Vorab!

Leider kommt im Internet bei meinem (inzwischen veralteten) FrontPage-Programm  längst nicht alles so, wie von mir in html angegeben. Farben kommen anders, als von mir geplant, Satzbreiten wollen nicht so wie von mir markiert, Bilder kommen manchmal an der falschen  Stelle, und - wenn  ich  Pech  habe  -  erscheint  statt  des  Bildes  gar  eine  Leerstelle.

Was tun? Wer kann helfen?

 

*

Wird laufend bearbeitet!

 

 

Ich bin eine Darginerin: Die .

 

Foto:

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring

 

"Die Seele, denke ich, hat keine Nationalität."

Juri Rytchëu (tschuktschischer Schriftsteller, 1930 bis 2008) in: Im Spiegel des Vergessens, 2007

 

Wenn wir für das eine Volk eine Zuneigung oder gegen das andere eine Abneigung hegen, so beruht das, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, auf dem, was wir von dem jeweiligen Volk wissen oder zu wissen glauben. Das ist – seien wir ehrlich – oft sehr wenig, und manchmal ist dieses Wenige auch noch falsch.  

Ich habe für die Berliner Illustrierte FREIE WELT jahrelang die Sowjetunion bereist, um – am liebsten - über abwegige Themen zu berichten: über Hypnopädie und Suggestopädie, über Geschlechtsumwandlung und Seelenspionage, über Akzeleration und geschlechtsspezifisches Kinderspielzeug... Außerdem habe ich mit jeweils einem deutschen und einem Wissenschaftler aus dem weiten Sowjetland vielteilige Lehrgänge erarbeitet.* Ein sehr interessantes Arbeitsgebiet! Doch 1973, am letzten Abend meiner Reise nach Nowosibirsk – ich hatte viele Termine in Akademgorodok, der russischen Stadt der Wissenschaften – machte ich einen Abendspaziergang entlang des Ob. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich zwar wieder viele Experten kennengelernt hatte, aber mit der einheimischen Bevölkerung kaum in Kontakt gekommen war.  

Da war in einem magischen Moment an einem großen sibirischen Fluss - Angesicht in Angesicht mit einem kleinen (grauen!) Eichhörnchen - die große FREIE WELT-Völkerschafts-Serie** geboren!  

Und nun reiste ich ab 1975 jahrzehntelang zu zahlreichen Völkern des Kaukasus, war bei vielen Völkern Sibiriens, war in Mittelasien, im hohen Norden, im Fernen Osten und immer wieder auch bei den Russen. 

Nach dem Zerfall der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zog es mich – nach der wendegeschuldeten Einstellung der FREIEN WELT***, nun als Freie Reisejournalistin – weiterhin in die mir vertrauten Gefilde, bis ich eines Tages mehr über die westlichen Länder und Völker wissen wollte, die man mir als DDR-Bürgerin vorenthalten hatte.

Nach mehr als zwei Jahrzehnten ist nun mein Nachholebedarf erst einmal gedeckt, und ich habe das Bedürfnis, mich wieder meinen heißgeliebten Tschuktschen, Adygen, Niwchen, Kalmyken und Kumyken, Ewenen und Ewenken, Enzen und Nenzen... zuzuwenden. 

Deshalb werde ich meiner Webseite www.reller-rezensionen.de (mit inzwischen weit mehr als fünfhundert Rezensionen), die seit 2002 im Netz ist, ab 2013 meinen journalistischen Völkerschafts-Fundus von fast einhundert Völkern an die Seite stellen – mit ausführlichen geographischen und ethnographischen Texten, mit Reportagen, Interviews, Sprichwörtern, Märchen, Gedichten, Literaturhinweisen, Zitaten aus längst gelesenen und neu erschienenen Büchern; so manches davon, teils erstmals ins Deutsche übersetzt, war bis jetzt – ebenfalls wendegeschuldet – unveröffentlicht geblieben. 

Sollten sich in meinem Material Fehler oder Ungenauigkeiten eingeschlichen haben, teilen Sie mir diese bitte am liebsten in meinem Gästebuch oder per E-Mail gisela@reller-rezensionen.de mit. Überhaupt würde ich mich über eine Resonanz meiner Nutzer freuen!

Gisela Reller 

    * Lernen Sie Rationelles Lesen" / "Lernen Sie lernen" / "Lernen Sie reden" / "Lernen Sie essen" / "Lernen Sie, nicht zu rauchen" / "Lernen Sie schlafen" / "Lernen Sie logisches Denken"...

 

  ** Im 1999 erschienenen Buch „Zwischen `Mosaik´ und `Einheit´. Zeitschriften in der DDR“ von Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis (Hrsg.), erschienen im Berliner Ch. Links Verlag, ist eine Tabelle veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Völkerschaftsserie der FREIEN WELT von neun vorgegebenen Themenkreisen an zweiter Stelle in der Gunst der Leser stand – nach „Gespräche mit Experten zu aktuellen Themen“.

(Quelle: ZA Universität Köln, Studie 6318)

 

*** Christa Wolf zur Einstellung der Illustrierten FREIE WELT in ihrem Buch "Auf dem Weg nach Tabou, Texte 1990-1994", Seite 53/54: „Aber auf keinen Fall möchte ich den Eindruck erwecken, in dieser Halbstadt werde nicht mehr gelacht. Im Gegenteil! Erzählt mir doch neulich ein Kollege aus meinem Verlag (Helmut Reller) – der natürlich wie zwei Drittel der Belegschaft längst entlassen ist –, daß nun auch seine Frau (Gisela Reller), langjährige Redakteurin einer Illustrierten (FREIE WELT) mitsamt der ganzen Redaktion gerade gekündigt sei: Die Zeitschrift werde eingestellt. Warum wir da so lachen mußten? Als im Jahr vor der `Wende´ die zuständige ZK-Abteilung sich dieser Zeitschrift entledigen wollte, weil sie, auf Berichterstattung aus der Sowjetunion spezialisiert, sich als zu anfällig erwiesen hatte, gegenüber Gorbatschows Perestroika, da hatten der Widerstand der Redaktion und die Solidarität vieler anderer Journalisten das Blatt retten können. Nun aber, da die `Presselandschaft´ der ehemaligen DDR, der `fünf neuen Bundesländer´, oder, wie der Bundesfinanzminister realitätsgerecht sagt: `des Beitrittsgebiets´, unter die vier großen westdeutschen Zeitungskonzerne aufgeteilt ist, weht ein schärferer Wind. Da wird kalkuliert und, wenn nötig, emotionslos amputiert. Wie auch die Lyrik meines Verlages (Aufbau-Verlag), auf die er sich bisher viel zugute hielt: Sie rechnet sich nicht und mußte aus dem Verlagsprogramm gestrichen werden. Mann, sage ich. Das hätte sich aber die Zensur früher nicht erlauben dürfen! – "Das hätten wir uns von der auch nicht gefallen lassen", sagt eine Verlagsmitarbeiterin.

