Vorab!
Leider kommt im Internet bei meinem (inzwischen veralteten) FrontPage-Programm längst nicht alles so, wie von mir in html angegeben. Farben kommen anders, als von mir geplant, Satzbreiten wollen nicht so wie von mir markiert, Bilder kommen manchmal an der falschen Stelle, und - wenn ich Pech habe - erscheint statt des Bildes gar eine Leerstelle.
Was tun? Wer kann helfen?
*
Wird laufend bearbeitet!
Ich bin ein BURJATE: Der fünfjährige Bator aus Ulan-Ude.
Foto: Heinz Krüger
Fotos und Illustrationen richtig
Zeichnung: Karl-Heinz Döhring
"Die Seele, denke ich, hat keine Nationalität."
Juri Rytchëu (tschuktschischer Schriftsteller, 1930 bis 2008) in: Im Spiegel des Vergessens, 2007
Wenn wir für das eine Volk eine Zuneigung oder gegen das andere eine Abneigung hegen, so beruht das, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, auf dem, was wir von dem jeweiligen Volk wissen oder zu wissen glauben. Das ist – seien wir ehrlich – oft sehr wenig, und manchmal ist dieses Wenige auch noch falsch.
Ich habe für die Berliner Illustrierte FREIE WELT jahrelang die Sowjetunion bereist, um – am liebsten - über abwegige Themen zu berichten: über Hypnopädie und Suggestopädie, über Geschlechtsumwandlung und Seelenspionage, über Akzeleration und geschlechtsspezifisches Kinderspielzeug... Außerdem habe ich mit jeweils einem deutschen und einem Wissenschaftler aus dem weiten Sowjetland vielteilige Lehrgänge erarbeitet.* Ein sehr interessantes Arbeitsgebiet! Doch 1973, am letzten Abend meiner Reise nach Nowosibirsk – ich hatte viele Termine in Akademgorodok, der russischen Stadt der Wissenschaften – machte ich einen Abendspaziergang entlang des Ob. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich zwar wieder viele Experten kennengelernt hatte, aber mit der einheimischen Bevölkerung kaum in Kontakt gekommen war.
Da war in einem magischen Moment an einem großen sibirischen Fluss - Angesicht in Angesicht mit einem kleinen (grauen!) Eichhörnchen - die große FREIE WELT-Völkerschafts-Serie** geboren!
Und nun reiste ich ab 1975 jahrzehntelang zu zahlreichen Völkern des Kaukasus, war bei vielen Völkern Sibiriens, war in Mittelasien, im hohen Norden, im Fernen Osten und immer wieder auch bei den Russen.
Nach dem Zerfall der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zog es mich – nach der wendegeschuldeten Einstellung der FREIEN WELT***, nun als Freie Reisejournalistin – weiterhin in die mir vertrauten Gefilde, bis ich eines Tages mehr über die westlichen Länder und Völker wissen wollte, die man mir als DDR-Bürgerin vorenthalten hatte.
Nach mehr als zwei Jahrzehnten ist nun mein Nachholebedarf erst einmal gedeckt, und ich habe das Bedürfnis, mich wieder meinen heißgeliebten Tschuktschen, Adygen, Niwchen, Kalmyken und Kumyken, Ewenen und Ewenken, Enzen und Nenzen... zuzuwenden
Deshalb werde ich meiner Webseite www.reller-rezensionen.de (mit inzwischen weit mehr als fünfhundert Rezensionen), die seit 2002 im Netz ist, ab 2013 meinen journalistischen Völkerschafts-Fundus von fast einhundert Völkern an die Seite stellen – mit ausführlichen geographischen und ethnographischen Texten, mit Reportagen, Interviews, Sprichwörtern, Märchen, Gedichten, Literaturhinweisen, Zitaten aus längst gelesenen und neu erschienenen Büchern; so manches davon, teils erstmals ins Deutsche übersetzt, war bis jetzt – ebenfalls wendegeschuldet – unveröffentlicht geblieben.
Sollten sich in meinem Material Fehler oder Ungenauigkeiten eingeschlichen haben, teilen Sie mir diese bitte am liebsten in meinem Gästebuch oder per E-Mail gisela@reller-rezensionen.de mit. Überhaupt würde ich mich über eine Resonanz meiner Nutzer freuen!
Gisela Reller
* Lernen Sie Rationelles Lesen" / "Lernen Sie lernen" / "Lernen Sie reden" / "Lernen Sie essen" / "Lernen Sie, nicht zu rauchen" / "Lernen Sie schlafen" / "Lernen Sie logisches Denken"...
** Im 1999 erschienenen Buch „Zwischen `Mosaik´ und `Einheit´. Zeitschriften in der DDR“ von Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis (Hrsg.), erschienen im Berliner Ch. Links Verlag, ist eine Tabelle veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Völkerschaftsserie der FREIEN WELT von neun vorgegebenen Themenkreisen an zweiter Stelle in der Gunst der Leser stand – nach „Gespräche mit Experten zu aktuellen Themen“.
(Quelle: ZA Universität Köln, Studie 6318)
*** Christa Wolf zur Einstellung der Illustrierten FREIE WELT in ihrem Buch "Auf dem Weg nach Tabou, Texte 1990-1994", Seite 53/54: „Aber auf keinen Fall möchte ich den Eindruck erwecken, in dieser Halbstadt werde nicht mehr gelacht. Im Gegenteil! Erzählt mir doch neulich ein Kollege aus meinem Verlag (Helmut Reller) – der natürlich wie zwei Drittel der Belegschaft längst entlassen ist –, daß nun auch seine Frau (Gisela Reller), langjährige Redakteurin einer Illustrierten (FREIE WELT) mitsamt der ganzen Redaktion gerade gekündigt sei: Die Zeitschrift werde eingestellt. Warum wir da so lachen mußten? Als im Jahr vor der `Wende´ die zuständige ZK-Abteilung sich dieser Zeitschrift entledigen wollte, weil sie, auf Berichterstattung aus der Sowjetunion spezialisiert, sich als zu anfällig erwiesen hatte, gegenüber Gorbatschows Perestroika, da hatten der Widerstand der Redaktion und die Solidarität vieler anderer Journalisten das Blatt retten können. Nun aber, da die `Presselandschaft´ der ehemaligen DDR, der `fünf neuen Bundesländer´, oder, wie der Bundesfinanzminister realitätsgerecht sagt: `des Beitrittsgebiets´, unter die vier großen westdeutschen Zeitungskonzerne aufgeteilt ist, weht ein schärferer Wind. Da wird kalkuliert und, wenn nötig, emotionslos amputiert. Wie auch die Lyrik meines Verlages (Aufbau-Verlag), auf die er sich bisher viel zugute hielt: Sie rechnet sich nicht und mußte aus dem Verlagsprogramm gestrichen werden. Mann, sage ich. Das hätte sich aber die Zensur früher nicht erlauben dürfen! – "Das hätten wir uns von der auch nicht gefallen lassen", sagt eine Verlagsmitarbeiterin.
Wo sie recht hat, hat sie recht.“
Zeichnung: Karl-Heinz Döhring
"Um es gleich vorweg zu sagen: Burjatien, das an das östliche Ufer des legendären Baikalsees grenzt, ist eine meiner Lieblingsrepubliken im heutigen Russland. (...) Man kann sich vortrefflich darüber streiten, was schöner ist: Burjatien im Winter oder im Sommer zu besuchen. Für sehr wetterfeste und besonders improvisationsfähige Touristen, die das Unvorgesehene und ein wenig auch das Abenteuer lieben, ist der Winter sicher die noch spannendere , wenn auch erheblich härtere Reisezeit. Temperaturen von minus 40 Grad sind hier nicht selten. In den Bergen Burjatiens allemal."
Thomas Roth in: Russisches Tagebuch, 2002
Wenn Sie sich die folgenden Texte zu Gemüte geführt und Lust bekommen haben, Burjatien zu bereisen, sei Ihnen das Reisebüro ? empfohlen; denn – so lautet ein burjatisches Sprichwort -
Reise - und du findest dich selbst.
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Die BURJATEN… (Eigenbezeichnung: )
„Die Burjaten gleichen im allgemeinen an Körperbildung den Kalmücken, sind geistig träge, misstrauisch und ungefällig, aber ehrlich, im ganzen körperlich gewandt, gute Reiter und Bogenschützen. Ihre bald gemalten, bald aus Holz, Blech, Filz und Lämmerfellen zusammengesetzten Götzenbilder sind höchst originell und mit Ruß schwarz gefärbt.“
Brockhaus´ Konservations-Lexikon, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien 1894
Die Burjaten (Eigenbezeichnung: burjat)
Das mongolische Volk der Burjaten ist rund um den Baikalsee - weit im südlichen Teil Ostsibiriens, in Transbaikalien - beheimatet; das Gebiet ist vorrangig gebirgig. Anton Tschechow nennt diesen asiatischen Teil Russlands `eine Mischung aus Kaukasus, Ukraine, Schweiz und Finnland…´ Die Burjaten sind nachweislich seit Beginn des 13. Jahrhunderts in den Gebieten um den Baikalsee ansässig. Ihr Volk ist durch den Zusammenschluss nordmongolischer Stämme und der Assimilierung einiger weiterer Mongolenstämme sowie ewenkischer Gruppen am Ende des 17. Jahrhunderts entstanden. Im Zuge der Eroberung Sibiriens werden die Burjaten nach heftiger Gegenwehr in der Mitte des 17. Jahrhunderts von den Russen unterworfen. Im 17. Jahrhundert werden viele Altgläubige (Raskolniki) nach der Kirchenreform Awwakums nach Sibirien verbannt. Das Buch "Durch die Sümpfe" des Altgläubigen Issai Kalaschnikow erscheint 1974 in der DDR. Nach der Revolution von 1917 und dem Bürgerkrieg entstehen auf burjatischem Territorium 1922 zwei autonome burjatische Gebiete, die am 30. Mai 1923 zu einer Burjat-Mongolischen ASSR (Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik) zusammengefasst werden. Während des Großen Vaterländischen Kriegs kämpfen ab 1941 auch Burjaten an der Front, sie sind besonders als Scharfschützen gefürchtet. Die Burjat-Mongolische ASSR benennt man im Juli 1958 in Burjatische ASSR mit einer Fläche von 351 300 Quadratkilometern um, die Hauptstadt ist Ulan-Ude. Im Rahmen der Russischen Föderation besiedeln die Burjaten ferner den Distrikt Aginsk der Region Tschita und den Distrikt Ust-Orda der Region Irkutsk; einige Gruppen von ihnen sind auch in der Mongolei zu finden. Die Volksstärke beträgt etwa 620 000 Menschen, wovon 286 839 Burjaten (Volkszählung von 2010) in der gleichnamigen Republik leben, damit machen sie als Titularnation 30 % der Bevölkerung aus - neben Russen (66,1 %), Tataren (0,7 %) u .a.; dennoch ist Burjatisch regionale Amtssprache. Anthropologisch gehören die Burjaten zum nördlichen Zweig der Mongoloiden. Am 8. Oktober 1990 wird die souveräne Burjatische Republik innerhalb Russlands proklamiert. Mit Unterzeichnung des Föderationsvertrages im März 1992 erhält sie die Anerkennung als Burjatische Autonome Republik. 1993 wurde das Burjatisch-Buddhistische Institut Aginsk gegründet, es bietet auch einen Studiengang für tibetische Medizin. Das Burjatische gehört zu den mongolischen Sprachen. Als Schrift dienen bis 1930 Zeichen auf der Grundlage der mongolischen Graphik, 1931 bedient man sich des lateinischen, seit 1937 des kyrillischen Alphabets. Der heutigen burjatischen Literatursprache liegt der Chorinsker Dialekt zugrunde. Als Begründer der burjatischen Literatursprache gilt Choza Namsarajew. Den ersten Gedichtband schrieb 1922 Solbone Tuja; das erste satirische Poem 1926 Choza Namsarajew; die erste Erzählung 1932 Z. Don; das erste Theaterstück 1932 N. Baldano; den ersten Roman 1949 Shamso Tumunow; 1959 erschien der erste Roman über das moderne sowjetburjatische Dorf; 1974 wurde der erste Roman veröffentlicht, in dem die Helden burjatische Arbeiter sind. Die Folkore der Burjaten besteht aus Mythen, Schamanen-Beschwörungen, Legenden, kultischen Hymnen, Märchen, Sprichwörtern und Rätseln, berühmt ist ihr Heldenepos "Gässär". Ihr wichtigstes schriftliches Erbe sind burjatische Chroniken, die die Geschichte und die Überlieferungen der Burjaten aufzeichnen. Die Burjaten sind das einzige Volk in Sibirien, das eigene historische Schriftdenkmäler besitzt. Der größte Teil ihrer Literatur sind übersetzte Werke aus der buddhistischen Tradition - hauptsächlich Übersetzungen heiliger buddhistischer Bücher, philosophischer und medizinischer Schriften. Die Zentren der literarischen Tätigkeit waren die Klöster - die Dazane - in denen die gelehrten Übersetzer tätig waren. Viele solcher Klöster besaßen eigene Bibliotheken und Druckereien, die die Holzschnittmethode nutzten. In den 1930er Jahren kündigt sich die burjatische Prosa mit den ersten Erzählungen an, es folgen Poeme, Theaterstücke, Romane... Der Religion nach sind die Burjaten tibetische Buddhisten, Schamanisten und Lamaisten; der Lamaismus ist vor allem im Osten ihrer Wohngebiete verbreitet. 1930 werden achtzig von hundert verurteilten Adelsrevolutionären nach Sibirien verbannt. Bis in die Gegenwart betreiben die Burjaten Viehzucht - Schafe, Rinder, Ziegen, Pferde - Ackerbau, Jagd und Fischfang. - Einer burjatischen Sage nach kommen in uralten Zeiten neun Himmelsbrüder, angeführt vom Meister Boshintoi, auf burjatische Erde, um die Menschen das Schmiedehandwerk zu lehren. Wissenschaftler fanden heraus, dass die Werkzeuge dieses Handwerks als Eigentum besonderer schamanistischer Schutzgeister angesehen wurden, denen zu Ehren man alljährlich zeremonielle Feierlichkeiten veranstaltete. Bis auf den heutigen Tag sind die Burjaten angesehene Silberschmiede: Ohrgehänge, Ketten, Broschen, Pfeifen, Gürtelanhänger - die altburjatische Kleidung hatte keine Taschen - sind einzigartige Meisterwerke.
