezialisiert, sich als zu anfällig erwiesen hatte, gegenüber Gorbatschows Perestroika, da hatten der Widerstand der Redaktion und die Solidarität vieler anderer Journalisten das Blatt retten können. Nun aber, da die `Presselandschaft´ der ehemaligen DDR, der `fünf neuen Bundesländer´, oder, wie der Bundesfinanzminister realitätsgerecht sagt: `des Beitrittsgebiets´, unter die vier großen westdeutschen Zeitungskonzerne aufgeteilt ist, weht ein schärferer Wind. Da wird kalkuliert und, wenn nötig, emotionslos amputiert. Wie auch die Lyrik meines Verlages (Aufbau-Verlag), auf die er sich bisher viel zugute hielt: Sie rechnet sich nicht und mußte aus dem Verlagsprogramm gestrichen werden. Mann, sage ich. Das hätte sich aber die Zensur früher nicht erlauben dürfen! – "Das hätten wir uns von der auch nicht gefallen lassen", sagt eine Verlagsmitarbeiterin.

Wo sie recht hat, hat sie recht.“

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring

Wenn Sie sich die folgenden Texte zu Gemüte geführt und Lust bekommen haben, Kalmykien zu bereisen, sei Ihnen das Reisebüro ? empfohlen, denn - so lautet ein kalmykisches Sprichwort  

 

Zum rechten Reisen gehört rechte Vorbereitung.

 

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Die KALMYKEN… (Eigenbezeichnung: Chalmugh = die Zurückgebliebenen)

Bevölkerung:

Fläche:

Geschichtliches:

 

 

 

 

 

 

 

 

Stepan Rasin (um 1630 bis 1671), der Führer des Kosaken- und Bauernaufstandes 1670/71, 

führte 1661 Verhandlungen mit den Kalmyken über den Abschluss eines Friedensvertrages und gemeinsame Kriegshandlungen gegen die Tataren. Stepan Rasin wurde 1670 von reichen Kosaken gefangengenommen und an die Regierung ausgeliefert, die ihn 1671 auf dem Roten Platz in Moskau öffentlich hinrichten ließ.

Stich von 1672 aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

Auf Initiative Peters I. wurde eine Expedition unter Leitung von Daniel Gottlieb Messerschmidt (1685 bis 1735) nach Sibirien geschickt. Der Forscher führte ausführliche Tagebücher und hatte eine große Anzahl an bedeutenden wissenschaftlich-historischen und ethnografischen Materialien gesammelt, darunter viele altertümliche Gegenstände, die ihm die verschiedenen Machthaber der sibirischen Regionen überlassen hatten. Dazu gehörten heidnische Götterfiguren, Mammutknochen, altertümliche kalmykische und tatarische Briefe und Schriftzeichen, sowie Grabsteinbilder, die zum Erlernen der altertümlichen Lebensweise und Religion der sibirischen Stämme beitrugen.

Staatsgefüge:

Verbannungsgebiet:

 

Die Deportation der Kalmücken [Kalmyken]

(im Dezember 1943)

„Deportierte Kalmücken wurden Anfang 1944 in unsere Region gebracht.

Ein Teil blieb in Krasnojarsk, im Holzverarbeitungskombinat.

Man verschleppte sie in drei Baracken hinter den Pferdeställen des Kombinats, wo früher verbannte Bauern gewohnt hatten. Seit jener Zeit wurden die Baracken

"kalmückische" genannt, und das nahegelegene Geschäft an der Swerdlowsker Straße heißt heute noch so. - Dieser Verbannungsstrom wurde in die verschiedensten Ecken unserer Region zerstreut: sowohl in den Bezirk Wilisty am Oberlauf der Mana,

als auch an den Oberen Tschulym (Siedlung Tamoschenka im südwestlichen Kreis Balachta), in den Kreis Jarzewo, nach Prediwinsk und nach Chakassien.

Die Mehrheit der verschleppten Kalmücken, die vorher noch nie einen Wald gesehen hatte, geriet in die Taiga, an die sie sich überhaupt nicht anpassen konnten.

Im ersten Winter starben eine beträchtliche Anzahl der Verbannten. -Man darf annehmen, daß die Kalmücken, die nach Chakassien geraten waren, sich in einer etwas

besseren Lage befanden. Über die Kalmücken wurden beim NKWD "Personen-Akten" geführt. Man entließ sie 1956 in die Freiheit und führte

anschließend eine organisierte Rückführung in die Heimat durch.“

MEMORIAL

 

Hauptstadt:

Wirtschaft:

Verkehr:  

Sprache/Schrift:

Literatursprache/Literatur:

"Die Mutter" von Maxim Gorki wurde in 61 Sprachen übersetzt, darunter auch in die der Kalmyken, die bis zur Revolution keine Schriftsprache hatten.

 

Bildung:

Gesundheitswesen:

Klima:

Natur/Umwelt:

Pflanzen- und Tierwelt:

Behausungen:

Der Lebensstandard ist in Russland  regional sehr unterschiedlich hoch. Während besonders in Moskau und St. Petersburg einige Viertel in neuem Glanz erstrahlen, ist in anderen Regionen die Armut nach wie vor groß. In Tschetschenien und Dagestan leben mehr als die Hälfte der Menschen in Armut; weitere arme Regionen sind Inguschetien, Tuwa, Kabardino-Balkarien, Mari El, Kalmykien, Burjatien, der Altai und Mordwinien.