Wo sie recht hat, hat sie recht.“

      

 

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring

 

Reisezitat

 

 

 

 

 

 

Wenn Sie sich die folgenden Texte zu Gemüte geführt und Lust bekommen haben, Dagestan zu bereisen und auch die DARGINER kennenzulernen, sei Ihnen das Reisebüro ? empfohlen; denn – so lautet ein darginisches Sprichwort -

 

 

Vom Ofen aus kannst du die Welt nicht sehen.

 

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Die DARGINER… (Eigenbezeichnung: dargan)

Dagestan ist die älteste Wiege vieler Völker und Völkerschaften des Kaukasus. In ihrer nationalen Zusammensetzung ist diese Teilrepublik Russlands einmalig! Hier leben Dutzende ethnische Gruppen und Völkerschaften. Ich werde über die Agulen, Awaren, Darginer (und Kubatschinzen), Kumyken, Lakier, Lesginer, Nogaier, Rutulen Tabassaraner, Taten und Zachuren berichten. Dagestan ist die einzige der russischen Kaukasusrepubliken, die ihren Namen nicht von einem Volk ableitet. "Dagestan" heißt Bergland und gilt mit seinen 50 300 Quadratkilometern ethnographisch als Region der Rekorde, denn 1,9 Millionen Einwohner teilen sich auf in zwölf Hauptnationalitäten mit eigener Amtssprache und Dutzende kleinere Ethnien mit kompakten Siedlungsgebieten. Neben kaukasischen finden sich indoeuropäische, semitische und altaiische Sprachen. Ethnische Hauptgruppen sind die Awaren (28 Prozent), die Darginer (16 Prozent), die Kumyken (13 Prozent) und die Lesginerer (11 Prozent). Auch sechzigtausend Tschetschenen siedeln in der überwiegend stark gebirgigen dagestanischen Republik.- Die Darginer bewohnen den zentralen Teil Dagestans (das Gebirgsvorland, teilweise die Gebirgsgegenden und Niederungen). Und das ist kaum erstaunlich, denn auf dem Territorium des heutigen Dagestans existierten sehr alte Kulturen. Im Gebirgsteil Dagestans herrschte im 6. bis 9. Jahrhundert eine Dynastie der frühen Christen, die mit den persischen Herrschern verwandt war. Dagegen lebten in den nördlichen, ebenen Gegenden Dagestans die Chasaren. Seit dem 7. Jahrhundert begann sich der Islam im östlichen Kaukasus zu verbreiten. Im Jahr 1239 fielen tatarisch-mongolische Krieger in Dagestan ein.

 

Dagestan setzt sich aus einem flachen Nordteil, der Nogaiersteppe, dem Kaukasusvorland sowie einem gebirgigen Südteil zusammen. Der höchste Berg ist mit 4466 Metern der Bazardüzü (Basardjusi) an der Grenze zu Aserbaidschan, an das die Republik im Süden grenzt. Im Südwesten grenzt Dagestan an Georgien,  im Westen an Tschetschenien und im Norden an Kalmykien und die Region Stawropol. Im Osten besitzt Dagestan eine lange Küste am Kaspischen Meer. Die wichtigsten Flüsse sind der Terek, der Sulak und der Samur, der Grenzfluss zu Aserbaidschan. In Dagestan liegt der südlichste Punkt der Russischen Föderation.

Dagestanische Völker sind: Die Agulen, Awaren, Darginer, Kumyken, Lakier, Lesginer Nogaier, Rutulen, Tabassaraner, Taten,

                                                                                            Zachuren.

Bevölkerung: 

Mit den Darginern - den sogenannten eigentlichen Darginern sind sprachlich, kulturell und in der Lebensweise verwandt die Chaigakanen (auch: Kaitaken) und die Kubatschinzen, Selbstbezeichnung: Urbugan, die nur einen Ort, den Bergaul Kubatschi, besiedeln.

 

Besonderheit innerhalb Dagestans: Nur bei den Darginern ist auch Blau die Farbe der Trauer; den Frauen ist das Tragen der Trauerkleidung drei Jahre lang vorgeschrieben, den Männern nur vierzig Tage.

 

Fläche:

Geschichtliches:

Staatsgefüge:

Verbannungsgebiet:

Hauptstadt:

Wirtschaft: Die wichtigsten Wirtschaftszweige der Darginer sind der Ackerbau, die Viehzucht und der Gartenbau. Seit frühen Zeiten sind auch die Handwerke und die Hausgewerbe entwickelt. Allerorts sind die Goldschmiede der Ortschaft Kubatschi berühmt. Schon arabische Reisende beschrieben im 9. und 10. Jahrhundert die Meisterschaft der Handwerker aus Kubatschi. In jenen Zeiten trug dieser Ort einen persischen Namen „Sirihgeran“, was „Kettenhemdenmacher“ bedeutete. Die Ortsbezeichnung „Kubatschi“ ist türkischen Ursprungs. Im Mittelalter befand sich hier das Zentrum einer reichen islamischen Kunstkultur. Die Meister gaben ihre Berufsgeheimnisse von Generation zu Generation weiter, und so überlebten sie Jahrhunderte. Auch heute ist die Tradition des Gold- und Silberschmucks mit dem berühmten Kubatschi-Ornament lebendig. Im Louvre, in der Eremitage und in anderen Schatzkammern der Welt sind Sammlungen der hier hergestellten Waffen und Juweliererzeugnisse zu sehen.

Verkehr:  

Sprache/Schrift: Seit 1938 existiert das darginische Schrifttum auf der Basis des kyrillischen Alphabets, zuvor waren es das lateinische Alphabet, und  noch früher – die persische Schrift.

Literatursprache/Literatur:

Bildung:

Kultur/Kunst: In der kubatschinzischen Kunst sind alle drei Arten der Ornamentik vertreten: das geometrische Ornament, das Pflanzen- und Tierornament.