Und die Burjaten. alter Text!!!!!!!
Bevölkerung:
Fläche:
Geschichtliches:
Staatsgefüge: siehe regionen.ru
Verbannungsgebiet:
Hauptstadt:
Wirtschaft:
Verkehr:
Sprache/Schrift:
Literatursprache/Literatur:
Bildung:
Gesundheitswesen:
„Ein betrunkener Ewenke, Burjate, Mongole, Tuwiner, Tschuktsche ist ein besonders unangenehmer Anblick. Zuerst muss man sagen, dass ihn eine Dosis umhaut, nach der ein Russe, Pole, ja sogar ein Deutscher seelenruhig Auto fährt - er aber wälzt sich auf der Straße. Die nordasiatischen Völker vertragen sehr wenig Alkohol."
Jacek Hugo-Bader (polnischer Buchautor) in: Ins eisige Herz Sibiriens, Eine Reise von Moskau nach Wladiwostok, 2014
Gesundheitswesen: Im Artikel 41 der Verfassung der Russischen Föderation ist für alle Bürger das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung verankert. Dieser seit den Sowjetzeiten bestehende Grundsatz ist zum Teil die Ursache dafür, dass Russland im internationalen Vergleich eine vergleichsweise hohe Anzahl an Ärzten und Krankenhäuser pro Kopf der Bevölkerung aufweist. Dennoch ist der gesundheitliche Zustand der russischen Bevölkerung schlecht. Gerade beim wirtschaftlichen Niedergang der 1990er Jahre in Russland wurde das Gesundheitswesen stark getroffen. Das Ergebnis führte zu äußerst niedrigen Entlohnungen der Ärzte und Krankenschwestern und als Folge zu einer massiven Verschlechterung der Qualität der medizinischen Versorgung der breiten Öffentlichkeit. So ist inzwischen jede dritte Klinik der siebentausend Krankenhäuser im Land dringend renovierungsbedürftig. In letzter Zeit werden die Gehälter für das medizinische Personal schrittweise angehoben sowie staatliche Mittel in die Einrichtung neuer und in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert. In den Jahren 1999 bis 2003 betrugen die durchschnittlichen Gesamtausgaben für den Gesundheitssektor in Russland im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt 5,70 Prozent. - In der Russischen Föderation ist der Gesundheitssektor dezentral organisiert. Das Gesundheitsministerium ist auf föderaler Ebene für den gesamten Sektor zuständig, das Erbringen der konkreten medizinischen Leistungen aber Aufgabe der Föderationssubjekte* und Gemeinden. Der Bedeutung der Föderationssubjekte und Gemeinden im Gesundheitssektor gemäß werden rund zwei Drittel der gesamten Budgetausgaben von diesen bestritten. Das russische Gesundheitssystem wird durch einen Mix aus Budgetmitteln und Mitteln aus der Sozialversicherung finanziert.
* Als Föderationssubjekte der Russischen Föderation werden die 83 territorialen, mit gewisser politischer und administrativer Autonomie ausgestatteten und im Föderationsrat vertretenen Verwaltungseinheiten Russlands bezeichnet.
Klima:
Natur/Umwelt:
Pflanzen- und Tierwelt:
Der Zobel - fast ausgerottet wegen seines wertvollen Fells.
Foto aus: Rellers Völkerschafts-Archiv
Behausungen:
Der Lebensstandard ist in Russland regional sehr unterschiedlich hoch. Während besonders in Moskau und St. Petersburg einige Viertel in neuem Glanz erstrahlen, ist in anderen Regionen die Armut nach wie vor groß. In Tschetschenien und Dagestan leben mehr als die Hälfte der Menschen in Armut; weitere arme Regionen sind Inguschetien, Tuwa, Kabardino-Balkarien, Mari El, Kalmykien, Burjatien, der Altai und Mordwinien.
Ernährung:
Kleidung:
Folklore:
Feste/Bräuche:
Religion:
Nikon bei Silver
Der Patriarch Nikon (1605 bis 1681)..
Porträt aus dem Tutuljarnik, 1672, aus: Rellers Völkerschafts-Archiv
Ereignisse nach dem Zerfall der Sowjetunion, sofern sie nicht bereits oben aufgeführt sind:
Kontakte zur Bundesrepublik Deutschland:
Interessant, zu wissen..., dass seit seinem Tod im Jahre 1927 der Leichnam des 12. burjatischen Bandio Chambo Lama, Dashi Dorjo Itigilow, keinerlei Verwesungsspuren aufweist!
Kurz vor seinem Tod hatte er verfügt, dass sein Leichnam bestattet, jedoch nach dreißig Jahren exhumiert werden sollte. Er starb meditierend und im Lotussitz verharrend. In der gleichen Position holten ihn Mönche des burjatischen Klosters von Iwolginsk 1955 wieder an Licht uns stellten fest, dass keine Verwesung eingesetzt hatte. Das gleiche geschah in den Jahren 1973 und 2002. Die Leiterin des Forschungsobjektes Galina Jerschowa beschreibt den Zustand des Körpers bei der letzten Öffnung so: "Seine Gelenke biegen sich, das Weichgewebe lässt sich eindrücken wie bei einem Lebenden, und nach der Öffnung des Grabgefäßes entströmte daraus ein Wohlgeruch." Das Glas des Sarges, in dem der Mönch jetzt bestattet ist, beschlug sogar, weil der Körper noch immer Flüssigkeit enthält - obwohl er nie einbalsamiert wurde. Eine Erklärung für dieses Phänomen fanden die Forscher bisher nicht; sogar eine pathologische Untersuchung in Moskau brachte keine neuen Erkenntnisse. Buddhistische Theologen erklären sich den Zustand des Leichnams spirituell: Der Lama habe die "Oberste Realität aller Erscheinungen, die Leere" erreicht und seinen Körper durch innere Reinigung vor dem Zersetzen geschützt. 2007 trafen sich einhundertfünfzig Forscher aus aller Welt in Iwolginsk, um eine Erklärung zu finden. Sie fanden keine! Heute sitzt Dashi Dorjo Itigilow in einem sakralen Raum hinter verschlossener Tür, von Mönchen betend bewacht.
In der Heimat sind selbst die Steine weich.
Sprichwort der Burjaten
Die Burjaten: Für Liebhaber kurzer Texte
Einer burjatischen Sage nach kamen in uralten Zeiten neun Himmelsbrüder, angeführt vom Meister Boshintoi, auf burjatische Erde, um die Menschen das Schmiedehandwerk zu lehren. Wissenschaftler fanden heraus, dass die Werkzeuge dieses Handwerks als Eigentum besonderer schamanischer Schutzgeister angesehen wurden, denen zu ehren man alljährlich zeremonielle Feierlichkeiten veranstaltete. Bis auf den heutigen Tag sind die Burjaten angesehene Silberschmiede: Ohrgehänge, ketten, Broschen, Pfeifen, Gürtelanhänger - die altburjatische Kleidung hatten keine Taschen - sind ganz einzigartige Meisterwerke. Und bis in die Gegenwart bekennen sich die Gläubigen zum Lamaismus oder zum Schamanentum; in Iwolginsk befindet sich noch heute ein gut besuchtes buddhistisches Kloster. - Das Volk der Burjaten ist durch den Zusammenschluss nordmongolischer Stämme mit ewenkischen Gruppen am Ende des 17. Jahrhunderts entstanden; das Burjatische gehört zu den mongolischen Sprachen. Nachweislich waren die Burjaten bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts in den Gebieten um den Baikalsee ansässig, in russischen Quellen erscheinen sie als "Bratumi". Im Zuge der Eroberung Sibiriens wurden sie nach heftiger Gegenwehr in der Mitte des 17. Jahrhunderts von den Russen unterworfen. Von den weit über dreihundertfünfzigtausend Burjaten lebt eine geringe Anzahl im Norden der Mongolei, die weitaus meisten sind in Sibirien ansässig, beiderseits des Baikalsees. Anton Tschechow nannte diesen asiatischen Teil Russlands "eine Mischung aus Kaukasus, Ukraine, Schweiz und Finnland...". Wie dazumal Tschechow wird auch heute noch jedem Gast zur Begrüßung etwas Weißes kredenzt. Manchmal ist es Milchbranntwein, meist Salamat, zum Kochen gebrachte Smetana - saure Sahne - , in die die gesiebtes Mehl gibt. Leicht gesalzen, genießt man den Brei aus kleinen Schalen. In jedem burjatischen Haushalt wird Salamat auf Vorrat gekocht, damit sich auch der unverhoffteste Gast geladen fühlen kann; (schwarz auf) weiß bitten auch die burjatischen Sprichwörter zu Tisch.
Diesen unveröffentlichten Text habe ich geschrieben, als ich für das
Bibliographische Institut in Leipzig von 1986 bis 1991 ein Sprichwörterbuch von fünfzig Völkern der (ehemaligen) Sowjetunion erarbeitete,
das wegen des Zerfalls der Sowjetunion nicht mehr erschienen ist.
Als Journalistin der Illustrierten FREIE WELT – die als Russistin ihre Diplomarbeit über russische Sprichwörter geschrieben hat - habe ich auf allen meinen Reportagereisen in die Sowjetunion jahrzehntelang auch Sprichwörter der dort ansässigen Völker gesammelt - von den Völkern selbst, von einschlägigen Wissenschaftlern und Ethnographen, aus Büchern ... - bei einem vierwöchigen Aufenthalt in Moskau saß ich Tag für Tag in der Leninbibliothek. So ist von mir erschienen:
* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.
* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.
* Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.
Ich bin, wie man sieht, gut damit gefahren, es mit diesem turkmenischen Sprichwort zu halten: Hast du Verstand, folge ihm; hast du keinen, gibt`s ja noch die Sprichwörter.