Ernährung:

Kleidung:

Folklore:

Feste/Bräuche:

Religion:

Ereignisse nach dem Zerfall der Sowjetunion, sofern sie nicht bereits oben aufgeführt sind:

Kontakte zur Bundesrepublik Deutschland:

Das westmongolische Volk der Kalmyken umfasst etwa 185 000 Angehörige (Volkszählung von 2010), von denen rund 163 000 in der Autonomen Republik Kalmykien an der unteren Wolga in der Russischen Föderation leben; damit macht in Kalmykien die Titularnation etwa 57 % aus. Man findet Kalmyken auch in anderen Gebieten Russlands, so in Bulgarien, auf dem ehemals jugoslawischen Gebiet, in Frankreich und in den USA. Bis zum 17. Jahrhundert waren die Vorfahren der heutigen Kalmyken noch Teil einer Stammesföderation in der Mongolei, die unter dem Namen Oiraten bekannt war. Von den Mandschuren bedrängt, wanderten diese in den Jahren 1618-1632 auf der Suche nach neuen Weidegründen weit nach Westen bis zum Südural, wurden dort jedoch von den Kasachen nach Süden getrieben und kamen auf diese Weise bis zum Unterlauf der Wolga. Von Zar Michail Fjodorowitsch Romanow erhielten sie eine Urkunde „Über die gnädige Aufnahme in die russische Staatsbürgerschaft“. Aus ihrer Heimat hatten sie als Religion den Tibetischen Buddhismus mitgebracht und ihre nomadisierende Lebensweise. Im Zarenreich unzufrieden, entschlossen sie sich 1771, im Jahr des Hasen, wieder in ihre alte Heimat zurückzukehren; 100 000 Menschen starben unterwegs, nur etwa 70 000 erreichten die Dsungarei, die zu jener Zeit schon zum Machtbereich Chinas gehörte. In Russland waren mit dem Noion Asarcha an der Spitze etwa 15 000 Kalmyken am rechten Ufer der Wolga verblieben. Ihnen war es wegen des einsetzenden Eisgangs nicht mehr gelungen, befehlsgemäß ans andere Ufer zugelangen. Und diese „Zurückgebliebenen“ (im Mongolischen chalmugh genannt), bildeten dann das heutige Volk der Kalmyken, das später in das sowjetische System einbezogen wurde. Im europäischen Russland sind die Kalmyken die einzigen lamaistischen Buddhisten. Ihre Sprache gehört zur westlichen Gruppe der mongolischen Sprache. Als Schrift wurde Kalmückisch in einer eigenen, senkrechten Alphabetschrift geschrieben, seit 1938 verwendet man das kyrillische Alphabet; in den 1930er Jahren versuchte man kurzzeitig, das lateinische Alphabet zu übernehmen, ohne dass dies dauerhaft gelang. Das Kalmykische seit dem 17. Jahrhundert Literatursprache; die überlieferte Literatur der Kalmyken besitzen einen großen Schatz mündlicher Volksdichtungen, die großartigste Schöpfung ist das Heldenepos „Dshangar“. Waren zu Sowjetzeiten die nahezu sechzig buddhistischen Bauten zerstört worden und war Buddhistisches nur noch in den kalmykischen Sprichwörtern zu entdecken, so sind die meisten buddhistischen Tempel wieder aufgebaut und Kalmykien gilt heute als ein buddhistisches Zentrum. Als Viehzüchter hielten die Kalmücken vorwiegend Rinder, das Kalmykische Rind ist nach ihnen benannt, aber auch Kamele, Pferde, Schafe und Ziegen. Obwohl Kalmyckien, wie die Ukraine, einen sehr fruchtbaren Schwarzerde-Boden hat, ist Ackerbau in der fast wasserlosen Steppe traditionell nur in den wenigen Flusstälern möglich. Die Kalmyken gehören zu den wegen Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht auf Befehl Stalin 1943 nach Sibirien deportierten Völkern. 1957 rehabilitiert, erhielten sie ihr Territorium (75 900 Quadratkilometer) an der Wolga mit der Hauptstadt Elista zurück – vorrangig dank des kalmykischen Kommandeurs der 4. Kavalleriedivision Oka Gorodowikow, Freund des berühmt-berüchtigten Begründers der Ersten Roten Reiterarmee Budjonnys, über die Isaak Babel sein weltbekanntes Buch „Die Reiterarmee“ schrieb. 1992 brachte die Unterzeichnung des Föderationsvertrages den Kalmyken die Anerkennung als Republik Kalmykien. Bis heute schwören die Kalmyken auf ihr Nationalgetränk Zja, das ist gesalzener und gepfefferter Tee mit Fettaugen, von dem Alexandre Dumas der Ältere schreibt, das „niemals, ich erkläre es ausdrücklich, ein abscheulicherer Trank einen Christenmenschen Übelkeit verursacht hat“. Mir schmeckte dieser Tee – bei sengender Sonne in der kalmykischen Steppe – vortrefflich, aber da Dumas bereits fast 150 Jahre tot ist, ist mit ihm schlecht streiten…

Interessant, zu wissen..., dass das Mineral Schungit nur in Karelien vorkommt. Schungit bildet eine weltweit einmalige Sonderform des Kohlenstoffs, ein sogenanntes Fulleren. Kohlenstoff-Fullerene kommen sonst nur im Kosmos vor, und daher vermutet man auch für den Schungit einen kosmischen

 

Wer seine Heimat verrät, soll keine zwei Tage mehr leben. 

Sprichwort der Kalmyken

 

Die KALMYKEN: Für Liebhaber kurzer Texte

Das ursprünglich in der chinesischen Dsungarei beheimatete westmongolische oirotische Volk der Kalmyken kam Anfang des 17. Jahrhunderts auf der Suche nach neuen Weidegründen bis in das Steppengebiet der unteren Wolga. 1618 erhielten die Kalmyken („die Abgesonderten“) von Zar Michail Fjodorowisch Romanow (1878 bis 1918) eine Urkunde über die „gnädige Aufnahme in die russische Staatsbürgerschaft“. Um der endgültigen Eingliederung in das russische Reich zu entgehen, machte sich die große Masse der Kalmyken 1771, im Jahr des Eisernen Hasen, in einem großen Treck wieder nach Osten auf. Einhunderttausend Menschen starben unterwegs, nur etwa siebzigtausend erreichten die Dsungarei, die zu jener Zeit schon zum Machtbereich Chinas gehörte. In Russland waren mit dem Noion Asacha an der Spitze, nur etwa fünfzehntausend Kalmyken am rechten Ufer der Wolga verblieben. Ihnen war es wegen des einsetzenden Eisgangs nicht mehr gelungen, befehlsgemäß ans andere Ufer zu gelangen. – Im europäischen Russland sind die Kalmyken, deren Sprache zur westlichen Gruppe der mongolischen Sprachen gehört, die einzigen lamaistischen Buddhisten. Außer in ihren Sprichwörtern ist bei ihnen Buddhistisches nicht mehr zu entdecken. Bis in die zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts war ihre traditionelle Behausung eine Filzjurte, die etwa zehn Quadratmeter große „Kibitka“. – Die Kalmyken gehören zu den wegen angeblicher Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht auf Befehl Stalins 1943 nach Sibirien deportierten Völkern. 1957 rehabilitiert, erhielten sie ihr Territorium an der Wolga zurück – dank des kalmykischen Kommandeurs der 4. Kavalleriedivision Oka Gorodowikow, Freund des berühmten Begründers der Ersten Roten Reiterarmee Budjonnys. – Bis heute haben sich die nun wieder hundertfünfundsiebzigtausend Kalmyken zwei nationale Getränke bewahrt: Kumys, ein dem Kefir ähnliches Sauermilchgetränk aus Stutenmilch, und Zja, gesalzener und gepfefferter Tee mit Fettaugen, über den Alexandre Dumas der Ältere (1802 bis 1870) schreibt: „Niemals hatte, ich erkläre es ausdrücklich, ein abscheulicherer Trank einen Christenmenschen Übelkeit verursacht.“ Dumas ist tot, weshalb mit ihm schlecht streiten ist…