 

Wissenschaftler glauben, zwanzig Hauptelemente erkannt zu haben, mit denen man jedes fertige Ornament `lesen´ kann. In zehn Schuljahren erlernen Kubatschis Kinder die Kubatschinzer Ornamentik: vom Ausführen einfacher Linien bis zur Prüfungsarbeit - ein Erzeugnis aus Silber.

Aus: FREIE WELT 21/1982

 

 

 

Silberkanne mit Niello* aus Kubatschi.

Foto aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

 

* Niello = eine Verzierung auf Silber, seltener Gold, in neuerer Zeit auch auf Kupfer und Bronze, welche in eingravierten oder durch Stahlplatten eingepressten mit einer Art schwarzer Farbe ausgefüllten Zeichnungen besteht.

 

Gesundheitswesen:

Klima:

Natur/Umwelt:

Pflanzen- und Tierwelt:

Behausungen: Die Häuser stehen im Gebirge dicht aneinander gedrängt auf den Bergterrassen. Das Dach eines Hauses dient zuweilen einem anderen als Hof, weshalb ein darginisches Sprichwort lautet: „Ein naher Nachbar ist besser als ein ferner Bruder.“

 

 

 

 

 

 

Typische Stützpfosten für darginische Häuser aus dem 18. bis Anfang des 20. Jahrhunderts.

Strichzeichnung von Inge Brüx aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

 

Ernährung:

Kleidung:

Folklore:

Feste/Bräuche: Die Darginen besitzen viele Bräuche. Einen besonderen Status besitzen  darunter zwei: der Brauch der Gastfreundschaft und die Achtung der alten Menschen. In gewissem Maße ist der Brauch der Gastfreundschaft allen Völkern eigen. Doch bei den Darginen ist die Gastfreundschaft die größte Tugend. Ein Gast wird einen Hausherrn nie überraschen können. Im Hause, in dem sich ein Gast aufhält, müssen Ruhe und Ordnung herrschen. Der Gast bekommt das beste Bett und das beste Essen. Selbst ein kleines Kind, das im Hause eine Süßigkeit entdeckt, fragt stets, ob sie  für Gäste bestimmt sei. Nach altem Brauch wird in den Bergen des Kaukasus der Neuankömmling in den ersten drei Tagen als Gast betrachtet, am vierten Tag aber schon dem Hausherrn gleichgestellt. - Das beliebteste Fest der Darginer ist "Das Fest der ersten Ackerfurche". Überhaupt verhalten sich die Darbiner gegenüber der Natur sehr liebevoll. Zu diesem Thema gibt es  eine hübsche kleine Geschichte: In einem Aul stand ein Haus in Flammen. Alle Bewohner des Auls schleppten Wasser aus der einzigen Quelle zum Löschen. Da bemerkten die Menschen, wie eine Schwalbe zur Quelle fliegt, mit ihrem Schnabel Wasser schöpft, zum brennenden Haus fliegt und einen Tropfen Wasser ins Feuer fallen lässt, und dann erneut zur Quelle fliegt. Die Menschen fragten sie: „Schwalbe! Dem ganzen Aul gelingt es nicht, den Brand zu löschen, was kannst du kleiner Vogel da tun?“ - „In diesem Haus ist mein Nest. Außerdem hat der Hausherr jeden Morgen mein Lied gehört“, sagte die kleine Schwalbe und flog erneut zur Quelle.

Religion:

Ereignisse nach dem Zerfall der Sowjetunion, sofern sie nicht bereits oben aufgeführt sind:

Kontakte zur Bundesrepublik Deutschland:

 

 

Interessant, zu wissen..., dass in Dagestan ein Bürgerkrieg tobt, über den die Welt kaum etwas weiß.

Seit dem Ende der Sowjetunion sind in Dagestan über dreihundert Polizisten erschossen oder bei Sprengstoffattentaten getötet worden – auch der dagestanische Innenminister wurde ermordet. Allein 2012 wurden einhundertzehn Angehörige der Sicherheitskräfte getötet, Geheimdienstler und Soldaten. In Afghanistan wurden im selben Zeitraum dreihundertzehn US-Soldaten getötet. Dabei hat Afghanistan zehn Mal so viele Einwohner wie Dagestan, wo nur drei Millionen Menschen leben. Bisher hat die Gewalt in Dagestan kaum jemanden interessiert. Sie wird nicht einmal in Moskau wahrgenommen – als wäre Dagestan fernes Ausland. Nur wenn der Terror die Grenzen der Republik verlässt, schreckt die Außenwelt hoch.

Und wenn der Süden süß wie Zucker ist, die Heimat ist allemal süßer.

Sprichwort der Darginer

 

Die DARGINER: Für Liebhaber kurzer Texte

Die Darginer sind ein autochthones kaukasisches Volk, in Dagestan lebend. Gleich einem mit Wein gefüllten Trinkhorn ging dagestanisches Land Jahrhunderte lang von Feindeshand zu Feindeshand. So gehörte es im 7. Jahrhundert zum Chasarischen Khaganat, wurde im 8. Jahrhundert von den Arabern erobert, im 13. Jahrhundert von Mongolenhorden unterworfen; seit dem 15. Jahrhundert standen die Darginer zum Teil unter der Herrschaft der ihnen verwandten Kaitaken , die wie das kleine Volk der Kubatschinzen inzwischen zu den Darginern gezählt werden. Im 16. Jahrhundert war Dagestan Streitobjekt zwischen der Türkei und Persien. Unter russische Herrschaft kamen die Darginer zu beginn des 19. Jahrhunderts. Seitdem haben sie sich neben dem Ackerbau auch der Viehzucht verschrieben, neu ist der Anbau von Obst und Gemüse; von den in den Sprichwörtern auftauchenden Aprikosen und Apfelsinen allerdings müssen die Darginer bei den südlicheren Kaukasiern genascht haben. - Das Darginische gehört zur darginisch-lakischen Untergruppe der nordostkaukasischen Sprachen. Von den fast zweihundertneunzigtausend Darginern sind nur vierhundert Personen Kubatschinzen. Ihr einziger Wohnort ist Kubatschi, das traditionsträchtigste Bergdorf des traditionsreichen Dagestan. Hier gibt es heute noch den Monat der Brautschau, an dem sich die Kubatschinzen als zukünftige Frau unbedingt eine Kubatschinzin aussuchen. Hier gibt es keinen Mann, der nicht kubatschinzische Ornamente zu ziselieren verstünde; schon arabische Autoren des Mittelalters verwandten für die Benennung der Leute von Kubatschi den persischen Namen Sirechgeran, was übersetzt etwa "Kettenmacher" bedeutet. Seit dem 17. Jahrhundert bürgerte sich Kubatschi und Kubatschinzen ein, der türkischen Sprache entlehnt, dem persischen Begriff etwa gleichbedeutend. Nur hier ist der Brauch überkommen, den Donnerstag - den Basartag - als Sonntag zu begehen. Und: Hier dürfen nach althergebrachter Sitte drei Tage und drei Nächte lang nur die Männer zwischen uralten Grabsteinen mit uralten Inschriften eines Dahingeschiedenen gedenken- Frauen haben keinen Zutritt in dieses altmoslemische Totenreich.