Hier fünfzig burjatische SprichwörteR:
(Unveröffentlicht)
Dem Alten ist Stütze der Stecken, dem Jungen - das Wissen.
Höre der Alten Rat, damit du im Leben nicht fehltrittst.
besser, sich hinkend fortbewegen als ohne Arbeit dazustehen.
Mit deinem Augen siehst du die anderen, im Spiegel dich selbst.
Unfruchtbar ein trockener Baum, unnütz ein leeres Wort.
Ein verdorrter Baum ist eine Bürde für den Wald, eine schlechte Tochter - eine Last für die Familie.
Ein hoher Baum ist die Zierde der Berge, ein holdes Mädchen - die Zier des Hauses.
Einhellig lassen sich sogar Berge versetzen.
Das Bett wärmt, Arbeit ernährt.
Besser bitter als allzu süß.
Der Blinde kennt nicht den Weg, der Betrunkene keine Ruhe.
so zärtlich wie die Blütenblätter der Lotosblume sind junger Mädchen Hände.
Der Dumme dünkt sich höher als der Himmel.
Dumm ist nicht, wer nicht lernte, sondern wir nicht lernen will.
Sich mit einem Dummkopf anzulegen ist wie unfruchtbaren Boden bestellen.
beim faulen Ehemann ist der Hof ohne Brennholz.
Freundschaftlich verbundene Elstern hacken sogar einen Tiger tot.
Halte mit der Erde Freundschaft und nicht mit Feuer und Wasser.
Lange träumen, die Ernte versäumen.
Einen Esel erkennt man an seinen Ohren, einem Dummen an seinen Worten.
Wo man Feuer anlegen kann, da ist auch Platz zum Wohnen.
Zahn Finger sind hundertmal stärker als einer.
Wer gern Fleisch isst, muss sich gut um´s Vieh sorgen.
In einem Fluss mit vielen Pflanzen leben viele Fische, ein Mensch mit Charakter
hat viele Freunde.
Deinem Freund gib kein schimpflich Wort.
Der Mensch braucht einen Freund, das Ross eine ganze Herde.
Ein guter Freund ist unerschütterlicher als eine Festung, ein gutes Pferd schneller
als ein Habicht.
Lieber hundert Freunde als hundert Kühe haben.
Der Gebildete ist wie das Meer, der Ungebildete wie ein Bach.
Die Gedanken der Eltern sind bei den Kindern, die Gedanken der Kinder - in der Taiga.
Ein missgestaltetes Gesicht ist nicht abstoßend, abstoßend ist die Missgestalt der Seele.
Gewohnheit ist selbst mit einem Stein nicht zu erschlagen.
Kahl der Gipfel eines hohen Berges, hohl der Kopf eines Ruhmsüchtigen.
Wenn die Hand arbeitet, hat auch der Mund zu tun.
So mancher fängt mit fremden Händen Schlangen, mit den eigenen schöpft er den Rahm ab.
Wenn einer Hausfrau die Milch anbrennt, beschuldigt sie den Kochtopf.
Bei einer jungen Hausfrau schmeckt das Brot besser.
In der Heimat sind selbst die Steine weich.
Wer anderen hilft, dem wird auch Hilfe zuteil.
Besser mit einem Hund Freundschaft halten als einem Noionen* zu nahe kommen.
Ein Kamel bemerkt seinen Höcker nicht, der Mensch nicht seine Laser.
Der Kessel des Faulpelzes ist so leer wie des Säufers Taschen.
Schwer gegen einen Recken zu kämpfen und gegen einen Noionen* zu prozessieren.
Dem Satten schmeckt selbst der Fettschwanz nicht.
Schweiß vergießend wirst du zum Menschen, Berge versetzend - zum Recken.
Viele Tapfere sind bereit, ihre Hand in den Rachen eines - toten Bären zu stecken.
Dem Trunkenen geht das Nördliche Eismeer bis an den Gürtel und die Angara bis ans Knie.
*Noion= ein Reicher, ein Fürst
Interlinearübersetzung aus dem Russischen von Gertraud Ettrich; gesammelt und in Sprichwortform gebracht von Gisela Reller
Noch auswählen:
Dumm ist nicht, wer nicht lernte, sondern wer nicht lernen will.
Deinem Freund gib kein schimpflich Wort.
Wenn die Hand arbeitet, hat auch der Mund zu tun.
Wenn einer Hausfrau die Milch anbrennt, beschuldigt sie den Kochtopf.
Wer langsam ausschreitet, bleibt länger zurück.
Schwer gegen einen Recken zu kämpfen und gegen einen Noionen* zu prozessieren.
Dem Satten schmeckt selbst der Fettschwanz nicht.
Schweiz vergießend wirst du zum Menschen, Berge versetzend - zum Recken
Viele Tapfere sind bereit, ihre Hand in den Rachen eines - toten Bären zu stecken.
Ein Wort ohne Arg ist wie Butterschmalz, ein Mensch ohne Falsch - ein Kleinod.
*Noion - ein Reicher, ein Fürst. (Interlinearübersetzung aus dem Russischen: Getraud Ettrich, ins Deutsche übertragen: Gisela Reller)
Das Zitat: "
Als Reporterin der Illustrierten FREIE WELT bereiste ich 1975 Burjatien. In meinem Buch „Zwischen Weißem Meer und Baikalsee“, 207 Seiten, mit zahlreichen Fotos von Heinz Krüger und ethnographischen Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring, 1981 im Verlag Neues Leben, Berlin, erschienen, habe ich über die BURJATEN, Adygen und Karelier geschrieben.
Ulan-Ude liegt nicht j.w.d. (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")
"Blondes, schwarzes, rotes; brünettes, weißes, gelbes; blauäugiges, braunäugiges, mandeläugiges Ankommen und Abliegen, Hintersichhaben und Vorsichhaben, Warten und abwarten, Gelassensein und Sichgehenlassen: der Flughafen von Nowosibirsk. Für uns diesmal nur Zwischenstation, noch einmal vier Flugstunden, erst dann sind wir in Ulan-Ude.
Da flattert mir nichts, dir nichts etwas auf uns zu, umarmt mich, schwent sich und mich um und um und ein Foto so dicht vor meinen Augen, dass sich nicht erkennen lässt. Sagt: „Auf dem Foto Manfred. Aus Dresden. Ein Kommilitone. Studiert in Moskau. Wir liiieben uns.´
Was davon flattert, ist unwahrscheinlich langhaarig und langbeinig, dreht sich vor den Leuchtbuchstaben `Abflug nach Moskau 12.10 Uhr´ noch einmal um, ruft: „Bin aus Ulan-Ude. Alles Gute. Ist wunderschön dort.´
Was war denn das?
`Eine verliebte burjatische Maid´, so Jahann Warkentin (Moskauer Reisegefährte auf allen unseren `Völkerschaftsreisen´).
`Ein toller burjatischer Reportageanfang´, so Heinz Krüger (Falkenseer Bildreporter auf allen unseren `Völkerschaftsreisen´).
Ein toller Reportageanfang?
Da sind wir nun seit zwei Tagen unterwegs – mit der Postkutsche hätten wir für diese Strecke ein halbes Jahr benötigt -, sind in Sibirien, Asien…, und da werden wir sogleich als Deutsche identifiziert.
Jedenfalls verweist schon unsere erste burjatische Blitzbekanntschaft das goldverzierte Konversationslexikon von 1894 in seine Schranken, das behauptet, alle Burjaten seien geistig träge, misstrauisch und ungefällig.
Auf dem Flughafen von Ulan-Ude empfängt uns Zyban Naidanowitsch Dugarow, Mitarbeiter des Burjatischen Journalistenverbandes. Er ist groß, kompakt, zwischen vierzig und fünfzig mit dunklem Haar, brünetter Haut, mongolisch breiten Backenknochen, asiatisch schmalen Augen, sehr höflich, sehr liebenswürdig. Im Hotel angekommen, bittet er uns, in einer Stunde im Hotelrestaurant zu sein. Unser ersten burjatisches essen auf burjatischem Territorium möchte er, falls wir gestatten, mit uns gemeinsam einnehmen.
Und ob wir gestatten!
Verblüfft studieren wir jene Stunde später die Speisekarte des Hotelrestaurants: Tschachochbili, Saziwi von Geflügel, Saziwi vom Fisch, Hühnchen Tabaka´, Kaukasischer Schaschlyk… Von heute an wird vierzehn Tage lang georgisch gegessen, hören wir, Spezialitätentage seien eine Spezialität des Hauses `Bair´. Zyban Naidanowitsch macht uns darauf aufmerksam, dass auch Kellner und Serviererinnen georgisch gewandet sind. Und wir waren so gespannt auf Posy, Pelmeny à la Bargusin, Omul, Leber im Speckumschlag, Urme, Salamat, Faulbeeren mit Sarane, Nudelsuppe auf burjatische Art, Chotorgoin Schulan… Man muß uns die Enttäuschung wohl angesehen haben, denn am nächsten Tag stehen al die gewünschten Gerichte auf der Speisekarte.
Ich kann an einem fremden Ort nicht einschlafen, wenn ich ihn nicht ein Weilchen ziellos durchstreift habe. Es ist 21 Uhr, als ich aus der Hoteltür trete. Drei junge Männer – zwei Asiaten, ein Europäer – versuchen mein Hinausgehen zum Hineinschlüpfen auszunutzen. Aber der Hotelportier lässt sich ansehen, daß Angetrunkene bei ihm das Nachsehen haben. Direkt vor dem Hotel ist eine Buchhaltestelle. Da ist ein gar asiatisches und europäisches Ein- und Aussteigen; fast scheint mir, ich sehe mehr Europäer als Asiaten…
Als ich eine breite, vierspurige Straße überquere, stehe ich, gleich einem Zwerg, vor einem gigantischen Denkmal: Auf enorm hohem Sockel Lenin mit – trügt mich die Beleuchtung? – asiatisch schmalen Augen. Es ist ein wunderbar lauer Juliabend, einer, wie ihn sich Datschenbesitzer seit vielen Sommern vergeblich ersehen. Wieder gehe ich über eine Straße. Vorsicht, Ulan-Udes Autorfahrer haben es ungeheuer eilig. Ein leichtes Lüftchen weht, und ich begreife die Redewendung `zittern wie Espenlaub´. Unter Espen, untern Espen gehen spaziern die Mägdelein, wenn du Lust hast anzubinden, so spaziere hinterdrein. Hier promeniert man, hier ist Geschäft an Geschäft, hier muß Uland-Udes Hauptstraße sein. Ein Straßenschild bestätigt meine Vermutung: Uliza Lenina.
Ich sehe moderne Gebäude wie die Bibliothek `Maxim Gorki´, der es um diese Zeit noch geschäftig zugeht (sie soll zu den bestgeführten Bibliotheken der ganzen Sowjetunion gehören), viele Häuser im verpönten Zuckerbäckerstil (der sich hier gar nicht so schlecht ausnimmt), einige klassizistische Bauten aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und Holzhäuser mit ornamentierter Terrasse, wunderschön geschnitzt, bestimmt zweihundert Jahre alt. Romantisch anzusehen. Drin wohnen?
Ich gehe wohl noch zwei Kilometer immer geradeaus, in der Ferne zwei bescheidene Kirchlein, recht uns links ein Fluß – die Selenga, weiß ich; schließlich habe ich meinen Haack-Atlas gar wohl studiert. Mein erster Eindruck: Ulan-Ude – obwohl 5 532 Kilometer von der Unionshauptstadt Moskau entfernt – liegt ganz und gar nicht j.w.d., ist voller Leben und Lachen. Es ist 24 Uhr. Ich bin höllisch müde, obwohl in Berlin die Zeiger erst die fünfte Nachmittagsstunde anzeigen. Apropos Zeitunterschied! Vor Reiseantritt hatte ich meiner Tochter versprochen, zu ganz bestimmten Zeiten an sie zu denken. Heilige Einfalt! Nach burjatischer Zeit steht Katharina um dreizehn Uhr dreißig auf, rekelt sich um zwanzig Uhr auf der Mittagsschlafliege, wird von ihrem `Rabenvater´ eine halbe Stunde nach Mitternacht von der Schule abgeholt, und um zwei Uhr nachts endlich geruht das Unterstufenkind die müden Augen zu schließen.