Diesen unveröffentlichten Text habe ich geschrieben, als ich für das

Bibliographische Institut in Leipzig von 1986 bis 1991 ein Sprichwörterbuch von fünfzig Völkern der (ehemaligen) Sowjetunion erarbeitete,

das wegen des Zerfalls der Sowjetunion nicht mehr erschienen ist.

Als Journalistin der Illustrierten FREIE WELT – die als Russistin ihre Diplomarbeit über russische Sprichwörter geschrieben hat - habe ich auf allen meinen Reportagereisen in die Sowjetunion jahrzehntelang auch Sprichwörter der dort ansässigen Völker gesammelt - von den Völkern selbst,  von einschlägigen Wissenschaftlern und Ethnographen, aus Büchern ... - bei einem vierwöchigen Aufenthalt in Moskau saß ich Tag für Tag in der Leninbibliothek. So ist von mir erschienen: 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

Ich bin, wie man sieht, gut damit gefahren, es mit diesem turkmenischen Sprichwort zu halten: Hast du Verstand, folge ihm; hast du keinen, gibt`s ja noch die Sprichwörter.

Hier fünfzig kalmykische  Sprichwörter:

(Unveröffentlicht)

 

Besser, des Adligen Abreise zu erleben als seine Ankunft.

Almosen von einem Khan sind wie Schneeflocken im Frühling.

Erfahren die Alten von einer Hochzeit, geraten ihre Köpfe in Bewegung.

Ohne Anlass spricht sich kein Sprichwort.

Ein Aransal* stirbt für seinen Herrn, der Bagatyr** für die Heimat.

Die Arba*** der Wahrheit überholt den Hasen der Lüge.

Selbst in einem Bettelsack kann liegen, was sich in keiner Khans-Truhe verbirgt.

Bist du unter Blinden, schließ die Augen, bist du unter Lahmen, dann hinke.

Blindheit der Gedanken ist schlimmer als Blindheit de Augen.

Spuck nicht in den Brunnen, aus dem du trinken willst.

Buddha lehrt man nicht das Beten****.

Wem die Butterbis an die Ellenbogen reicht, der hat auch den Speck bis ans Knie.

Die Dankesschuld an die Mutter kannst du selbst dann nicht abtragen, wenn du Fleisch auf dem Handteller für sie brätst.

Der Dumme erzählt, was er gegessen, der Kluge, was er gesehen.

Für einen Dummkopf ist schwer, einen Richter zu finden.

Wer seine Eltern ehrt, wird später auch von seinen Kindern geehrt.

Ist der Fluss auch schmal, muss er doch nicht seicht sein, ist der Mann auch jung, muss er doch nicht dumm sein.

Besser Freundschaften bewahren als nach Schätzen graben.

Glaube schafft Götter, Aberglaube – böse Geister.

Gib erst zu trinken, dann erfrage den Grund des Kommens.

Zwei, die sich freund sind, haben auf einem Hammelfell Platz, für zwei die sich feind sind, reichen nicht sieben Felle aus.

Was mit den Händen verborgt wurde, muss man meist mit den Füßen zurück holen.

Obwohl die Hörner später wachsen, werden sie mitunter länger als die Ohren.

Ist kein Hund da, bellt sogar das Schwein

Mit dem Hund zu spielen, kostet den Mantelsaum, mit dem Noion***** zu spielen, kostet den Kragen.

Das Kamel ahnt nicht, sie bucklig es ist.

Kindermund und Welpenschnäuzchen kriegen nie genug.

Das beste Kleid ist das neue Kleid, der beste Freund ist der alte Freund.

Manchmal darf auch ein Lebender aus einer goldenen Tasse trinken.

Das Leid hat es eilig, das Glück kommt gemächlich.

Ein Mandshi******, der lesen und schreiben kann, ist wie ein Mädchen, das sich auf Handarbeiten versteht; beide gehen nicht unter.

Ein kühner Mann erlangt sogar den Tschindamani*******.

Der Mensch ist schön durch seine Sprache, die Sprache durch das Sprichwort.

Miss eine große Sache an einer kleinen.

Üppig Salz schadet dem Tee********, üppig Scherz der Freundschaft.

Ein langer Saum schlingt sich um die Füße, eine lange Zunge um den Hals.

Ist kein Hund da, bellt sogar das Schwein.

Besser berühmt sterben als berüchtigt sterben.

Ein großes Unglück setzt sich aus kleinen Missgeschicken zusammen.

Wenn du gibst, gib ohne Vorhaltungen, kannst du ohne nicht geben, dann gib nicht.

Wenn sie die Wahrheit hört, zuckt sogar eine tote Schlange zusammen.

Wissbegierde kennt kein Alter.

Wenn du dein Wort gegeben hast, sei sein Herr.

Ein böses Wort sprich erst aus, nachdem du dreimal um die Kibitka gelaufen bist.

Die Worte des Brautwerbers sind gewundener als das Gehörn des Hammels.

Sagst du „Ich weiß“, musst du noch viele Worte machen, sagst du „Ich weiß nicht“, hat es damit sein Bewenden.

Vergiss in satten Zeiten nicht das Leder, dass du in Hungerzeiten kautest.