Diesen unveröffentlichten Text habe ich geschrieben, als ich für das

Bibliographische Institut in Leipzig von 1986 bis 1991 ein Sprichwörterbuch von fünfzig Völkern der (ehemaligen) Sowjetunion erarbeitete,

das wegen des Zerfalls der Sowjetunion nicht mehr erschienen ist.

Als Journalistin der Illustrierten FREIE WELT – die als Russistin ihre Diplomarbeit über russische Sprichwörter geschrieben hat - habe ich auf allen meinen Reportagereisen in die Sowjetunion jahrzehntelang auch Sprichwörter der dort ansässigen Völker gesammelt - von den Völkern selbst,  von einschlägigen Wissenschaftlern und Ethnographen, aus Büchern ... - bei einem vierwöchigen Aufenthalt in Moskau saß ich Tag für Tag in der Leninbibliothek. So ist von mir erschienen: 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

Hier fünfzig darginische Sprichwörter: 

(Unveröffentlicht)

 

Anglern und Jägern ist der Mund nicht zu stopfen.

Ein Angsthast ist leicht zu heilen, macht man ihm weis, dass er tapfer ist.

Sind die Aprikosen alle, ist´s auch mit dem „Salam aleikum“ vorbei.

Voreingenommne Augen sind blind.

Wer allein reitet, muss auch hinten Augen haben.

Blutsbande zerreißen nicht.

Kam wie ein Büffel, ging wie eine Mücke.

Selbst die Diestel treibt Blüten.

Über einen Dummkopf lacht man selbst in der Moschee.

Das Ei kommt auf der Erde zur Welt und wird sich doch in den Himmel erheben.

Wie merkwürdig doch die Eifersucht ist. Sie lässt einen das eigene Ich vergessen.

Eifersucht und Rache sind erfinderisch.

Wer auf der Erde keinen Platz hat, passt auch in keine Grube.

Sieht ein Esel einen Wolf, schließt er die Augen.

Wer die Frau eines anderen liebt, wird dessen Freund.

Hast du einen Freund, lass den Pfad zu seinem Haus nicht zuwachsen.

Furcht hat große Augen.

Das Geld kommt durchs Fenster und geht durch die Tür.

Wer nicht beneidet, holt das Glück nicht ein.

Das Glück sieht wie die Papacha* bei jedem anders aus.

Ein schwarzer Hammel ist nicht weiß zu waschen.

Der Held hat ein Gesicht, der Feigling zwei.

Des Helden Grab ist nicht auf dem Friedhof.

Wo viele Hirten sind, verrecken die Schafe.

Ein Jüngling ist auch ohne Wein trunken.

Willst du den Kopf retten, lass den Beinen freien Lauf.

Über den Kopf eines Mannes muss Rauch aufsteigen – von Tabak oder Pulver.

Es ist besser, einen neuen Krug zu formen als die Scherben des alten zu kitten.

In jedem Land gibt es eine Werst schlechten Wegs, im Leben eines jeden Tapferen eine Minute der Schwäche.

Unwürdig für einen Mann, der eine Papacha trägt, mit seiner Frau zu streiten.

Solange der Mensch nicht weiß, dass es Apfelsinen gibt, begnügt er sich mit Mohrrüben.

Hast du einem Mullah die Hand gegeben, überprüfe deinen Ringfinger.

Den Mut des Unerschrockenen kann man weder melken noch satteln.

Selbst wenn du der Mutter Eierkuchen auf deiner Hand brätst, bleibst du in ihrer Schuld.

Zum Nest der Krähe führt ihr Krächzen.

Die Not kommt niemals allein, sie hat sieben Schwestern.

Die Papacha allein kann den Kopf nicht hüten.

Die Piale ** zerbricht nicht ohne Lied.

Wer keine Pluderhose anhat, dem kann sie auch von tausend Mann nicht ausgezogen werden.

Einen fremden Rücken sieht man, den eigenen nicht.

Fang auf dem Schiff keinen Streit mit dem Steuermann an***.

Ohne Sippe sei mit großem Dolch.

Die Sprache ist kein Dolch, was sie verwundet, heilt nicht.

Auch die heimliche Sünderin muss sichtbar gebären.

Totengräber und Mullahs haben es nicht eilig, zu Allah ins Paradies zu kommen.

Trommelwirbel ist weit hinter den Bergen am angenehmsten.

Der Verstorbene hat seine Pflicht getan, jetzt sind die Erben dran.

Ein kleiner Wicht wächst listig auf.

Ein Wort ist kein Spatz, fliegt nicht zurück in den Mund.

Jedem das Seine, der Zwiebel die Tränen.

Des Armen Ruhm reicht nur bis zur Schwelle.  

 

* Papacha = hohe Karakulschafffellmütze / ** Piale = Schale ohne Henkel / *** Vom Meer ist nicht nur in den Sprichwörtern und Redensarten der Dagestaner des Öfteren die Rede, sondern auch in ihren Liedern; für ein Volk, das in seiner ganzen schriftlich fest gehaltenen Geschichte in den Bergen lebte, ist das recht ungewöhnlich.

 

 Interlinearübersetzung aus dem Russischen: Gertraud Ettrich; gesammelt und in Sprichwortform gebracht: Gisela Reller

 

Als Reporter der Illustrierten FREIE WELT bereisten wir 1981 Dagestan. Über die dagestanischen Völkerschaften berichtete ich in der FREIEN WELT Nr. 21/1982 auf  26  Seiten.