Als ich lange nach Mitternacht im `Bair´ eintreffe, ist die Tür fest verschlossen. Der Hotelortier guckt mich merkwürdig an. Ich gucke emanzipiert zurück.
Anderntags geht´s ab – zur offiziellen Stadtrundfahrt. (…)
Von Adelsrevolutionären und rotem Rittersporn (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")
"Wir sind auf dem Weg zum Kolchos `Karl Marx´, wo man uns um zwölf Uhr erwartet. Als beide Zeiger die Zwölf erreicht haben, treffen wir auch tatsächlich ein. Allerdings mit zwölf Stunden Verspätung, stockdunkel ist´s. "In Sibirien und ganz besonders in Transbaikalien gibt es auf Reisen immer wieder mehr oder weniger große Verspätungen durch unerwartete kleine Pannen und Zwischenfälle." Bei George Kennan, einem amerikanischen Journalisten, war es 1885 ein Fluss, über den keine Brücke führte, eine gebrochene Wagendeichsel, müde Pferde oder - keine.
Und bei uns?
Umwege über Umwege und ungezählte Aufenthalte, verschuldet durch eine Landschaft, zu schön um nur aus einem Jeepfenster bewundert zu werden; durch die Bewohner, zu mitteilsam und lebenslustig, um sich mit einem freundlich-vorbeihuschenden Lächeln zu begnügen. Ausrufe des Entzückens, wie `Ah!´- `Oh!´ - `Wundervoll!`- `Einmalig, sieh nur...´, deutet unser Fahrer Wolodja stets als bitte zum Anhalten.
Und so verweilen wir hingerissen an einer üppig blühenden, verwirrend duftenden Wiesenlandschaft, auf der wir uns allzu gerne mit Spaten und Perlontüte zu schaffen gemacht hätten, um gelbe Mohnblüten, roten Rittersporn, weiße Tigerlilien, violetten Schneckenklee, blassrosa Mariengrasbltüten mit all den Würzlein auszugraben, damit sie fortblühn am stillen Ort, bald fasziniert uns die Öde der Landschaft - so weit das Auge reicht, kalte Geröllberge ohne Baum und Strauch, bald sind wir inmitten einer unübersehbaren Schafherde, dann wieder nehmen uns wild herangaloppierende Pferde den Atem; wir staunen über die Steppe und über Hunnengräber, pber die alpine Hochgebirgsflora und über Wiesen voller Edelweiß.
Dieser Schönheit konnten sich auch jene vierzehn Männer nicht verschließen, die 1830, mit Ketten an Händen und Füßen, 635 Werst durch burjatische Steppen und über burjatische Berge zogen: nach Transbaikalien verbannte russische Adelsrevolutionäre, die fünf Jahre zuvor einen Aufstand gegen den Zaren gewagt hatten. Eine Notiz des Dekabristen Michail Alexandrowitsch Besthujew ist erhalten geblieben: `Wie großartig und außergewöhnlich schön ist die Natur in Ostsibirien.´
Aus der Familie Bestushew gingen vier Dekabristen hervor. (Der Name Dekabristen, abgeleitet von dem russischen Monatsnamen `dekabr´ - Dezember -, nimmt Bezug auf den Dezemberaufstand 1825.) Viel ist über die russischen Männer, die von der Beseitigung der zaristischen Selbstherrschaft und der Aufhebung der Leibeigenschaft nicht nur träumten, sondern dafür ihr Leben aufs Spiel setzten, geschrieben worden. Der revolutionäre Demokrat Alexander Herzen nannte sie eine Phalanx von Helden... wahre Recken, von Kopf bis Fuß aus reinem Stahl geschmiedet, kriegerische Paladine, die bewußt in den offensichtlichen Untergang gegangen sind, um die junge Generation zu neuem Leben aufzurütteln...´
Am meisten geliebt und verehret wird in Burjatien Nikolai Alexandrowitsch Bestushew. Neun Jahre lang hatte er in dem berüchtigten Bergwerksschacht von Nertschinsk geschuftet, um hier `im schwarzen Moor, tief im Morast...´ (Nikolai Nekrassow) für den Zaren nach Gold zu graben. 1839 endlich durfte er sich frei ansiedeln - in Sibirien natürlich. Zusammen mit seinem Bruder Michail ging er nach Selenginsk, wo bereits sein Freund, der Dekabrist Torson, lebte. Um mehr über Nikolai Alexandrowitsch Bestushew zu erfahren, dessen Name uns auf Straßenschildern, in Gedichten, Liedern und in Gesprächen nun schon so oft begegnet ist, machen wir einen Sechzigkilometerabstecher nach Neu-Selenginsk, in das Dekabristenmuseum. Direktor ist Semjon Iwanowitsch Larionow. Sein russischer Großvater hatte seinem russischen Herrn den roten Hahn aufs Dach gesetzt und war für diese Verzweiflungstat nach Transbaikalien verbannt worden. Seine Nachkommen blieben da, wo sie geboren wurden. Semjon Iwanowitsch Larionow erzählt uns, dass Nikolai Bestushew in den Tagen der Vorbereitung des Aufstandes engster Mitstreiter Rylejews gewesen sei. Als solcher habe er den `Manifestentwurf an das russische Volk´ verfasst.
Kondrati Fjodorowitsch Rylejew, der Spiritus rector des ganzen Geschehens, wurde nach gescheitertem Aufstand zusammen mit vier anderen Aufständischen durch den Strang hingerichtet. 597 Personen standen vor Gericht, über hundert verurteile man zu zum Teil äußerst schweren Freiheitsstrafen, zu sibirischer Katorga (Zwangsarbeit) und Zwangsansiedlung. Unter ihnen war Nikolai Bestushew als `Verbrecher ersten Ranges´.
`Nach seiner Ansiedlung in Sibirien´, weiß Direktor Larionow zu berichten `lebte Nikolai Bestushew sechzehn Jahre lang, bis zu seinem Tode, bei den Burjaten und ... mit den burjaten.´ Der `Verbrecher ersten Ranges´ lehrte die Burjaten, den Acker zu pflügen, regte an, neue Produktionszweige zu erschließen; auf ihn gehen die Anfänge einer Feinwollschafzucht zurück; er richtete eine Lederwaren-, Urmacher-, Juwelier- und Optikerwerkstatt ein; für Fahrten auf den Bergpfaden des Baikalgebietes erfand er einen bequemen Wagen, den die Burjaten `Bestushewka´ nannten. Zur Herstellung dieses Wagens errichtete er eine große Manufaktur, die auch als Ausbildungsstätte diente: Junge Burjaten lernten hier tischlern, schneidern und noch viele andere handwerkliche Fertigkeiten; außerdem waren die Bestushews die ersten Lehrer für die Kinder der Einwohner von Selenginsk...
Häufig wird mit dem Aufstand auf dem Senatsplatz in Leningrad ein Schlussstrich unter die Dekabristenbewegung gezogen. Indessen beendete der 14. Dezember 1825 durchaus nicht die Geschichte der Dekabristenbewegung.
(...)
`Wollen Sie die Gräber besuchen?´ fragt Direktor Larionow. Als wir sichtlich bänglich auf die beachtlich vorgerückten Zeige der Uhr schauen, versichert er uns so glaubwürdig, dass wir nicht den geringsten Zweifel Verdacht schöpfen, sie befänden sich direkt auf dem Weg zum Kolchos `Karl Marx´. Nach vier Stunden an der Gedenkstätte angekommen, verweist Museumsdirektor Larionow auf die Grabtafel. Wir lesen, dass hier nicht nur Nikolai Bestushew, sondern auch seine Frau und sein Sohn ihre letzte Ruhestätte fanden. Außer der Bestushewa waren auch viele andere Frauen der Adelsrevolutionäre ihren Männern in die Verbannung gefolgt, obwohl sie auf alle ihre Adelsprivilegien und die Annehmlichkeiten der Zivilisation verzichten mussten. Nikolai Nekrassow (1821 bis 1878) widmete diesen liebenden russischen Frauen ein herzbewegendes Poem. Die Fürstin Trubezkaja sagt darin:
Was er dort aushält, sicherlich / Ist es entsetzlich schwer. / Drum eben ziemt es sich für mich, / daß ich´s ertrag wie er.//
die Bestushewa starb mit neununddreißig Jahren, der Sohn mit sechs. Dazu Nekrassow:
Doch findet Ihr in der Taiga den Tod, / Euer Andenken wird nicht verwehen. / Die Frau, die die Haft mit dem Manne geteilt, / Die nach soviel Leid und Beschwerden / In eisiger Steppe der Tod ereilt, / wird niemals vergessen werden! //
Nachdichtung von Marin Remané
Sie sind nicht vergessen. Sie nicht und ihre Männer nicht. Der Reaktionär Graf Rostoptschin kennzeichnete die Dekabristen wegen ihrer für eine Adelsrevolution ungewöhnlich fortschrittlich-republikanischen Zielsetzung in einer Sentenz treffend: `Gewöhnlich machen Schuster eine Revolution, um Herren zu werden; hier machten Herren eine Revolution, um wie Schuster zu werden.´
An der Gedenkstätte der Unvergessenen treffen wir junge Dozenten des Eisenbahnertechnikums aus Ulan-Ude. Während ihres Urlaubs gestalten sie - nach abgestimmten Plänen - die Dekabristen-Gedenkstätte neu. Auf einem Obelisk werden diese Gedichtzeilen aus dem Jahre 1827 stehen.
Von Alexander Puschkin / Sendschreiben nach Sibirien / Tief ins Sibiriens Schächten sollt / Ihr stolz das schwere Schicksal tragen, / Denn nicht vergeht, was ihr gewollt, / Nicht eures Geistes hohes Wagen. //
Nachdichtung von Arthur Luther
Von Alexander Odojewski / Antwort auf Puschkins Sendschreiben / Sei ruhig, Barde, auch in Ketten / erheben lächelnd wir das Haupt, / die Freiheit hat man uns geraubt, / doch unsern Geist kann man nicht töten. //
Nachdichtung von Martin Remané
Auch jetzt heißt es noch nicht `Bajartei!´ - `Auf Wiedersehen!´ Nun bewirten uns die Dozenten aus Ulan-Ude mit geräuchertem Omul, wilden schwarzen Johannisbeeren, heißem grünen tee (mit einer Prise Salz) und : bitten um ein Tänzchen in Ehren nach burjatischen Harmonikaklängen auf einem Sedum-Nieswurz-Teppich.
Kolchos, warte, warte noch ein Weilchen..."
Tarchas und der listige Kolchosvorsitzende (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")
„Die burjatische Nacht schleicht sich unversehens heran. Eben noch ist der Himmel rotgelb, und schon ist es, als habe jemand einen Vorhang zugezogen. Die Farben sind gedämpft, nur die Bergkuppen leuchten unbeirrt im roten Widerschein der untergegangenen Sonne. Noch fast vier Autostunden liegen vor uns. Endlich treffen wir im mitternächtlichen Kolchos "Karl Marx" ein. Durchgerüttelt, weniger von dem Tänzchen auf dem Sedum-Nieswurz-Teppich als vielmehr von den Hopserchen unseres wahrhaft geländegängigen Gefährts mit Vierradantrieb. Buddha sei Dank, im Kolchos brennt noch Licht. Vorsichtshalber, so sagt man, gerechnet habe man eigentlich nicht mehr mit uns. Man glaubte, wir wären in einem anderen Kolchos `hängengeblieben´. Als wir gewahr werden, dass nach dem Kolchosvorsitzenden geschickt wird, wehren wir entsetzt ab. wir flehen geradezu darum, den armen Mann doch schlafen zu lassen, auch wir täten jetzt nichts lieber als dies. Doch wir werden unzweideutig darauf hingewiesen, dass hier nichts ohne die Zustimmung des `Alten´ geschieht.