 

* Aransal = Im kalmykischen Epos „Dshangar“ agieren nicht nur Menschen, sondern auch Reitpferde, die berühmten kalmykischen Streitrosse, entscheiden häufig den Ausgang eines Gefechts. Im Epos ist ihnen Redegabe und Weisheit verliehen; der Aransal ist der Recken treuer Freund in Freud und Leid. ** Bagatyr  = Recke, Held / *** Arba = dreirädriger Karren / **** Die Kalmyken sind das einzige im europäischen Russland lebende Volk mit buddhistischer Religion / ***** Noion = ein Fürst, ein Reicher / ****** Mandshi = Schüler im Kalmykischen Kloster / ******* Tschindamani = Zauberstein, der alle Wünsche erfüllt / ******** der Zja, der echt-kalmykische Tee wird mit Salz, Pfefferkörnern und Butter gereicht / ********* Kibitka = eine Filzjurte, für die die Wolle von zweihundert Schafen nötig ist.

 

Interlinearübersetzung aus dem Russischen von Gertraud Ettrich; gesammelt und in Sprichwortform gebracht von Gisela Reller

 

 

 

Als Reporterin der Illustrierten FREIE WELT bereiste ich 1981 KALMYKIEN und schrieb in meinem Buch „Von der Wolga bis zum Pazifik“, 236 Seiten, mit zahlreichen Fotos von Heinz Krüger und ethnographischen Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring, 1990 im Verlag der Nation, Berlin, erschienen, über die Tuwiner, KALMYKEN, Niwchen und Oroken.

 

Fotos Buch

 

 

 Stadtbummel durch Elista (LESEPROBE aus: "Von der Wolga bis zum Pazifik")

 

„Dort, wo kalmykische Stämme mit ihren Herden durch die Steppe zogen, wirkte im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts der deutsche Missionar Heinrich August Zwick. Er empfand das Kalmykenland als einen der ödesten Landstriche des ganzen russischen Reiches. 1827 schrieb er: `Wegen ihrer Unwirthbarkeit werden diese Gegenden von europäischen Reisenden nicht leicht besucht, die wenigen etwa ausgenommen, welche Amt und Pflicht hierzu treibt.´

Nun glaube aber keiner, mich bedauern zu müssen, eil ich mich in die `unwirthbare´ Kalmykensteppe begeben habe; denn eineinhalb Jahrhunderte nach Herrn Zwick trifft ein Reisender hier durchaus auf Komfort, Gaumenfreuden und Annehmlichkeiten jeder Art. Und auch die Reporterin kommt auf ihre Kosten – wenn sie auf Antilopenjagd geht, einen verheerenden Sandsturm erlebt, den kalmykischen Lyriker David Kugultinow kennenlernt, durch schier endlose nackte Steppe reist, die so nackt nun auch wieder nicht ist.

Im Augenblick sitze ich, zurückgekehrt von meinem ersten Hauptstadtbummel in Elista auf dem Balkon meines Hotelzimmers und lasse mir schmatzend saftige Pfirsiche schmecken. Gekauft habe ich Weintrauben, Pfirsiche und Tomaten auf dem Markt. Auf solchen Märkten unter freiem Himmel werden Kolchosprodukte angeboten, aber auch Feld- und Gartenfrüchte aus individueller Wirtschaft. Bezahlt man für die Ware an den Kolchosständen staatlich festgelegte Preise, so berappt man an den Privatständen entsprechend Angebot und Nachfrge. In Elista staune ich über die vielen Kaukasier, die aus sonnigen Nachbarlanden mit ihrem lecken Obst und Gemüse angereist sind. Die gepriesenen Pfirsiche verkaufen sie für fünf Rubel das Kilo, ein wahrlich delikater Preis. Ich halte mir etwas zugute darauf, den Preis auf vier Rubel heruntergehandelt zu haben. (…) Was wäre von meinem Stadtbummel zu notieren? Vielleicht: Elista ist eine anheimelnde Hauptstadt. Man kann lange durch großstädtisch anmutende ulmen-, eichen- und akazienreiche Neubauviertel wandern, kann aber auch, in kleine Nebenstraßen eingebogen, durchaus dörfliche Atmosphäre spüren. Die Kinderkaufhäuser heißen hier „Hoffnunf“, und in guter Hoffnung sind beeindruckend viele – auch recht junge – Kalmykinnen. Die Kalmykin übrigens gibt sich, auch dann wenn ihr das freudige Ereignis schon rundherum anzusehen ist, noch immer modebewusst (ohne Modepuppe zu sein). Und der Kalmyke trägt Bart, einen à la mode 13. Jahrhundert, einen richtigen Tschingis-Chan-Bart: beidseitig herabhängend, lässt er seinen Besitzer ein wenig mürrisch erscheinen, doch nur so lange, bis der lachend schneeweiße Zähne zeigt.

Obwohl ich mich in Europa befinde, erde ich das Gefühl nicht los, auf asiatischem Territorium zu sein. Vor allem wohl wegen der Physiognomie der Kalmyken: breite, flache Gesichter, schmale, meist pechschwarze Augen mit Mongolenfalte, breite Nasen, die Haut ein wenig gelblich, schwarz das Haar. Dennoch ist jedes Gesicht unverwechselbar…

Wahr ist wir Europäer müssen uns in die asiatischen Gesichter erst `eingucken´. Dann aber sind sich Kalmyken so wenig ähnlich wie unsereins. Ich stimme mit dem deutschen Naturforscher Peter Simon Pallas (1741-1811) überein, der über das kalmykische `Manns- und Weibsvolk schrieb, daß es `selbst in einer europäischen Stadt Anbeter finden würde´. Einer der Anbeter übrigens war Alexander Puschkin, der 1829 sein Gedicht „An eine Kalmückin“ schrieb:

Leb wohl, Kalmückin! Mich verführte/Dein hübscher Anblick um ein Haar./Daß ich beinahe kopflos war/Und deinem wagen nachkutschierte,/wär´s durch die ganze Steppe gar./Schmal sind zwar deine Augenlider,/Die Stirn ist breit, die Nase flach,/Trägst seidne Höschen nicht noch Mieder,/Auch ist Französisch nicht dein Fach./Zerkrümelst nicht so wie die Briten/das Brot vor deinem Samowar,/Hast nie um Shakespeare dich gestritten,/Bist nicht begeistert für Cinq-Mars,/Verspinnst dich nicht in Träumereien,/Fühlt sich dein Kopf gedankenleer,/Summst keine Arien vor dich her,/Tanzt nicht Galopp wie Hoflakaien…/Doch fühlte ich von deinem Bilde/Mich unbeschreiblich angetan,/Indessen man, du schöne Wilde,/Mir wechselte das Dreigespann,/Ja, Freunde, ist´s nicht stets das gleiche?/Taugt zu verliebtem Zeitvertreib/Die Modepuppe nur, die reiche?/Warum nicht ein Kalmückenweib?//

Deutsch von Martin Remané

 

Ja, warum eigentlich nicht? Zumal heute die Kalmykin in ihrer Bildung weder der Französin noch der Britin nachsteht. Und ganz zu schweigen von den seidenen Höschen, von deren Vorhandensein ich mich in den einschlägigen Geschäften überzeugen konnte. Die Frage allerdings bleibt, ob sich ein `Kalmückenweib´ mit verliebtem Zeitbvertreib zufrieden geben würde….