 

Im Land der Bergadler  (LESEPROBE  aus:  FREIE  WELT Nr. 8/1987)

 

"Dagestan hat Berge und Ebenen, Steppe und Meer. nachhaltig in Erinnerung geblieben ist mir das Gebirgspanorama: kahle, gänzlich unbewachsene Felsen und abgrundtiefe Schluchten, nur wenige hundert Meter weiter im Vordergrund dunkel bewaldete Steinbocken und höher und höher hinauf ewige Schneegipfel, Sonnen beschienen, glitzernd wie Kristall, dann graues Gestein und in dessen weitreichenden Felsspalten tiefrot blühendes Gesträuch und hochsommerliche leuchtendgelbe Blätter. Wagt man einen Blick in die Tiefe, wird man entschädigt durch Bergbäche und blinkende Flüsse, schlangengleich, sich endlos windend, mit schmalen Brücken. Adler, die man stolz über sich vermutet, gleiten unter uns dahin, majestätisch, mit breit auslandenden Schwingen - niemandem untertan.

Kilometerweit voneinander entfernt befinden sich die Ansiedlungen: kleine Häuser meist, dicht an dicht am Berghängen übereinander gebaut. Was dem einen sein Dach, ist dem andern Terrasse und Weg. Hier und da auch ein Minar3ett, meist jedoch nur noch Wahrzeichen der alten Zeit.

Ein vielgereister Handelsmann schrieb in sein auf uns überkommenes Tagebuch, dass er nur zwei wirklich bunte Dinge auf der Welt kenne - das Kopftuch einer Negerin von Haiti und die ethnographische Karte Dagestans: mehr als dreißig dagestanische Völkerschaften und ethnische Gruppen sprechen hier in neunundzwanzig Sprachen und siebzig Dialekten, acht dagestanische Nationen erhielten nach der Oktoberrevolution eine Schriftsprache: die Awaren, Darginer, Kumyken, Lakier, Lesginer, Tabassaraner, Nogaier und Taten. Die Volkszählung von 1979 wies darüber hinaus als Völkerschaften gesondert aus die Agulen, Rutulen und Zachuren, die eigenständige Sprache sprechen, jedoch keine Schriftsprachen haben.

Die Dagestanische ASSR ist nicht nach einer der zahlenmäßig stärksten ansässigen Völkerschaft benannt, sondern nach ihrer typischen Landschaft - ihren Bergen; "dag" heißt Berg, Dagestan bedeutet "Land der Berge". Der Grund für diese Namensgebung ist das immerwährende Bemühen um nationale Gerechtigkeit, denn Dagestan ist die einzige ASSR, auf deren Territorium seit Jahrhunderten so viele angestammte verschidenartige Völker leben. Um die Vielzahl der Sprachen zu erklären, erzählt man in Dagestan diese Legende. Da ritt vor langer Zeit ein Sendbote Allahs durch das dagestanische Land. Sein über die Schulter geworfener Sach war voller Sprachen. Als ein solcher Schneesturm aufkam, dass er und sein Pferd sich nicht mehr auf den Beinen halten konnten, schüttete der ungetreue Bote den schweren Sack einfach über die Felsen aus, auf dass der wilder Sturm gleich hier auf dagestanischer Erde alle Sprachen verteile.

In Wahrheit boten die hohen Berge den einzelnen Siedlungen nicht nur Schutz vor feindlichen Überfällen, sondern sie behinderten auch den Kontakt zwischen den einzelnen Völkern und Stämmen. Und so sprachen und sprechen denn die Bergbewohner vieler Schluchten und sogar einzelner Auls* auf ihre Weise.

Auch die Darginer.

 

 

Traditionell oder komfortabel?  (LESEPROBE  aus:  FREIE  WELT Nr. 8/1987)

 

"Du stehst im Halbdämmer auf dem Dach deines Gastgeberhauses. Wie ein Traum kommt es dir vor, das märchenhafte Treiben rundum. Da sitzen auf einem Dach - Terrasse für sie - vier Frauen, gleichermaßen flott bewegen sich Stricknadeln und Lippen; da wiegen sich auf einem anderen weißumhüllte Mädchengestalten im Tanz, Familienfeier hörst du, ein Sohn sei zu besuch gekommen; da wäscht eine, einer musiziert; da näht eine, einer pafft genüsslich sein Zigarettchen; da fegt und schrubbt eine, einer, die Hände in den Hosentaschen, beguckt sich hingerissen - zum wer weiß wievielten Male? - die ihn umgebenden Bergriesen.

Nun klingt leises Wehklagen zu dir herauf. Tags schon hast du den alten Männer gesehen, beieinander hockend zwischen den uralten Grabsteinen mit den uralten Inschriften, drei Tage und drei Nächte werden sie nach althergebrachter Sitte des Dahingeschiedenen gedenken; Frauen haben keinen zutritt in dies altmoslemische Totenreich.

Nachdenklich sinnst du ausgerechnet auf einem Dach Kubatschis nach über Leben und Tod. Und - Gedankenassoziation - auch über das Alte, überkommene, das eines Tages sterben und ll das Neue, das Unausbleibliche, das wohl auch das Licht Kubatschis erblicken wird.

Alt und überkommen der beschwerliche Weg zur Quelle. Da unten huschen sie noch schnell, die Mädchen und Frauen mit den schweren Wasserkrügen; überkommen der Brauch, morgen, Donnerstag, als Sonntag zu begehen - Basartag: handgewebte Teppiche werden dann feilgeboten, selbstgemachter Käse, Bienenhonig; Esel, Ziegen, Kühe..., auf Käuferwunsch an Ort und Stelle geschlachtet. Nichts da mit Arbeit und Ladenbummel, morgen schließen wie jeden Donnerstag Kubatschis Gold- und Silberschmiedewerkstatt, die Schule, der Lebensmittelladen und das Textilgeschäft. Willst  du weltberühmte Meister bei der Arbeit sehen, musst du sonntags in das abgelegene Bergdorf reisen.

Kubatschi ist wohl der traditionsreichste Aul* Dagestans. Hier gibt es heute noch den Monat der brautschai, an dem sich die Kubatschinzen, auch die von weither - vom Studienort, Arbeitsplatz, neuem Wohnort - ihre zukünftige Frau, unbedingt eine Kubatschinzin, aussuchen; hier gibt es keine Familie ohne von Generation zu Generation vererbtem, hauseigenen Museum mit schier unbezahlbaren Schätzen; hier gibt es keinen, nicht mal siebenjährigen Jungen, der nicht kubatschinzische Elemente zu ziselieren verstünde. schon arabische Autoren des Mittelalters verwandten für die Benennung der Leute von Kubatschi den persischen Namen Sirechgeran, was übersetzt etwa `Kettenhemdmacher´ bedeutet. Seit dem 17. Jahrhundert bürgerte sich Kubatschi und Kubatschinzen ein, der türkischen Sprache entlehnt, dem persischen Begriff etwa gleich bedeutend.