Dieweil wir also des `Kolchosdespoten´ harren, wird uns der Mund wässrig gemacht durch die schnöde Aufzählung all der Gaumenfreuden, die vor zwölf Stunden auf uns gewartet hatten: `Da hätten Sie ordentlich zulangen können.´ Als der neue Tag gerade eine halbe Stunde alt ist, stampfen schwere Stiefelschritte heran. Shameo Balshinimajewitsch Wankejew: schlohweiß, hühnenhaft, bärenstark. Streng beäugt er uns. Dann sagt er lachend: `Unpünktliche Deutsche - wer hat denn so was schon gesehen!´
Wir wollen Entschuldigungen stammeln, er: `Ach was, seid doch da. Müde? Die Dame vielleicht...? Gleich gegenüber vom Kolchosbüro ist unser Gästehaus. Gehen wir.´ Viele Fenster sind inzwischen erleuchtet, und - Irrtum ausgeschlossen - wir gehen verführerischen Düften entgegen. tatsächlich: In Windeseile decken flinke Frauenhände einen Tisch, der alle Müdigkeit vergessen macht. Fette Hammelbrühe mobilisiert unsere entschwunden geglaubten Lebensgeister.
Shameo Balshinimajewitsch ist seit neunundvierzig Jahren Kolchosmitglied, seit dreiunddreißig Jahren Kolchosvorsitzender, seit zweiunddreißig Jahren Deputierter im Nationalitätensowjet des Obersten Sowjets und seit vierundzwanzig Jahren Deputierter des Obersten Sowjets. Da dürfe es dem dümmsten Journalisten nicht schwerfallen, kluge Fragen zu stellen. Aber: Shameo Wankejew erzählt erst von sich, wenn man mit ihm tüchtig gegessen, getrunken und ihm von sich erzählt hat. Man muss ihm erklären, wie man glücklich sein kann, ohne mindestens vier Kinder zu haben (über Familien mit achtzehn Kindern wundert sich in Burjatien niemand) wozu man nach eigenem Auto oder Haus strebt, ob oder ob man nicht in der Partei ist, ob man zu arbeiten und - ob man zu leben versteht...
Erst als er sich ein Bild von uns gemacht hat, , verlieren seine schmalen Augen den durchdringenden (nicht misstrauischen) Blick, und er erzählt: `Kolchosmitglied wurde ich 1930. da war ich siebzehn und so ´ne Art Held. Damals gab es noch eine ganze Mensche Buddhisten, für die es eine große Sünde war, der Erde `weh zu tun´. Ich kannte noch Schuster, die auf Wunsch der Gläubigen Schuhsohlen mit der Fellsohle nach außen anfertigen, damit der Mensch sanft auf die heilige Erde trete.
Kolchosvorsitzender wurde ich 1946. Da war ich zweiunddreißig, gestählt vom Fronteinsatz, ausdauernd und massiv wie ein burjatisches Pferd. Jetzt bin ich fünfundsechzig und - noch immer Kolchosvorsitzender. Damals bestand der Kolchos `Karl Marx´ aus vierzig Gehöften, heute sind es fünfhundert. Die weiteste Ausdehnung des Kolchos beträgt dreihundert Kilometer. Ich erinnere mich noch ganz genau: Die vierzig Gehöfte lagen damals - 1948 - völlig verstreut, die meisten Häuschen standen in einer unzugänglichen schluchtartigen Niederung. Wir wollten ihre Bewohner umsiedeln. Ich redete mir die Zunge wund. Nichts. Jeder Besitzer klebte an seinem Fleck. Als ich mich wieder einmal in Überredungskunst übte, sagte einer ironisch: `gut, Vorsitzender, ich ziehe um wenn ich mein Haus mitnehmen kann, ha, ha, ha...´ Die anderen stimmten wiehernd ein. Drei Tage später rückte ich mit fünfundzwanzig Pferdegespannen und den besten Zimmerleuten des Umkreises an. Die Häuser, die früh abgerissen wurden, standen abends - wiederaufgebaut - im heutigen zentralen Ulus. (So nennt man in Burjatien ein Dorf.) Tja, so war das damals... ohne Elektrizität, kein Wasser, kein Licht, kein Radio. (...)
Endlich sagen wir uns `Gute Nacht´ und Shameo meint: `Denn schlaft mal schön...´ gut gesagt, schwer getan... denn zur Ruhe gekommen, spüre ich, wie zerstochen ich bin. An der Slenga, wo uns Ulan-Udes Dozenten so freundlich bewillkommnet hatten, taten dies, auf ihre Art, auch Myriaden von Mücken, nach Tuwim nur zu dem Zwecke geschaffen, uns die Fliegen sympathisch zu machen.
Nach wenigen Stunden schon, wir wollen gerade frühstücken, braust eine Motorrad vor: Shameo Balshinimajewitsch mit einer riesengroßen Kanne Milch `fürs Großstadtkind´ und einer Einladung an die `Dewuschka´. `Mache meinen Morgenritt, vielleicht findest du was für deinen Block.´
Hui, wie wir abgaloppieren, durch Pfützen, aus denen uns das lehmige Schmutzwasser nur so um die Ohren spritzt - in der Nacht hatte es schauerlich geregnet. Erste Station: das Kolchosbüro. Frage des Vorsitzenden: `Sind die Kinderchen schon angekommen?´ Antwort: `Sind schon draußen auf dem Feld.´ Die `Kinderchen´ sind Komsomolzen, die bei der Heumahd helfen.
Zwanzig Kilometer sausen wir weiter in Richtung Sommerweide, Station Nummer zwei. Nicht ausgeschlossen dass der eine oder andere diesen Weg unpassierbar finden würde. Ausgeschlossen, dass dieser Gedanke dem Fünfundsechzigjährigen kommt. Virtuos weicht er einem wassergefüllten Riesenschlagloch aus, um durch das andere minimal kleinere, minimal weniger mit Regenwasser gefüllt, todesmutig - Stiefelbeine hoch - durchzupreschen. Hoch auf spritzt das Wasser, hoch auf fliegen wir im Sattel. Ein nicht zu vergessender `Motorradritt´.
(...)
Trotz Motorrad, Automobil, Traktor und Mähdrescher gilt noch heute in Burjatien:
was für ein Mann, der im Leben kein Pferd zugeritten hat! Und was für ein
Mensch, der nicht weiß, daß ein Pferd, wenn man es Unagan nennt, noch kein Jahr
alt ist; sagt man Lontschak, ist es ein Einjähriger, geht´s ins zweite Jahr, ist
es ein Schudalen, im dritten ein Gunak, und wenn man schon Hengst oder Stute
sagt, dann weiß ein jedes Kind (in Burjatien), daß diese Pferde schon über fünf
Jahre auf der Welt sind. - Der Kolchos `Karl Marx´ hat fünfhundert Pferde,
dreitausend Rinder, sechsundfünfzigtausend Schafe.
Als wir aus dem Sattel sind, schiebt mich Shameo Balshinimajewitsch in einen Kuhstall, ruft: `Kümmert euch um sie.´ Nur sie treffe ich hier an, die Melkerin Nimajewa. Ich habe schon gelernt, dass man einem Burjaten nicht mit der Tür ins Haus fallen darf. Erst einmal muss man so tun, als hätte man unendlich viel Zeit. Obwohl auch der Tag des Sibiriers aus vierundzwanzig Stunden besteht, hat er davon im Überfluss. Vieles hier versteht man erst, wenn man erkennt, dass in der Tat sowohl Zeit als auch Raum anders sind. Sibirien ist weit. Von Tjumen nach Salechard fliegt man Tausende Kilometer über Sümpfe, Seen und Wälder; Millionen Quadratkilometer sind hier nur von einigen Chanten und Mansen bevölkert. Bei einer Fahrt quer durch Taimyr und Jamal begegnet man nur alle paar Kilometer der einsamen Behausung eines Nenzen oder Nganassanen. Und die Burjaten, ehemals ein Volk der Hirten, wechselten während des Jahres viele Male den Weideplatz. Was galten da Stunden, was Minuten? Vieles im Alltag des Burjaten hat sich verändert. Geblieben ist die Weite des sibirischen Raumes, die den Menschen geprägt hat und noch heute prägt. Dekabristenmuseums-Direktor Larionow wollte uns gewiss kein X für ein U vormachen, als er behauptete, die Gräber der Dekabristen lägen - vier Stunden Umweg! - direkt auf dem Wege zum Kolchos `Karl Marx´. Hat man denn also die Unausschöpflichkeit seiner Zeit bekundet, so beginnt man mit einem unverfänglichen Thema, vielleicht mit dem Wetter. Das kann man loben, das kann man tadeln - das macht sowieso, was es will. In Burjatien - so erfährst du - regnet es oft das ganze Frühjahr über nicht, oft auch in der ersten Sommerhälfte kein einziges Mal, in der sengenden Sonne verdorrt dann alles. In einem Reisebericht des Moskauer Presseagentur APN hatte sich dieser Tatbestand viel besser ausgenommen. Nämlich so: `Mit mindestens 280 Sonnentagen im Jahr steht Burjatien Nizza nicht nach.´
Beim Thema `Zustand der Atmosphäre´ übrigens offenbart sich das Temperament deines Gegenübers. Gehst du einigermaßen geschickt vor, kannst du dir, was die Gesprächsatmosphäre anbelangt, ein gutes Klima schaffen. So peu à peu erzählst du dann, warum du aus Berlin angereist bist, wer du bist, was du treibst. Nun kannst du nahezu jede frage stellen, zum Bespiele auch die, wer den die Melkerin Nimajewa sei, und was sie treibe. So höre ich denn von ihr: Pylshet Nimajewa ist zweiundsechzig Jahre alt, ging lediglich drei Jahre lang zur Schule. Als Melkerin brach sie alle burjatischen Landesrekorde und erhielt als Prämie eine Auto. Es wurde verkauft. `Wir schafften uns einiges an´, sagt sie. Ihr Mann arbeitete als Expedient, bis er 1961 erblindete. `Das Schicksal hat uns nicht geschont." Und sie fügt hinzu: ´Aber unsere fünf Kinder, die werden alle studieren!" Der Jüngste, Bator, studiert am Geologischen Institut in Irkutsk. Der Zweitälteste, Lubzan-Zyren, ist Historiker, seine Frau, Burjatin, ist Russischlehrerin. Beide leben in der Hauptstadt Ulan-Ude. Die beiden Töchter gehen noch zur Schule. Dolgar, `unser Küken´, vierzehn Jahre alt ist Bestschülerin, wünscht sich, am Pädagogischen Institut in Ulan-Ude zu studieren. Darima, achtzehn Jahre alt, Oberschülerin, möchte das Technologische Institut in Ulan-Ude besuchen. Was doch wie schnell aus einem Land ehemaliger Analphabeten geworden ist...
Jetzt frage ich nach dem Kolchosvorsitzenden. `Der?´ Pylshet Nimajewa überlegt. `Das ist ein richtiger Tarchas.´ - Tarchas? - Pylshet Nimajewa, die Schabganssa, so wird auch heute noch eine ältere, geachtete Burjatin genannt, platziert sich und mich auf umgestülpte Melkeiner, greift zur Zigarette. Das Gesicht - eine Haut, wettergegerbt wie Leder - in beide Hände gestützt, erzählt sie mir das Märchen vom listigen Bauern Tarchas.´
*
Es war einmal in alter Zeit ein Khan, der ließ eines Tages seinen Untertanen vor lauter Langeweile verkünden: `wer mich so schlau anlügt, daß ich zugeben muss, dass erlügt, dem gebe ich eine Schale voll Gold.´Kaum hatte sich das herumgesprochen, da erschien der Hofbäcker Malaas-gaj und sprach: `Mein Vater hat zu Hause eine so lange Stange, daß er damit die Sterne am Himmel anrühren kann, genauso wie den Teil im Bottich.´
`Kunststück´, gab der Khan zurück, `mein Vater saß im Hof und rauchte seine Pfeife bei der Sonne an, so lang war sein Pfeifenrohr. Kannst dich trollen.´
Darauf kam der Hofschneider Oleodoj und sagte: `Vater Khan, höre zu, gestern hat es so gedonnert, daß die Himmelsnaht platzte. Bis in die Nacht war ich damit beschäftigt, den Himmel wieder zu flicken.´´
Der Khan grinste. `Oleodoj, deine Naht ist gar nicht übel geworden, aber sie ist leider durchlässig. Heute früh hat es genieselt.