In Elista riecht es bei dreißig Wärmegraden geradezu nach Sand: nach Steppe, Halbwüste, Wüste. Wenn es nach mir ginge, müsste jetzt, gerade jetzt, hoch über der Stadt majestätisch ein Steppenadler kreisen. Aber nichts da, weit und breit blauer Himmel, nur zart verschleiert.

Übrigens: Das wohllautende `Elista´ wird auf dem i betont, was aber keinen Kalmyken daran hindert Eslistá zu sagen. Für mich steckt in dem Wort wo viel Musik, dass ich unwillkürlich an eine Märchenschöne denken muss, doch es heißt übersetzt Sand, einfach nur Sand.“

 

Dialog mit Puschkin (LESEPROBE aus: "Von der Wolga bis zum Pazifik")

 

„Wir sind im Puschkinpark mit David Kugultinow verabredet. Pünktlich auf die Minute erscheint der überall in der Sowjetunion bekannte Dichter: ein großer, kompakter Mann mit wehendem weißgrauen Kraushaar, buschig-schwarzen Augenbrauen, gutmütig durchdringendem Blick; die mehr als sechs Jahrzehnte seines Lebens haben in seinem Gesicht ihre prägenden Spuren hinterlassen. Deshalb wohl auch dieses Gedicht von ihm:

 

Das Leben hat bisher wohl kaum / je einem Menschen unvermindert / ganz ohne Abstrich, jeden Traum / erfüllt – auch nicht den Sonntagskindern. / Womit hätt ich verdient die Gunst des Schicksals? / Nein, ich sag es offen: /Dass sich erfülle jeder Wunsch – / ich wag es gar nicht erst zu hoffen! / Ein solches Recht steht mir nicht zu. / Ich neige mich vor dir und flehe / um eins, o Leben: Richte du / mich streng für jegliches Versehen,/doch die mir teuer sind und nah, / sollen verschont vom Schicksal bleiben! / Härter, als was mir je geschah, / wär sehn zu müssen, wie sie leiden.//

Deutsch von Natalie Sinner

 

Sein erstes Gedicht schrieb David Kugultinow mit zwölf Jahren, es wurde in der Betriebszeitung des Sowchos gedruckt. Sein Titel: `Laßt uns die Zeit des Kalbens erfolgreich nutzen´. Kugultinow erzählt amüsiert: `In diesem Gedicht legte ich nur die politischen Aufgaben fest, sondern ich gab auch praktische Hinweise. Da das Gedicht gedruckt worden war, fühlte ich mich als Dichter. Ich begann, schlecht zu lernen, dafür schrie ich jeden Tag ellenlange Poeme. Zwei Jahre später zogen wir nach Elista, da wurde ich aus meinen Illusionen gerissen. Ich hatte jedoch das Glück, zwei prächtige Menschen kennenzulernen: den kalmykischen Schriftsteller Baatr Bassongow und den ersten Nachdichter des `Dshangar´ ins Russische, Semjon Lipkin. Sie wiesen mir den Weg, den ich zu gehen hatte. Wenn auch die Füße bluteten, dieser Weg führte ins wahre Land der Poesie.“

Als David Kugultinow noch Schüler der 10. Klasse war, stellte er seine `Jungen Gedichte´ zu einem Band zusammen, der 1940 erschien. Im selben Jahr wurde er in den Schriftstellerverband der UdSSR aufgenommen. Mit achtzehn Jahren Mitglied des Schriftstellerverbandes! Zu damaliger Zeit war das möglich, „damit die kleinen Nationen“, um mit Michail Kalinin zu sprechen“, ihren nationalen Rücken aufrichten konnten“. Heute haben auch die kleinen sowjetischen Völker so großes Entgegenkommen nicht mehr nötig; denn gleiche Bildungsmöglichkeiten heißt auch für sie, gleiche Leistungen zu erbringen.

Kugultinow weist im Park auf die Stele mit dem eindrucksvollen Kopf Puschkins: ´Hier, ihm gegenüber ist mein Lieblingsplatz. Puschkin nannte den Kalmyken schon in einem Gedicht, als wir für die Welt noch gar nicht existierten.´ David Kugultinow meint diese Zeilen aus einem Gedicht Puschkins:

 

So weit sich Rußland dehnt, kennt jeder meine Muse. / Es nennt mich jedes Volk, das unser Volk umspannt: / Der Slawen stolzer Sproß, der Finne, der Tunguse / Und der Kalmück am Steppenrand.//

Deutsch von Hiller von Gaertringen

 

David Kugultinow ist Literat mit Leib und Seele. Größen der multinationalen Sowjetliteratur gehören zu seinen engen Freunden: der Kyrgyse Tschingis Aitmatow, der Balkare Kaisyn Kulijew, der Aware Rassul Gamsatow, der Baschkire Mustai Karim… `ein Feind ist schon zuviel, tausend Freunde noch zuwenig´, zitiert er ein kalmykisches Sprichwort.