Statt der wehrhaften Kettenhemden fertigen die kubatschinzischen Meister der Gold- und Silberschmiedekunst heute schmückende Ketten, Ringe und Armbänder; Zuckerdosen, Likörservice, Konfektschalen... Viele Künstler brachten erste Preise von Weltausstellungen in Montreal, Paris, New York, Brüssel, Tokio heim in das abgeschiedene Dorf...

Von deinem Zuschauer-Stehplatz siehst du in der Ferne ein- und zweistöckige Steinhäuser, noch alle im Bau. Kein Haus mehr nahtlos verbunden mit einem anderen. Man muss sich ja auch nicht mehr verschanzen, sich nicht mehr gegenseitig vor feindlichen Überfällen schützen, man kann Abstand wahren. Und das Material gibt der sowjetische Staat den komfortungewohnten Kubatschinzen zu Vorzugspreisen. In Neu-Kubatschi wird jedes Haus Licht haben und - Wasseranschluss.

Glücklich, noch Alt-Kubatschi erlebt zu haben, schaue ich wie auf verschieden bespielte Bühnen - jetzt schon im allerletzten Sonnengefunkel. Fremdartig das alles, romantisch, idyllisch. Aber: Hier wohnen?

Traditionell oder komfortabel - da halten es denn doch schon viele der traditionsbewussten Kubatschinzen auch mehr mit dem Komfort. Und damit werden wohl neue Gewohnheiten - beginnend mit dem Bau neuer Heimstätten - ebenfalls unausbleiblich heimisch werden.

 

 

* Aul = kaukasisches Bergdorf

 

 

 

Rezensionen und Literaturhinweise (Auswahl) zu den DARGINERN

 

 

Rezension in meiner Webseite www.reller-rezensionen.de

 

KATEGORIE BELLETRISTIK: Steffi Chotiwari-Jünger (Hrsg.), Die Literaturen der Völker Kaukasiens, Neue Übersetzungen und deutschsprachige Bibliographie, Literatur der Abasiner, Abchasen, Adygen, Agulen, Armenier, Aserbaidshaner, Awaren, Balkaren, Darginer, Georgier, Inguschen, Kabardiner, Karatschaier, Kumyken, Kurden, Lakier, Lesginer, Nogaier, Osseten, Rutulen, Tabassaraner, Taten, Tschetschenen, Ubychen, Uden, Zachuren, Zowatuschen (Bazben)., Reichert Verlag, Wiesbaden 2003.

"Am meisten an diesem außerordentlich arbeitsaufwendigen Buch beeindruckt die gelungene Mischung von Lesevergnügen und Wissenschaftlichkeit. Hier kommt sowohl der Literatur liebende Leser auf seine Kosten als auch der Kaukasusspezialist."

In: www.reller-rezensionen.de

 

Literaturhinweise (Auswahl)

 

Roderich von Erckert, Der Kaukasus und seine Völker, Mit Textabbildungen, etc., Verlag von Paul Frohberg, Leipzig, 1887.

Aus der Einführung: "Ein zweijähriger Aufenthalt auf dem Kaukasus in höherer militärischer Stellung, gab durch dienstliche und private zu wissenschaftlichem Zweck unternommene ausgedehnte Reisen die Möglichkeit und Gelegenheit, Land und Leute in verschiedenen Gegenden und Gruppen zu erforschen und für vieles eine Anschauung zu gewinnen, was ausserhalb der gewöhnlichen Reiserouten liegt. Wenn die Schilderung freilich ein zusammenhängendes, umfassendes Ganzes bilden kann, so darf sie vielleicht den Anspruch erheben, einigen Werth darin zu besitzen, dass sie auf an Ort und Stelle gesammelten persönlichen Angaben und Eindrücken beruht, dass mit eigenen Augen geschaut, mit eigenem Ohr gehört wurde. (...) Anstrengung, Zeit und materielle Opfer, selbst Gefahr bei lokalen Schwierigkeiten wurden nicht gescheut, - in erster Linie aber anthropologische und ethnographische Forschungen angestellt, um möglichst alle noch wenige bekannte oder in vielem unbekannte Völker und Volksstämme auf dem Kamm des Gebirges und dessen Nordabhängen zu besuchen."

1. Streifenornament

 

 

 

Bibliographie zu Gisela Reller

 

Bücher als Autorin:

 

Länderbücher:

 

* Zwischen Weißem Meer und Baikalsee, Bei den Burjaten, Adygen und Kareliern,  Verlag Neues Leben, Berlin 1981, mit Fotos von Heinz Krüger und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Diesseits und jenseits des Polarkreises, bei den Südosseten, Karakalpaken, Tschuktschen und asiatischen Eskimos, Verlag Neues Leben, Berlin 1985, mit Fotos von Heinz Krüger und Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Von der Wolga bis zum Pazifik, bei Tuwinern, Kalmyken, Niwchen und Oroken, Verlag der Nation, Berlin 1990, 236 Seiten mit Fotos von Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

Biographie:

 

* Pater Maksimylian Kolbe, Guardian von Niepokalanów und Auschwitzhäftling Nr. 16 670, Union Verlag, Berlin 1984, 2. Auflage.

 

 

... als Herausgeberin:

 

Sprichwörterbücher:

 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

Aphorismenbuch:

* 666 und sex mal Liebe, Auserlesenes, 2. Auflage, Mitteldeutscher Verlag Halle/Leipzig, 200 Seiten mit Vignetten und Illustrationen von Egbert Herfurth.

 

... als Mitautorin:

 

Kinderbücher:

 

* Warum? Weshalb? Wieso?, Ein Frage-und-Antwort-Buch für Kinder, Band 1 bis 5, Herausgegeben von Carola Hendel, reich illustriert, Verlag Junge Welt, Berlin 1981 -1989.

 

Sachbuch:

 

* Die Stunde Null, Tatsachenberichte über tapfere Menschen in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges, Hrsg. Ursula Höntsch, Verlag der Nation 1966.