Die Kunde von des Khans Grille drang auch zum Bauern Tarchas. Er kam zum Palast in einem Wagen angefahren, auf dem ein leeres Fass dröhnte.
Der Khan trat ans Fenster und staunte. `He, Tarchas, was bringst du da angeschleppt?´- `Ich komme, eine Schuld einzutreiben, Vater Khan´, antwortete Tarchas.
`Wer ist dein Schuldner?´ - `Du, Khan.´ - `Ich? Na so was!´ - Du hattest dir ein faß voll Gold von mir geborgt!´- Der Khan wurde wütend. `Du lügst!´- `Na, dann her mit der Schale voll Gold!´- `Ach nein, ach ja´, verhaspelte sich der Khan, `du lügst ja gar nicht, du sagst die Wahrheit.´ - `Na, dann gib mir mein Gold zurück!´
Fuchsteufelswild wurde der Khan, aber die Schale voll Gold musste er doch herausrücken.
*
`Tja´, beendet Pylshet Nimajewa ihr Märchen, `so listig und schlau wie Tarchas, so ist auch unser Kolchosvorsitzender. ´Genossin Nimaja´, erklingt es donnergrollend, `von Märchen wird unser Gast nicht satt!´ Und doch habe ich den Eindruck, dass unser Shameo den Vergleich mit Tarchas so übel gar nicht findet."
Mit Bärenspeck in die Taiga (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")
"In der Sommerhütte des russischen Farmleiters Wsewolod Jussew wird mir dessen Frau vorgestellt. Russin ist sie nicht! Burjatin auch nicht! Ehe ich noch frage, sagt Wsewolod Jussew: `Sie ist Chinesin. China und ich - das ist eine lange Geschichte! Ich werde es kurz machen. Meine Eltern waren Eisenbahner, befuhren die östlichste Strecke, die auch durch chinesisches Territorium führte. Eines Tages nahmen sie ihre wenigen Habseligkeiten, um ihr Glück in China zu versuchen. Zwar bekamen sie Heimweh und wollten zurück, aber da kamen die russischen Ereignisse von 1905. Sie blieben, gewöhnten sich ein. Ich wurde dort geboren, ging zur Schule heiratete, lebte mit meiner Frau in Lüschun, dem früheren Port Arthur; Lüschun befindet sich an der Südspitze Chinas, ist bekannt durch den eisfreien Hafen. Immer spürte ich eine heimliche Sehnsucht nach Burjatien, das ich nur aus den Erzählungen meiner Eltern kannte. 1963 erklärte sich meine Frau mit einer Umsiedlung einverstanden. Wir haben fünf Kinder Sie sprechen russisch, chinesisch und inzwischen perfekt burjatisch.´
Shameo Balshinimajetisch hat nicht vergessen, worum ich ihn am allerersten Tag gebeten hatte: um ein Stück zu Fuß durch die Taiga. Und hier, sozusagen gleich nebenan, beginnt sie. Sie, die geheimnisumwehte, schaurig-raubgierige Taiga, die sich nur dem Starken unterwirft. Meyers Lexikon definiert den Begriff Taiga nüchtern so: `Formationsbegriff für die borealen Nadelwälder aus Fichte, Tanne, Lärche, Kiefer mit Birken und eventuell Pappeln des euroasiatischen (Sibirien, Nordskandinavien, Nordosten des europäischen Teils der UdSSR) und des nordamerikanischen Kontinents (Kanada); bildet das größte zusammenhängende Waldgebiet der Erde.
Nun denn, Wsewolod Jussew erklärt sich bereit, mich zu begleiten, mit Buschmesser und Gewehr, versteht sich.
Was sehe ich bei dreistündigem Umherstreifen? Wilde schwarze Johannisbeeren, doppelt so groß wie bei uns, Himbeeren, gegen die unsere Kirschen klein zu nennen sind; hier wächst auch die Moosbeere, die berühmte sibirische `Erdbeere´ , die den Menschen das mangelnde Gemüse (klimatisch bedingt) ersetzt. Auch fast alle Wildarten bevorzugen sie als Leckerbissen; Unmengen Pilze entdecke ich, Reizker, Butterpilze, Steinpilze, handtellergroß, ohne Maden. Es kostet mich ungeheure Überwindung, sie stehenzulassen. Üppige Vegetation, unwegsam oft, alles wächst, wie es will, nirgendwo hilft Menschenhand nach. Und - Schierling, baumgroß. Wehe, wenn du ihn mit Giersch verwechselst, dann bist du so mausetot wie der griechische Philosoph Sokrates, der für seine aufrührerischen Reden mit einem Schierlingstrunk vergiftet wurde. Die Taiga, so erläutert mir Wsewolod Jussew, habe sehr unterschiedliche Gesichter. Hier offenbare sich ihre wilde Schönheit. `In der Taiga gibt es alles. Sie können ebenso gut auf einen Elch, auf ein rentier oder auf einen Bären stoßen wie auf einen Vielfraß, einen Luchs oder einen Wolf. Weiter im Osten auch auf den Tiger.
Nach der ersten Marschstunde reicht mir Wsewolod Jussew ein Stück Speck. `Bärenspeck. Der stammt von einem Bären, der sich an Nüssen der Zirbelkiefer gefeistet hat. Sein Speck ist rosig und dünn, er zerläuft fast. Ein Bär, der sich an anderen Früchten oder an Fleisch fett frisst, hat dagegen harten Speck wie ein Schwein.
Und dann höre ich das gruseligste `Burjatenlatein´. Aber von allem, was mir Wsewolod Jussew als Raubtierersatz liefert, beeindruckt mich am meisten eine Geschichte, die nicht von den zottigen Gesellen handelt, sondern von den kleinen blutgierigen Kribbelmücken. Da hatten zwei junge Burjaten eine Wette abgeschlossen, dass sie ohne Gewehr einen Tag und eine Nacht in der Taiga verbringen würden. Als sie sich abends hinlegten, tranken sie, um sich Mut zu machen, jeder sehr schnell hintereinander eine Flasche Wodka aus. Am nächsten Tag fand man sie tot, von Kopf bis Fuß von Mücken übersät, die den betrunkenen Schlafenden alles Blut aus den Adern gesaugt hatten.
Als wir von unserem anstrengenden Taigatrip zurückkehren, sind längst per Jeep auch Zyban Naidanowitsch, Heinz Krüger und Johann Warkentin eingetroffen. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg, zurück, ins Dorf. Unterwegs treffen wir auf `Kinderchen´, die Komsomolzen, die bei der Heumahd helfen. Rastlos schwingen sie die Sensen, gleichmäßig fällt das Gras.
Es war im Frühjahr 1918, al in Burjatien eine Verfügung aus Moskau eintraf. Danach sollten die Mähwiesen in Zukunft gerecht verteilt werden, nach der Zahl der Familienmitglieder nämlich und nicht, wie bisher, nah der Anzahl des Viehs. Viele Dorfarme hatten damals überhaupt keine Weiden, andere nur winzige Parzellen, von denen nicht mal ein Armvoll heu zu holen war. Die noch bei der Verteilung der üppigen Wiesen gedacht hatten, ein solches Wunder könne es gar nicht geben, konnten sich später nicht satt sehen an ihren hohen Heuschobern. Nicht lange währte ihre Freude. Im August 1918 zogen die Truppen des Weißgardisten Semjonow durch diese Gegend. Da kehrten nach und nach die Reichen zurück, die aus Angst vor der Sowjetmacht geflohen waren. Sie rissen nicht nur die Wiesen, die Geräte und das Vieh, das ihnen abgenommen und aufgeteilt worden war, wieder an sich, sondern raubten den Armen sogar deren eigenen Besitz. Viele, die sich widersetzten, den ihnen von der Sowjetmacht überlassenen Boden zurückzugeben, wurden verhaftet und von den Semjonowschen Behörden eingekerkert; andere wurden umgebracht.
Die jungen Schnitter stimmen ein Lied an:
Summe, Sense..., / blitze im Kreis, / rausche, Gras, / gemähtes. / Neigt, ihr Blumen, / den Kopf zur Erde.//
(...)
Inzwischen hat uns Shameo Balshinimajewitsch mit seinem Motorrad eingeholt. An die `Kinderchen´ gewandt, brüllt er: `Gleich kommt Tee und was zu futtern. Schöne Reihen, saubere Arbeit, ihr könnt im nächsten Jahr wiederkommen.
Zu uns sagt er: `Sechzig Prozent aller Burjaten sind noch nicht achtzehn Jahre alt.´"
„Shameo Balshinimajewitsch lässt es sich an unserem Abschiedstag nicht nehmen, Ulusführer zu spielen (Ulus heißt in Burjatien ein Dorf). Zuerst fällt uns das traute Nebeneinander schmucker neuer Steinhäuser und kleiner altersschwache Holzhäuschen auf - auch die Familie Nimajew bewohnt noch ein solches Haus. `Frau Nimajewa hat viele Auszeichnungen´, erzählt Shameo Balshinimajewitsch, `den Goldenen Stern, den Leninorden, sie ist Held der sozialistischen Arbeit. Eine tolle Person.
Seit 1976 werden zweigeschossige Ziegelhäuser städtischen Typs gebaut. In drei Jahren zieht auch die Familie Nimajew um, hören wir. Wir kommen vorbei an einer zehnklassigen Oberschule (in Burjatien gibt es keinen einzigen Kolchos und keinen Sowchos, der keine Oberschule hat), an einem Internat, an Kinderkrippe und kindergarten. Einige Kindergärten haben rund um die Uhr geöffnet - für die Kinder jener Eltern, die in der Zeit von Mai bis September als Melker auf den Sommerweiden arbeiten oder als Viehzüchter und Hirten, fernab von den Kolchos- und Sowchoszentren. an unserem Weg liegt auch eine Schule für die Unterstufe. Von der ersten bis zur vierten Klasse wird burjatisch gesprochen, Russisch ist Fremdsprachenfach.
Dann sehen wir ein großes Blockhaus, wir haben kaum einen Blick dafür. Leider. Wir hätten unserem Shameo Balshinimajewitsch bestimmt eine Freude bereitet, `denn´, so erklärt er uns, `dieses Haus ist unser Kulturhaus. Wir haben es in den vierziger Jahren gebaut. Nun hat es ausgedient. Es wird jetzt ein neues, viel größeres Steinhaus gebaut. Dieses Holzhaus hat seine Schuldigkeit getan.´ Wir verweilen sinnend vor diesem Haus. Überlegen: Was ist Besonderes daran? Ein bisschen haben wir unseren schlohweißen, hünenhaften, bärenstarken Shameo Balshinimajewitsch Wankejew doch schon kennengelernt.
Was hat er?
Das hat er: `Ach, wissen Sie die Erinnerungen. Das Holz für dieses Haus haben wir damals auf Ochsengespannen her beigeschafft. Aus einer Entfernung von achtzig Kilometern. Wir besaßen zehn Handsägen. Außerdem eine gehörige Portion Enthusiasmus und Optimismus.´
Wir schlagen vor, hineinzugehen. Er beäugt uns forschend, nicht einmal mehr durchdringend wie zu Beginn unserer Bekanntschaft, sagt nur: `Ja´. Gerne.
´Dann sehen wir: einen Kinosaal für etwa hundert Personen, einen Klubraum für Hochzeiten, Beerdigungen..., ausreichend auch für achtzehn Kinder mit ihren Kindeskindern und Enkelkinder, ein Traditionszimmer, einen Fernsehraum, ein Spielzimmer.
Ausgedient?
`Ausgedient. Zu klein, zu wenig Luxuriös.