Wenn ich David Kugultinow mit einem Wort charakterisieren müsste, würde ich zwischen `selbstbewusst´ und `schüchtern´ schwanken. Ich sage ihm das mit ein bisschen Herzklopfen, weil mir bange ist, wie er darauf reagieren wird. Er guckt mich ein Weilchen an, antwortet dann: `Natürlich bin ich selbstbewußt. Kürzlich erhielt ich einen Brief vom Oberbürgermeister der Stadt Hiroshima. Darin dankt er mir für mein Gedicht `Der Verstand in Aufruhr´. Er schreibt mir, daß dieses Gedicht ihm helfe im Kampf für den Frieden. Meine Absicht war es, in Diesem Gedicht den ganzen Schmerz eines Mannes auszudrücken, der im Krieg viel durchgemacht hat und alles tun möchte, daß sich ein Krieg nicht wiederholt.´

David Kugultinow stand im zweiten Studienjahr an der Pädagogischen Hochschule, als er zum Militärdienst einberufen wurde. Er erinnert sich: `Am 22. Juni 1941 befand sich unser Regiment gerade auf dem Übungsplatz. Da kam ein Melder auf schweißnassem Pferd herangaloppiert. Es wurde Alarm geblasen, und bis zu 9. Mai 1945 gab es auch für mich keine Entwarnung. Ich habe im Felde alles durchgemacht, was ein Soldat durchmachen kann.´

Oft quält ihn, daß er für Ereignisse, über die es ihn zu schreiben drängt, kein neues, einmaliges Wort finden kann. `In einem Spital in Hiroshima hab ich Kinder aus der dritten Generation nach der Atombombenexplosion vor Schmerzen schreien hören. Wie nur drückt man das so aus, daß alle Menschen auf der Welt aufschreien?´ (…)

Schüchtern, sagen Sie… mein Lehrer Baatr Bassongow hat einmal zu mir gesagt: `Davis, du musst stets schüchtern sein. Nimm dir kein Beispiel an jenen, die glauben, der Reim lasse sich überlisten und der Rhythmus komme von selbst. Du mußt dich zur Literatur wie ein Verliebter verhalten und, Verliebte sind immer schüchtern.´

Sollte es wirklich einmal so aussehen, als sei ich eingebildet geworden, ist bestimmt meine Mutter zur Stelle, die mich daran erinnert, wie ich früher war, und mich streng ermahnt: `Sei nicht hochnäsig…´

Gegenwärtig schreibt der vielmals ausgezeichnete Dichter an einem Poem über Alexander Puschkin. Der Arbeitstitel heißt `Die letzte Nacht vor dem Tode´. `Darin unterhalte ich mich mit Puschkin, ich, der Deputierte des Obersten Sowjets und ein Dichter Kalmykiens aus dem 20. Jahrhundert.´"                                                                                                 

 

  

Rezensionen und Literaturhinweise (Auswahl) zu den KALMYKEN

 

Rezension in meiner Webseite www.reller-rezensionen.de

 

* Edeltraud Maier-Lutz, Flußkreuzfahrten in Rußland, Unterweg auf Wolga, Don, Jenissej und Lena, Trescher-Reihe Reisen, herausgegeben von Sabine Fach und Bernd Schwen

 

Literaturhinweise (Auswahl)

 

Roderich von Erckert, Der Kaukasus und seine Völker, Mit Textabbildungen, etc., Verlag von Paul Frohberg, Leipzig, 1887.

Aus der Einführung: "Ein zweijähriger Aufenthalt auf dem Kaukasus in höherer militärischer Stellung, gab durch dienstliche und private zu wissenschaftlichem Zweck unternommene ausgedehnte Reisen die Möglichkeit und Gelegenheit, Land und Leute in verschiedenen Gegenden und Gruppen zu erforschen und für vieles eine Anschauung zu gewinnen, was ausserhalb der gewöhnlichen Reiserouten liegt. Wenn die Schilderung freilich ein zusammenhängendes, umfassendes Ganzes bilden kann, so darf sie vielleicht den Anspruch erheben, einigen Werth darin zu besitzen, dass sie auf an Ort und Stelle gesammelten persönlichen Angaben und Eindrücken beruht, dass mit eigenen Augen geschaut, mit eigenem Ohr gehört wurde. (...) Anstrengung, Zeit und materielle Opfer, selbst Gefahr bei lokalen Schwierigkeiten wurden nicht gescheut, - in erster Linie aber anthropologische und ethnographische Forschungen angestellt, um möglichst alle noch wenige bekannte oder in vielem unbekannte Völker und Volksstämme auf dem Kamm des Gebirges und dessen Nordabhängen zu besuchen."

* Die goldene Schale und andere Märchen der Völker der Sowjetunion, darin: das kalmykische Märchen "Der Schütze und der Khan Zarkin",  aus dem Russischen von H. Eschwege und L. Labas, Verlag Progess, Moskau 1975 (?).

 

1. Streifenornament

 

 

 

 

Bibliographie zu Gisela Reller

 

Bücher als Autorin:

 

Länderbücher:

 

* Zwischen Weißem Meer und Baikalsee, Bei den Burjaten, Adygen und Kareliern,  Verlag Neues Leben, Berlin 1981, mit Fotos von Heinz Krüger und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Diesseits und jenseits des Polarkreises, bei den Südosseten, Karakalpaken, Tschuktschen und asiatischen Eskimos, Verlag Neues Leben, Berlin 1985, mit Fotos von Heinz Krüger und Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Von der Wolga bis zum Pazifik, bei Tuwinern, Kalmyken, Niwchen und Oroken, Verlag der Nation, Berlin 1990, 236 Seiten mit Fotos von Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

Biographie:

 

* Pater Maksimylian Kolbe, Guardian von Niepokalanów und Auschwitzhäftling Nr. 16 670, Union Verlag, Berlin 1984, 2. Auflage.

 

 

... als Herausgeberin:

 

Sprichwörterbücher:

 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

Aphorismenbuch:

* 666 und sex mal Liebe, Auserlesenes, 2. Auflage, Mitteldeutscher Verlag Halle/Leipzig, 200 Seiten mit Vignetten und Illustrationen von Egbert Herfurth.

 

... als Mitautorin:

 

Kinderbücher:

 

* Warum? Weshalb? Wieso?, Ein Frage-und-Antwort-Buch für Kinder, Band 1 bis 5, Herausgegeben von Carola Hendel, reich illustriert, Verlag Junge Welt, Berlin 1981 -1989.

 

Sachbuch:

 

* Die Stunde Null, Tatsachenberichte über tapfere Menschen in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges, Hrsg. Ursula Höntsch, Verlag der Nation 1966.

 

* Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Herausgegeben von Leonhard Kossuth unter Mitarbeit von Gotthard Neumann, Nora Verlag 2008.

 

 

... als Verantwortliche Redakteurin

 

* Leben mit der Erinnerung, Jüdische Geschichte in Prenzlauer Berg, Edition  Hentrich, Berlin 1997, mit zahlreichen Illustrationen.