 

 

... als Verantwortliche Redakteurin:

 

* Leben mit der Erinnerung, Jüdische Geschichte in Prenzlauer Berg, Edition  Hentrich, Berlin 1997, mit zahlreichen Illustrationen.

 

* HANDSCHLAG, Vierteljahreszeitung für deutsche Minderheiten im Ausland, Herausgegeben vom Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Berlin 1991 - 1993.

 

 

 

 

Die erste Ausgabe von HANDSCHLAG liegt vor. Von links: Dr. Gotthard Neumann, Leonhard Kossuth (Präsident), Horst Wustrau

(Gestalter von HANDSCHLAG), Gisela Reller, Dr. Erika Voigt

(Mitarbeiter des Kuratoriums zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V.).

Foto aus: Rellers Völkerschafts-Archiv

 

 

Pressezitate (Auswahl) zu Gisela Rellers Buchveröffentlichungen:

Dieter Wende in der „Wochenpost“ Nr. 15/1985:

„Es ist schon eigenartig, wenn man in der Wüste Kysyl-Kum von einem Kamelzüchter gefragt wird: `Kennen Sie Gisela Reller?´ Es ist schwer, dieser Autorin in entlegenen sowjetischen Regionen zuvorzukommen. Diesmal nun legt sie mit ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik Berichte aus Kalmykien, Tuwa und von der Insel Sachalin vor. Liebevolle und sehr detailgetreue Berichte auch vom Schicksal kleiner Völker. Die ethnografisch erfahrene Journalistin serviert Besonderes. Ihre Erzählungen vermitteln auch Hintergründe über die Verfehlungen bei der Lösung des Nationalitätenproblems.“

B(erliner) Z(eitung) am Abend vom 24. September 1981:

"Gisela Reller, Mitarbeiterin der Illustrierten FREIE WELT, hat autonome Republiken und gebiete kleiner sowjetischer Nationalitäten bereist: die der Burjaten, Adygen und Karelier. Was sie dort ... erlebte und was Heinz Krüger fotografierte, ergíbt den informativen, soeben erschienenen Band Zwischen Weißem Meer und Baikalsee."

Sowjetliteratur (Moskau)Nr. 9/1982:

 "(...) Das ist eine lebendige, lockere Erzählung über das Gesehene und Erlebte, verflochten mit dem reichhaltigen, aber sehr geschickt und unaufdringlich dargebotenen Tatsachenmaterial. (...) Allerdings verstehe ich sehr gut, wie viel Gisela Reller vor jeder ihrer Reisen nachgelesen hat und wie viel Zeit nach der Rückkehr die Bearbeitung des gesammelten Materials erforderte. Zugleich ist es ihr aber gelungen, die Frische des ersten `Blickes´ zu bewahren und dem Leser packend das Gesehene und Erlebte mitzuteilen. (...) Es ist ziemlich lehrreich - ich verwende bewusst dieses Wort: Vieles, was wir im eigenen Lande als selbstverständlich aufnehmen, woran wir uns ja gewöhnt haben und was sich unserer Aufmerksamkeit oft entzieht, eröffnet sich für einen Ausländer, sei es auch als Reisender, der wiederholt in unserem Lande weilt, sozusagen in neuen Aspekten, in neuen Farben und besitzt einen besonderen Wert. (...) Mir gefällt ganz besonders, wie gekonnt sich die Autorin an literarischen Quellen, an die Folklore wendet, wie sie in den Text ihres Buches Gedichte russischer Klassiker und auch wenig bekannter nationaler Autoren, Zitate aus literarischen Werken, Märchen, Anekdoten, selbst Witze einfügt. Ein treffender während der Reise gehörter Witz oder Trinkspruch verleihen dem Text eine besondere Würze. (...) Doch das Wichtigste im Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee sind die Menschen, mit denen Gisela Reller auf ihren Reisen zusammenkam. Unterschiedlich im Alter und Beruf, verschieden ihrem Charakter und Bildungsgrad nach sind diese Menschen, aber über sie alle vermag die Autorin kurz und treffend mit Interesse und Sympathie zu berichten. (...)"

Neue Zeit vom 18. April 1983:

„In ihrer biographischen Skizze über den polnischen Pater Maksymilian Kolbe schreibt Gisela Reller (2. Auflage 1983) mit Sachkenntnis und Engagement über das Leben und Sterben dieses außergewöhnlichen Paters, der für den Familienvater Franciszek Gajowniczek freiwillig in den Hungerbunker von Auschwitz ging.“

Der Morgen vom 7. Februar 1984:

„`Reize lieber einen Bären als einen Mann aus den Bergen´. Durch die Sprüche des Kaukasischen Spruchbeutels weht der raue Wind des Kaukasus. Der Spruchbeutel erzählt auch von Mentalitäten, Eigensinnigkeiten und Bräuchen der Adygen, Osseten und Dagestaner. Die Achtung vor den Alten, die schwere Stellung der Frau, das lebensnotwendige Verhältnis zu den Tieren. Gisela Reller hat klug ausgewählt.“

1985 auf dem Solidaritätsbasar auf dem Berliner Alexanderplatz: Gisela Reller (vorne links) verkauft ihren „Kaukasischen Spruchbeutel“ und 1986 das extra für den Solidaritätsbasar von ihr herausgegebene Sprichwörterbuch „Dein Freund ist Dein Spiegel“.

Foto: Alfred Paszkowiak

 Neues Deutschland vom 15./16. März 1986:

"Vor allem der an Geschichte, Bräuchen, Nationalliteratur und Volkskunst interessierte Leser wird manches bisher `Ungehörte´ finden. Er erfährt, warum im Kaukasus noch heute viele Frauen ein Leben lang Schwarz tragen und was es mit dem `Ossetenbräu´ auf sich hat, weshalb noch 1978 in Nukus ein Eisenbahnzug Aufsehen erregte und dass vor Jahrhunderten um den Aralsee fruchtbares Kulturland war, dass die Tschuktschen vier Begriff für `Freundschaft´, aber kein Wort für Krieg besitzen und was ein Parteisekretär in Anadyr als notwendigen Komfort, was als entbehrlichen Luxus ansieht. Großes Lob verdient der Verlag für die großzügige Ausstattung von Diesseits und jenseits des Polarkreises.“

 

 Gisela Reller während einer ihrer über achthundert Buchlesungen

in der Zeit von 1981 bis 1991.