Danach erklimmen wir eine Anhöhe, von der aus wir auf ein Einkaufszentrum, die Molkerei und Käserei, auf ein Krankenhaus und Ambulanzen blicken. Shameo Balshinimajewitsch schaut zufrieden auf diesen kleinen Ausschnitt seines dreihundert Kilometer weiten Betätigungsfeldes. `Unser Ulus liegt neunhundert Meter über dem Meeresspiegel´, sagt er. Ich frage ihn, was ihm am meisten gefällt. `Was mir am meisten gefällt? Dass heute fast alle Lehrer und Erzieher (achtzig Prozent) aus unserem Kolchos hervorgegangen sind und fast alle Ärzte und das medizinische Personal (siebzig Prozent).
`Bitte, Shameo Balshinimajewitsch, erzählen Sie uns ein bisschen über Ihre Eltern, über Ihre Familie.´
`Meine Mutter konnte weder lesen noch schreiben und ist heute `Held der sozialistischen Arbeit´, Melkerin wie die Genossin Nimajewa! Vater konnte mehr schlecht als recht schreiben. Immerhin gehörte er zu den wenigen, die ihren Angehörigen während des ersten Weltkrieges ein Lebenszeichen schicken konnten. Ich habe - leider - nur vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter. Ein Sohn ist in Ulan-Ude Projektant am Wonungsbau, der andere leistet gerade seinen Dienst bei der Armee. Eine Tochter arbeitet im Kolchos als Ärztin, die andere als Zahnarztgehilfin in Ulan-Ude. Meine Frau ist Lehrerin an unserer Musikfachschule; gegenwärtig ist sie zur Kur.
Hoch oben auf unserer Anhöhe ein Obelisk zum Gedenken an die Toten des Großen Vaterländischen Krieges. In jedem (!) Ort Burjatiens steht ein solcher Obelisk, auf dem alle Namen der ortsansässigen Gefallenen eingraviert sind. Die Kosten für diese Denkmäher brachte überall die Bevölkerung auf. Und Lenin-Pioniere haben im ganzen großen Burjatien jedes Haus, in dem ein toter des großen blutigen Krieges zu beweinen war, mit einem kleinen roten Metallstern gekennzeichnet. [Nach dem Beispiel von "Timur und sein Trupp" von Arkadi Gaidar.] Mieter, die Etagenhäuser beziehen, nageln diese Sterne an ihre Wohnungstür. Jeder Tote lebt in der Erinnerung, kein einziger Gefallener ist in Burjatien vergessen. (...) Auf unserer Anhöhe betrachten wir den Obelisk des Kolchos `Karl Marx´. Zweihundertsechzig Namen sind eingraviert.
Zweihundertsechzig Tote in einem Ort, der aus vierzig Gehöften bestand!
Unvermittelt fragt Shameo Balshinimajewitsch Heinz Krüger, den über Fünfzigjährigen, was er im Krieg gemacht, welchen Rang er bekleidet habe. Er schreckt auch vor der Frage nicht zurüc. Hast du einen Menschen getötet? Einen von uns?
Heinz Krüger kann nein sagen, er war als technischer Fotograf eingesetzt. `Da hattest du aber Glück´, sagt Shameo.
`Und Sie, Shameo Balshinimajewitsch, was taten Sie im Krieg?´ - `Ihr müsst vor Einbruch der Dunkelheit in Ulan-Ude sein. Fahrt mal, ich weiß da sowieso nicht, wo ich anfangen und wo ich aufhören soll.´ Ich hocke mich auf die nackten Geröllsteine, bin unerbittlich. `Fangen Sie an, wo Sie wollen, hören Sie auf, wann Sie wollen.´
Shameo, ganz Tarchas, blinzelt. `Richtig, Mädchen, wir haben ja noch zwölf Stunden gut.´ Entsprechend weit holt er aus.
`Im ersten Weltkrieg wurden die Burjaten nur zu Arbeiten im Hinterland zugelassen. Man traute den `Fremdstämmigen´ nicht. Die Mobilisierten, die ihren Ulus verließen, wurden dazumal von ihren Angehörigen wie Tote beweint; denn wer mehr als zwanzig Kilometer von seinem Heimatort wegging, galt als lebendig begraben. Was guckst du? Ja, damals entfernten sich die Burjaten nur selten auf mehrere Tage von ihrem Heim. Obwohl sie nicht sesshaft waren, keine festen Hofgebäude hatten, sich im Sommer mit leichten Holzhütten, im Winter mit Filzjurten begnügten und während des Jahres dauernd den Weideplatz wechselten, hielten sich die Bewohner eines solchen Nomadenlagers immer innerhalb eines verhältnismäßig engen Bezirks auf.
Im Großen Vaterländischen Krieg kämpften die Burjaten Seite an Seite mit allen anderen Sowjetvölkern. Aus dem Land der Jäger kommend, waren wir bei der faschistischen Armee als Scharfschützen besonders gefürchtet. Für unsere Generation war bereits ein Tausende Kilometer entferntes Gebiet sowjetische Heimaterde.´
In Ulan-Udes `Maxim-Gorki-Bibliothek´ hatte ich zwei vergilbte Dokumente abgeschrieben. Das eine beinhaltet die Selbstverpflichtung der fünfundsechzig Jahre alten burjatischen Kolchosbäuerin Werchuschina aus dem Dorf Scharapol, es trägt das Datum vom 3. Dezember 1941.
`Ich spende für unsere Söhne, die jeden Moment an der Front der Tod oder eine Verwundung erwartet, einen Eber. Sollen die Soldaten der Roten Armee in den Schützengräben Speck essen, dann wird ihnen wärmer werden. Für jene, die verwundet im Lazarett liegen, spende ich sieben Hühner und ein Dutzend Eier. Außerdem werde ich aus Wolle warme Fäustlinge und Socken stricken.´
Die zweite Notiz stammt aus dem Fronttagebuch des burjatischen Gardeobersten W. B. Borsojew vom November 1941.
`Wir erlauben nicht, dass die Stiefel der Hitlersoldateska die ruhmreichen Straßen unseres schönen Moskau zerstampfen...´ Und im Sommer 1943 schrieb er: `Ukraine, liebe Ukraine, halte aus...´
Shameo Balshinimajewitsch erzählt weiter:
`Zu Beginn des Krieges war ich Kompanieführer in der Ukraine. Aber wenn ich das Wort Krieg höre, dann sehe ich immer die Schlacht bei Kursk vor mir. Im November 1941 wurde Kursk - die Stadt liegt Tausende Kilometer von Burjatien entfernt im zentralen Schwarzerdegebiet der europäischen RSFSR - von faschistischen deutschen Truppen erobert, im Februar 1943 durch die Rote Armee befreit. Im Juli gab es dann eine deutsche Offensive. Die im Kursker Frontbogen stehenden sowjetischen Truppen sollten eingekesselt und vernichtet werden. Die Faschisten wollten das in der Schlacht an der Wolga verlorene Prestige der Wehrmacht wiederherstellen. Aber mehrere sowjetische Fronten - zum Beispiel die Woronesher Front, die Zentralfront, die Brjansker Front, zu der ich gehörte - wehrten den Angriff ab und gingen zur Gegenoffensive über. Die Ostfront war 1943 zum entscheidenden Kriegsschauplatz geworden. Die Schlacht bei Kursk, das war die größte Panzerschlacht des ganzen Krieges; zwei Millionen Soldaten prallten aufeinander. Wir waren damals beeindruckt, wie tollkühn sich die Deutschen gebärdeten. In ihren Mienen stand `Sieg´ geschrieben. Sie benahmen sich, als hätte es die gewaltigen Verluste auf ihrer Seite nie gegeben. Erst später erfuhren wir, dass deutsche Reservetruppen hier gekämpft hatten, Deutsche, die noch keine Niederlage kannten. Ich wurde in der Schlacht verwundet, erhielt als Auszeichnung den Alexander-Newski-Orden.´
Sowohl deutsche Soldaten als auch Sowjetsoldaten hatten in der Nacht vor der Schlacht Abschiedsbriefe geschrieben. In diesen und jenen war von Mut und Pflichterfüllung die Rede. Die einen meinten Eroberung von Lebensraum, die anderen die Verteidigung ihrer teuren sowjetischen Heimat.
Unser lieber Kraftfahrer Wolodja - er ist Russe, sein Vater kämpfte im Russisch-Japanischen Krieg, wurde verwundet, kam nach Transbaikalien ins Lazarett, verliebte sich in Wolodjas Mutter und bliebe in Burjatien -, unser lieber Kraftfahrer Wolodja, also, immer ruhig, immer ausgeglichen, zu allen Umwegen und Fahrten freundlich bereit, drängt jetzt sehr energisch auf unsere Abfahrt. Im Dunkeln sei die Rückfahrt wegen des zahlreichen Wildes nicht ganz ungefährlich. Wir hätten ja bei unserer Herfahrt die Sache mit dem Hirsch erlebt...
Shameo Balshinimajewitsch küsst jeden von uns auf eine Wange, erklärt, dass es bei den Burjaten Brauch sei, den Abschiednehmenden auf die eine Wange zu küssen, die andere Wange werde bei der Wiederkehr geküsst. Sehr ernst sagt er: `Kommen Sie wieder.´
Auf der Rückfahrt werden wir - natürlich ist es inzwischen wieder stockdunkel - nur einmal in Schrecken versetzt, dann nämlich, als Wolodja in schneller Fahrt urplötzlich stoppt: In gemächlicher Gangart überquert ein Pferd die Straße. Herrjeh, warum galoppiert es nicht davon? Weil ihm nach Steppenbrauch die Vorderbeine gefesselt sind - Burjatiens Pferde grasen unbehütet.“
Burjatischer Forscherdrang (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")
"Die Sibirische Filiale der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in Akademgorodok hat seit 1966 eine Zweigstelle in Ulan-Ude. Mich wundert das nicht; denn nirgendwo bisher bin ich so perfekt ausgeforscht worden wie in Burjatien.
`Die Burjaten lebten sehr lange im Dunkeln. Jetzt, wo sie Licht haben, kann´s ihnen nicht hell genug sein´, begründet Garmashan Lubopowitsch Sanshijew, Leiter der soziologischen Abteilung, den Forscherdrang seiner Landsleute.
G. Paderin schreibt in seinem Buch `Sibirien zweimal entdeckt´: Wie alle Stammvölker Sibiriens und des Fernen Ostens hat auch Burjatien zwei Lebensläufe: einen langen, sehr langen, den man aber als Nacht bezeichnen, und einen kurzen, über den man Forschungsbände schreiben könnte mit de, Gesamttitel: Morgen.´
In der burjatischen Filiale der Sibirischen Akademie der Wissenschaften wimmelt es nur so von Wissenschaftlern mit und ohne Doktorhut. Könnte das doch Mr. Rupen sehen, der sich in einer amerikanischen Zeitschrift bitter darüber beklagt, dass er - obwohl er sehr gründlich Ausschau gehalten habe - keinen einzigen burjatischen Wissenschaftler zu Gesicht bekam. Wer will, findet hier: ein Gesellschaftswissenschaftliches, ein Naturwissenschaftliches, ein Geologisches Institut; einen Bereich für ökonomische Forschungen, einen für die Erforschung seltener Elemente; Abteilungen, Laboratorien und Sektionen, die wissenschaftliche Forschungen auf den Gebieten Bodenkunde Geobotanik, Zoologie, Genetik, Biochemie, Philosophie, Geschichte, Sprache, Literatur, Volkskunst durchführen.
Da ist Dr. Balbarshi Bagarajew, der mit seinem Kollektiv alte tibetische medizinische Handschriften entziffert.
`Die tibetische Heilkunde war in erster Linie eine prophylaktische Medizin´, erzählte er uns. `In hoher Blüte stand die Psychotherapie. Hier findet man eine Art autogenes Training und Jogaähnliches, hier gibt es Hinweise, wie sich der Organismus am besten bestimmten Lebensumständen anpasst, wie man physische Prozesse selbst steuern kann, wie man lernt, seine Gefühle zu beherrschen. Die moderne Medizin verpasst oft den Zeitpunkt, da dem Menschen noch zu helfen ist, bevor er Patient wird. Sir sind in der Akademie zu der Meinung gekommen, dass das Studium dieser sehr alten medizinischen Quellen geradezu ein Gebot der Zeit ist.´
Da ist Natascha Bolsochojewa, die von einer Unmenge `Büchern in Seidenschärpen umgeben ist.