 

* HANDSCHLAG, Vierteljahreszeitung für deutsche Minderheiten im Ausland, Herausgegeben vom Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Berlin 1991 - 1993.

 

 

 

Die erste Ausgabe von HANDSCHLAG liegt vor. Von links: Dr. Gotthard Neumann, Leonhard Kossuth (Präsident), Horst Wustrau

(Gestalter von HANDSCHLAG), Gisela Reller, Dr. Erika Voigt

(Mitarbeiter des Kuratoriums zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V.).

Foto aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

 

 

 

2. Streifenornament

 

 

 

 

Pressezitate (Auswahl) zu Gisela Rellers Buchveröffentlichungen:

Dieter Wende in der „Wochenpost“ Nr. 15/1985:

„Es ist schon eigenartig, wenn man in der Wüste Kysyl-Kum von einem Kamelzüchter gefragt wird: `Kennen Sie Gisela Reller?´ Es ist schwer, dieser Autorin in entlegenen sowjetischen Regionen zuvorzukommen. Diesmal nun legt sie mit ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik Berichte aus Kalmykien, Tuwa und von der Insel Sachalin vor. Liebevolle und sehr detailgetreue Berichte auch vom Schicksal kleiner Völker. Die ethnografisch erfahrene Journalistin serviert Besonderes. Ihre Erzählungen vermitteln auch Hintergründe über die Verfehlungen bei der Lösung des Nationalitätenproblems.“

B(erliner) Z(eitung) am Abend vom 24. September 1981:

"Gisela Reller, Mitarbeiterin der Illustrierten FREIE WELT, hat autonome Republiken und gebiete kleiner sowjetischer Nationalitäten bereist: die der Burjaten, Adygen und Karelier. Was sie dort ... erlebte und was Heinz Krüger fotografierte, ergíbt den informativen, soeben erschienenen Band Zwischen Weißem Meer und Baikalsee."

Sowjetliteratur (Moskau)Nr. 9/1982:

 "(...) Das ist eine lebendige, lockere Erzählung über das Gesehene und Erlebte, verflochten mit dem reichhaltigen, aber sehr geschickt und unaufdringlich dargebotenen Tatsachenmaterial. (...) Allerdings verstehe ich sehr gut, wie viel Gisela Reller vor jeder ihrer Reisen nachgelesen hat und wie viel Zeit nach der Rückkehr die Bearbeitung des gesammelten Materials erforderte. Zugleich ist es ihr aber gelungen, die Frische des ersten `Blickes´ zu bewahren und dem Leser packend das Gesehene und Erlebte mitzuteilen. (...) Es ist ziemlich lehrreich - ich verwende bewusst dieses Wort: Vieles, was wir im eigenen Lande als selbstverständlich aufnehmen, woran wir uns ja gewöhnt haben und was sich unserer Aufmerksamkeit oft entzieht, eröffnet sich für einen Ausländer, sei es auch als Reisender, der wiederholt in unserem Lande weilt, sozusagen in neuen Aspekten, in neuen Farben und besitzt einen besonderen Wert. (...) Mir gefällt ganz besonders, wie gekonnt sich die Autorin an literarischen Quellen, an die Folklore wendet, wie sie in den Text ihres Buches Gedichte russischer Klassiker und auch wenig bekannter nationaler Autoren, Zitate aus literarischen Werken, Märchen, Anekdoten, selbst Witze einfügt. Ein treffender während der Reise gehörter Witz oder Trinkspruch verleihen dem Text eine besondere Würze. (...) Doch das Wichtigste im Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee sind die Menschen, mit denen Gisela Reller auf ihren Reisen zusammenkam. Unterschiedlich im Alter und Beruf, verschieden ihrem Charakter und Bildungsgrad nach sind diese Menschen, aber über sie alle vermag die Autorin kurz und treffend mit Interesse und Sympathie zu berichten. (...)"

Neue Zeit vom 18. April 1983:

„In ihrer biographischen Skizze über den polnischen Pater Maksymilian Kolbe schreibt Gisela Reller (2. Auflage 1983) mit Sachkenntnis und Engagement über das Leben und Sterben dieses außergewöhnlichen Paters, der für den Familienvater Franciszek Gajowniczek freiwillig in den Hungerbunker von Auschwitz ging.“

Der Morgen vom 7. Februar 1984:

„`Reize lieber einen Bären als einen Mann aus den Bergen´. Durch die Sprüche des Kaukasischen Spruchbeutels weht der raue Wind des Kaukasus. Der Spruchbeutel erzählt auch von Mentalitäten, Eigensinnigkeiten und Bräuchen der Adygen, Osseten und Dagestaner. Die Achtung vor den Alten, die schwere Stellung der Frau, das lebensnotwendige Verhältnis zu den Tieren. Gisela Reller hat klug ausgewählt.“

1985 auf dem Solidaritätsbasar auf dem Berliner Alexanderplatz: Gisela Reller (vorne links) verkauft ihren „Kaukasischen Spruchbeutel“ und 1986 das extra für den Solibasar von ihr herausgegebene Sprichwörterbuch „Dein Freund ist Dein Spiegel“.

Foto: Alfred Paszkowiak

 Neues Deutschland vom 15./16. März 1986:

"Vor allem der an Geschichte, Bräuchen, Nationalliteratur und Volkskunst interessierte Leser wird manches bisher `Ungehörte´ finden. Er erfährt, warum im Kaukasus noch heute viele Frauen ein Leben lang Schwarz tragen und was es mit dem `Ossetenbräu´ auf sich hat, weshalb noch 1978 in Nukus ein Eisenbahnzug Aufsehen erregte und dass vor Jahrhunderten um den Aralsee fruchtbares Kulturland war, dass die Tschuktschen vier Begriff für `Freundschaft´, aber kein Wort für Krieg besitzen und was ein Parteisekretär in Anadyr als notwendigen Komfort, was als entbehrlichen Luxus ansieht. Großes Lob verdient der Verlag für die großzügige Ausstattung von Diesseits und jenseits des Polarkreises.“

 

 Gisela Reller während einer ihrer über achthundert Buchlesungen

in der Zeit von 1981 bis 1991.