Berliner Zeitung vom 2./3. Januar 1988:

„Gisela Reller hat klassisch-deutsche und DDR-Literatur auf Liebeserfahrungen durchforscht und ist in ihrem Buch 666 und sex mal Liebe 666 und sex mal fündig geworden. Sexisch illustriert, hat der Mitteldeutsche Verlag Halle alles zu einem hübschen Bändchen zusammengefügt.“

Neue Berliner Illustrierte (NBI) Nr. 7/88:

„Zu dem wohl jeden bewegenden Thema finden sich auf 198 Seiten 666 und sex mal Liebe mannigfache Gedanken von Literaten, die heute unter uns leben, sowie von Persönlichkeiten, die sich vor mehreren Jahrhunderten dazu äußerten.“

Das Magazin Nr. 5/88.

"`Man gewöhnt sich daran, die Frauen in solche zu unterscheiden, die schon bewusstlos sind, und solche, die erst dazu gemacht werden müssen. Jene stehen höher und gebieten dem Gedenken. Diese sind interessanter und dienen der Lust. Dort ist die Liebe Andacht und Opfer, hier Sieg und Beute.´ Den Aphorismus von Karl Kraus entnahmen wir dem Band 666 und sex mal Liebe, herausgegeben von Gisela Reller und illustriert von Egbert Herfurth."

 

Schutzumschlag zum „Buch 666 und sex mal Liebe“ .

Zeichnung: Egbert Herfurth

FÜR DICH, Nr. 34/89:

 

"Dem beliebten Büchlein 666 und sex mal Liebe entnahmen wir die philosophischen und frechen Sprüche für unser Poster, das Sie auf dem Berliner Solidaritätsbasar kaufen können. Gisela Reller hat die literarischen Äußerungen zum Thema Liebe gesammelt, Egbert Herfurth hat sie trefflich illustriert."

Messe-Börsenblatt, Frühjahr 1989:

"Die Autorin – langjährige erfolgreiche Reporterin der FREIEN WELT - ist bekannt geworden durch ihre Bücher Zwischen Weißem Meer und Baikalsee und Diesseits und jenseits des Polarkreises. Diesmal schreibt die intime Kennerin der Sowjetunion in ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik über die Kalmyken, Tuwiner und die Bewohner von Sachalin, also wieder über Nationalitäten und Völkerschaften. Ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird uns in fesselnden Erlebnisberichten nahegebracht."

Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel schrieb ich in der Ausgabe 49 vom 7. Dezember 1982 unter der Überschrift „Was für ein Gefühl, wenn Zuhörer Schlange stehen“:

„Zu den diesjährigen Tagen des sowjetischen Buches habe ich mit dem Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee mehr als zwanzig Lesungen bestritten. (…) Ich las vor einem Kreis von vier Personen (in Klosterfelde) und vor 75 Mitgliedern einer DSF-Gruppe in Finow; meine jüngsten Zuhörer waren Blumberger Schüler einer 4. Klasse, meine älteste Zuhörerin (im Schwedter Alten- und Pflegeheim) fast 80 Jahre alt. Ich las z.B. im Walzwerk Finow, im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder, im Petrolchemischen Kombinat Schwedt; vor KIM-Eiersortierern in Mehrow, vor LPG-Bauern in Hermersdorf, Obersdorf und Bollersdorf; vor zukünftigen Offizieren in Zschopau; vor Forstlehrlingen in Waldfrieden; vor Lehrlingen für Getreidewirtschaft in Kamenz, vor Schülern einer 7., 8. und 10 Klasse in Bernau, Schönow und Berlin; vor Pädagogen in Berlin, Wandlitz, Eberswalde. - Ich weiß nicht, was mir mehr Spaß gemacht hat, für eine 10. Klasse eine Geographiestunde über die Sowjetunion einmal ganz anders zu gestalten oder Lehrern zu beweisen, dass nicht einmal sie alles über die Sowjetunion wissen – was bei meiner Thematik – `Die kleinen sowjetischen Völkerschaften!´ – gar nicht schwer zu machen ist. Wer schon kennt sich aus mit Awaren und Adsharen, Ewenken und Ewenen, Oroken und Orotschen, mit Alëuten, Tabassaranern, Korjaken, Itelmenen, Kareliern… Vielleicht habe ich es leichter, Zugang zu finden als mancher Autor, der `nur´ sein Buch oder Manuskript im Reisegepäck hat. Ich nämlich schleppe zum `Anfüttern´ stets ein vollgepacktes Köfferchen mit, darin von der Tschuktschenhalbinsel ein echter Walrosselfenbein-Stoßzahn, Karelische Birke, burjatischer Halbedelstein, jakutische Rentierfellbilder, eskimoische Kettenanhänger aus Robbenfell, einen adygeischen Dolch, eine karakalpakische Tjubetejka, der Zahn eines Grauwals, den wir als FREIE WELT-Reporter mit harpuniert haben… - Schön, wenn alles das ganz aufmerksam betrachtet und behutsam befühlt wird und dadurch aufschließt für die nächste Leseprobe. Schön auch, wenn man schichtmüde Männer nach der Veranstaltung sagen hört: `Mensch, die Sowjetunion ist ja interessanter, als ich gedacht habe.´ Oder: `Die haben ja in den fünfundsechzig Jahren mit den `wilden´ Tschuktschen ein richtiges Wunder vollbracht.´ Besonders schön, wenn es gelingt, das `Sowjetische Wunder´ auch denjenigen nahezubringen, die zunächst nur aus Kollektivgeist mit ihrer Brigade mitgegangen sind. Und: Was für ein Gefühl, nach der Lesung Menschen Schlange stehen zu sehen, um sich für das einzige Bibliotheksbuch vormerken zu lassen. (Schade, wenn man Kauflustigen sagen muss, dass das Buch bereits vergriffen ist.) – Dank sei allen gesagt, die sich um das zustande kommen von Buchlesungen mühen – den Gewerkschaftsbibliothekaren der Betriebe, den Stadt- und Kreisbibliothekaren, den Buchhändlern, die oft aufgeregter sind als der Autor, in Sorge, `dass auch ja alles klappt´. – Für mich hat es `geklappt´, wenn ich Informationen und Unterhaltung gegeben habe und Anregungen für mein nächstes Buch mitnehmen konnte.“

Die Rechtschreibung der Texte wurde behutsam der letzten Rechtschreibreform angepasst.

Die Darginer wurden am 25.08.2014 ins Netz gestellt. Die letzte Bearbeitung erfolgte am 16.01.2016.

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Zeichnung: Karl-Heinz Döhring