Berliner Zeitung vom 2./3. Januar 1988:

„Gisela Reller hat klassisch-deutsche und DDR-Literatur auf Liebeserfahrungen durchforscht und ist in ihrem Buch 666 und sex mal Liebe 666 und sex mal fündig geworden. Sexisch illustriert, hat der Mitteldeutsche Verlag Halle alles zu einem hübschen Bändchen zusammengefügt.“

Neue Berliner Illustrierte (NBI) Nr. 7/88:

„Zu dem wohl jeden bewegenden Thema finden sich auf 198 Seiten 666 und sex mal Liebe mannigfache Gedanken von Literaten, die heute unter uns leben, sowie von Persönlichkeiten, die sich vor mehreren Jahrhunderten dazu äußerten.“

Das Magazin Nr. 5/88.

"`Man gewöhnt sich daran, die Frauen in solche zu unterscheiden, die schon bewusstlos sind, und solche, die erst dazu gemacht werden müssen. Jene stehen höher und gebieten dem Gedenken. Diese sind interessanter und dienen der Lust. Dort ist die Liebe Andacht und Opfer, hier Sieg und Beute.´ Den Aphorismus von Karl Kraus entnahmen wir dem Band 666 und sex mal Liebe, herausgegeben von Gisela Reller und illustriert von Egbert Herfurth."

 

 

Schutzumschlag zum „Buch 666 und sex mal Liebe“

Zeichnung: Egbert Herfurth

 

FÜR DICH, Nr. 34/89:

 

"Dem beliebten Büchlein 666 und sex mal Liebe entnahmen wir die philosophischen und frechen Sprüche für unser Poster, das Sie auf dem Berliner Solidaritätsbasar kaufen können. Gisela Reller hat die literarischen Äußerungen zum Thema Liebe gesammelt, Egbert Herfurth hat sie trefflich illustriert."

Messe-Börsenblatt, Frühjahr 1989:

"Die Autorin – langjährige erfolgreiche Reporterin der FREIEN WELT - ist bekannt geworden durch ihre Bücher Zwischen Weißem Meer und Baikalsee und Diesseits und jenseits des Polarkreises. Diesmal schreibt die intime Kennerin der Sowjetunion in ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik über die Kalmyken, Tuwiner und die Bewohner von Sachalin, also wieder über Nationalitäten und Völkerschaften. Ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird uns in fesselnden Erlebnisberichten nahegebracht."

Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel schrieb ich in der Ausgabe 49 vom 7. Dezember 1982 unter der Überschrift „Was für ein Gefühl, wenn Zuhörer Schlange stehen“:

„Zu den diesjährigen Tagen des sowjetischen Buches habe ich mit dem Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee mehr als zwanzig Lesungen bestritten. (…) Ich las vor einem Kreis von vier Personen (in Klosterfelde) und vor 75 Mitgliedern einer DSF-Gruppe in Finow; meine jüngsten Zuhörer waren Blumberger Schüler einer 4. Klasse, meine älteste Zuhörerin (im Schwedter Alten- und Pflegeheim) fast 80 Jahre alt. Ich las z.B. im Walzwerk Finow, im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder, im Petrolchemischen Kombinat Schwedt; vor KIM-Eiersortierern in Mehrow, vor LPG-Bauern in Hermersdorf, Obersdorf und Bollersdorf; vor zukünftigen Offizieren in Zschopau; vor Forstlehrlingen in Waldfrieden; vor Lehrlingen für Getreidewirtschaft in Kamenz, vor Schülern einer 7., 8. und 10 Klasse in Bernau, Schönow und Berlin; vor Pädagogen in Berlin, Wandlitz, Eberswalde. - Ich weiß nicht, was mir mehr Spaß gemacht hat, für eine 10. Klasse eine Geographiestunde über die Sowjetunion einmal ganz anders zu gestalten oder Lehrern zu beweisen, dass nicht einmal sie alles über die Sowjetunion wissen – was bei meiner Thematik – `Die kleinen sowjetischen Völkerschaften!´ – gar nicht schwer zu machen ist. Wer schon kennt sich aus mit Awaren und Adsharen, Ewenken und Ewenen, Oroken und Orotschen, mit Alëuten, Tabassaranern, Korjaken, Itelmenen, Kareliern… Vielleicht habe ich es leichter, Zugang zu finden als mancher Autor, der `nur´ sein Buch oder Manuskript im Reisegepäck hat. Ich nämlich schleppe zum `Anfüttern´ stets ein vollgepacktes Köfferchen mit, darin von der Tschuktschenhalbinsel ein echter Walrosselfenbein-Stoßzahn, Karelische Birke, burjatischer Halbedelstein, jakutische Rentierfellbilder, eskimoische Kettenanhänger aus Robbenfell, einen adygeischen Dolch, eine karakalpakische Tjubetejka, der Zahn eines Grauwals, den wir als FREIE WELT-Reporter mit harpuniert haben… - Schön, wenn alles das ganz aufmerksam betrachtet und behutsam befühlt wird und dadurch aufschließt für die nächste Leseprobe. Schön auch, wenn man schichtmüde Männer nach der Veranstaltung sagen hört: `Mensch, die Sowjetunion ist ja interessanter, als ich gedacht habe.´ Oder: `Die haben ja in den fünfundsechzig Jahren mit den `wilden´ Tschuktschen ein richtiges Wunder vollbracht.´ Besonders schön, wenn es gelingt, das `Sowjetische Wunder´ auch denjenigen nahezubringen, die zunächst nur aus Kollektivgeist mit ihrer Brigade mitgegangen sind. Und: Was für ein Gefühl, nach der Lesung Menschen Schlange stehen zu sehen, um sich für das einzige Bibliotheksbuch vormerken zu lassen. (Schade, wenn man Kauflustigen sagen muss, dass das Buch bereits vergriffen ist.) – Dank sei allen gesagt, die sich um das zustande kommen von Buchlesungen mühen – den Gewerkschaftsbibliothekaren der Betriebe, den Stadt- und Kreisbibliothekaren, den Buchhändlern, die oft aufgeregter sind als der Autor, in Sorge, `dass auch ja alles klappt´. – Für mich hat es `geklappt´, wenn ich Informationen und Unterhaltung gegeben habe und Anregungen für mein nächstes Buch mitnehmen konnte.“

Die Rechtschreibung der Texte wurde behutsam der letzten Rechtschreibreform angepasst.

Die KALMYKEN wurden am 13.11.2014  ins Netz gestellt. Die letzte Bearbeitung erfolgte am 16.01.2016.

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Zeichnung: Karl-Heinz Döhring