`Wir haben hier in dieser Bibliothek außerordentlich kostbare Werke´, hören wir, `alles Handschriften, die zum teil nur in ganz wenigen Exemplaren auf der Welt existieren, die meisten sind sogar einmalig - Erbstücke des Buddhismus. Ich beschäftige mich gerade mit altmongolischer Grammatik.´
Da ist der Physiker und Mathematiker Dr. Zydypow. Er berichtet:
`Bein uns werden intensive Forschungen betrieben, deren Ergebnisse bisher fast alle Anwendung in der Praxis fanden. so errichteten wir auf burjatíschem Territorium zwanzig Relaisstationen, so dass weder Berg noch Hügelchen einen guten Fernsehempfang vereiteln können.´
Da ist der Biologe Pjotr Petrowitsch Iwanow, desssen Arbeiten es ermöglichen, landwirtschaftliche Kulturen auch auf den Torfböden Burjatiens anzubauen; da sind Biochemiker, die die Voraussetzungen dafür schufen, dass sich Simmentaler Rinder auch in der Steppe heimisch fühlen, da sind Wissenschaftler, die den Lärchenbestand (70 Prozent des Waldbestandes), die Pflanzenwelt (etwa 1 800 Arten) erforschen, die Tierwelt (rund 160 von den in aller Welt lebenden Vogelarten existieren nur in Burjatien) beobachten.
Worüber man in der Zweigstelle der Sibirischen Akademie der Wissenschaften auch immer spricht, kein Forschungsgebiet ist älter als fünfzig Jahre.. Mit Ausnahe der Orientalistik.
Der größte Orientalist seiner Zeit nämlich war ein Burjate: Dorshi Bansarow. Seine Tragödie war, Sohn eines Kosaken zu sein. 1822 geboren, musste er mit elf Jahren in die Troizkowsker Militärschule eintreten, die für die Grenztruppen Dolmetscher und Schreiber ausbildete. Einem entfernten Verwandten gelang es, Dorshi mit dreizehn Jahren im Kasaner Gymnasium unterzubringen; 1842 wurde er an der Kasaner Universität immatrikuliert. Zu jener Zeit unterrichteten dort so hervorragende russische Gelehrte wie der Mathematiker Nikolai Iwanowitsch Lobatschewski, Rektor der Universität, von seinen Zeitgenossen als `Kopernikus der Geometrie´ bezeichnet.
Schon an der Hochschule erwies sich Dorshi Bansarow als Genie. er schrieb in mongolischer Sprache eine `Allgemeine Geographie´ und eine `Grammatik der mongolischen Sprache´; er übersetzte `Die Reise des chinesischen Buddhisten des 4. Jahrhunderts, des Fa-Sja-Nja´aus dem Französischen; aus der mandschurischen Sprache `Die Reisen Gunischwenis´, der 1711 eine Reise durch Sibirien unternommen hatte; aus der oirotischen Sprache ein Poem über Ubaschi-chun-taidshi; zusammen mit einem Freund stellte er eine mongolisch-kalmykische Grammatik zusammen. 1846 beendete Dorshi Bansarow die Kasaner Universität mit dem Doktorgrad. Seine von ihm verteidigte Dissertation `Die schwarze Magie oder Das Schamanentum bei den Mongolen´ war die erste wissenschaftliche Abhandlung zu diesem Thema. Bis auf den heutigen Tag greifen die Orientalisten auf diese Arbeit zurück.
Mit Beendigung der Kasaner Universität war es auch mit dem Glück des nunmehr Vierundzwanzigjährigen vorbei. Als Angehöriger des Kosakenstandes war er nun verpflichtet, fünfundzwanzig Jahre lang Militärdienst zu leisten.
Dorshi Bansarow, leidenschaftlicher Wissenschaftler, ersuchte um seine Entbindung von jener Erbpflicht. 1847 reiste er in dieser Angelegenheit nach Petersburg. Ein halbes Jahr lang bemühte er sich dort vergeblich um eine Entscheidung. In diesen sechs Monaten veröffentlichte er fünf Untersuchungen und auch zwei wissenschaftliche Arbeiten in deutscher Sprache. Der russische Orientalist W. W. Grigorjew schrieb damals in den `Nachrichten der Kaiserlichen Russischen Geographischen Gesellschaft´, dass Dorshi Bansarow an jeder europäischen Universität mit großer Ehre den Doktorhut tragen könnte.
Nach drei Jahren erst kam Bescheid aus Petersburg. Er brachte mit der Befreiung vom Kosakendienst die Aufnahme in den Beamtenstand. Im Generalgouvernement Sibiriens, in Irkutsk, fern von den wissenschaftlichen Zentren und ihren großen Bibliotheken, ohne Möglichkeit des Gedankenaustausches mit anderen Wissenschaftlern, umgeben von karrieresüchtigen Beamten und intriganten Bürokraten, fand Dorshi Bansarow keinerlei Möglichkeiten mehr zu wissenschaftlicher Betätigung. Welche Infamie der zaristischen Behörden! Fünf Jahre später hatte sich Dorshi Bansarow tot gegrämt - mit dreiunddreißig Jahren.
Jüngstes Forschungsgebiet Burjatiens ist die Geologie. Gegenwärtig sind hundertdreißig Lagerstätten von Bodenschätzen erkundet, in denen fast alle Elemente des Mendelejewschen Periodensystems vorkommen. Dort gibt es Molybdän, Wolfram, Kupfer, Kohle, Eisen Bauxit, Apatit, Asbest, Graphit, Kalkstein, Eisenerz, Zink, Blei, Gold. Unter den Lagerstätten befinden sich viele, die in der Welt einmalig sind. (...) In Schaukästen zeigt das Geologische Institut der Akademie, 1973 gegründet. Proben aller Bodenschätze Burjatiens. Viele hier ist Gold wert, obwohl es nicht glänzt. Zum Beipiel die beiden Minerale Nephrit und Lasurit, grün das eine, blau das andere, rar, als Halbedelsteine hoch geschätzt und hoch bezahlt. Ein Kilogramm Nephrit, unbearbeitet, bringt auf dem Weltmarkt hundertundzwanzig Dollar. (...)
Im `Werk für künstlerische Erzeugnisse und Souvenirs´ hören wir dann, dass Nephrit und Lasurit innerhalb der Sowjetunion nur in Burjatien vorhanden sind; außrhalb der UdSSR sind vorkommen von Lasurit noch in Afghanistan bekannt, hier als Lapislazuli bezeichnet. Dieser seltene Naturstein ist als überaus gefragter Schmuckstein in ägyptischen Schriften schon vor viertausend Jahren genannt, man schrieb ihm Unheil abwehende Kräfte zu.
Nephrit und Lasurit sind schwer zu bearbeitende Minerale, als Schmucksteine an Armreifen, Ringen, Kettenanhängern, Ohrringen, Manschettenknöpfen schön anzusehen. Außer dem schon genannten Schmuck bewundern wir im Werk für künstlerische Erzeugnisse Trinkhörner, Tabakspfeifen, Kännchen und Schälchen, Kästchen und Schatullen aus Silber und Horn. Man produziert jährlich für 750 000 Rubel. Junge Meister (Durchschnittsalter: achtundzwanzig Jahre) pflegen hier nach den Anweisungen alter Meister (Durchschnittsalter: achtundsechzig Jahre) die mehr als fünf Jahrhunderte alte burjatische Kunst der Metallbearbeitung - besonders die Kunst des Silberschmiedehandwerks.
Einer burjatischen Sage nach kamen in uralten Zeiten neun Himmelsbrüder, angeführt vom Meister Boshintoi, ausgerechnet auf burjatische Erde, um die Menschen das Schmiedehandwerk zu lehren. Wissenschaftler fanden heraus, dass die Hauptwerkzeuge dieses Handwerks - Amboss, Hammer, Blasebalg - als das Eigentum besonderer Schutzgeister angesehen wurden, denen zu Ehren man alljährlich zeremonielle Feierlichkeiten veranstaltete. Dementsprechend trug die Arbeit der Schmiede den Charakter einer rituellen Handlung, zu der Fremde nicht zugelassen waren; die Geheimnisse des Handwerks wurden von Geschlecht zu Geschlecht weitervererbt. Nachdem die jungen Burjaten nicht mehr traditionell das wurden, was die Väter waren, drohte die burjatische Silberschmiedekunst in Vergessenheit zu geraten. Deshalb wurde 1973 dieses Werk gegründet. Die vorrangig handgearbeiteten Souvenirs (zum Preis von acht bis achtzig Rubel) sind begehrt von der Pazifikküste bis zum Baltikum.
In der Ziselierwerkstatt fragte ich Anatoli Bjasunow, neunundsechzig Jahre alt, warum er, obwohl seit neun Jahren Rentner, weiterarbeitet. Seine Antwort: `Ich bin Geologe. Mein ganzes Leben lang haben mich Steine begleitet. Ich konnte mich einfach nicht von ihnen trennen. Und nun macht es mir großen Spaß, mit den vielen jungen Leuten (190 von 220 Betriebsangehörigen sind jünger als dreißig Jahre) zusammenzuarbeiten.
Darin Dugarow, zwanzig Jahre alt, erlernt in der zum Betrieb gehörenden Berufsschule das Kunstschmiedehandwerk. Warum er sich gerade für diesen Beruf entschieden hat? `Ich erinnere mich noch an meinen Großvater´, erzählt er mir, `der die schönsten Silberschmiedearbeiten im ganzen Umkreis machte. Vater interessierte sich nicht dafür - er wurde Ingenieur, baute erdbebensichere Häuser. Ich hörte ihn öfter zur Mutter sagen, wie sehr er es bereue, Großvaters Kunst geringgeachtet zu haben. Nun, Großvater würde sich freuen, wenn er sehen könnte, dass wenigsten einer seiner zehn Enkel ihm nacheifert.´"
Unverhoffter Besuch (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")
"Wir entspannen uns von den hitzigen Tagesmühen auf dem Balkon unseres Hotelzimmers bei einer Flasche algerischem Roten. Zärtlich umfächelt uns asiatische Abendkühle. Verblüfft zucken wir zusammen, als uns gemessen-würdevoll ein guter Abend gewünscht wird – von einem Mann Mitte Fünfzig, im akkurat sitzenden dunklen Anzug, mit schneeweißem Hemd und diskretfarbener Krawatte. Sein Name sei Damdin Otscherjapow, sagt er, er sei Mitarbeiter des Ministerrates.
Ministerrat…
Prompt werden unsere entspannten Feierabendmienen ernst und würdevoll. Mit ausgesuchter Höflichkeit bitten wir unserem Besuch, Platz zu nehmen, und fragen zögernd, ob er wohl mit uns ein Gläschen…
Aber ja, strahlt Damdin Otscherjapow, warum denn nicht, schließlich sei er ja kein Buddhist…
Nachdem wir solcherart erfahren haben, was er nicht ist, bemerken wir sogleich, was er ist: ein Hellseher nämlich; denn flugs zaubert er aus seiner schwarzen Aktentasche die Zwillingsschwester unserer Flasche hervor. Genosse Otscherjapow, den Gedanken an eine Eingebung weit von sich weisend, lächelt fein. `Das Hotelpersonal, Sie verstehen…´
Wir verstehen…
Da wir doch nun entschlossen seien, morgen ins Kloster zu gehen eröffnet er das Gespräch, sei er – der Vorsitzende des Rates für religiöse Angelegenheiten – zu uns gekommen, um uns buddhistisch zu kommen. Heute wolle er nur ein wenig mit uns plaudern, morgen dürften wir denn das offizielle Interview `nehmen´. Während unseres Plauderstündchens erfahren wir dann folgendes.
Der Lamaismus, eine stark mit Geister- und Zaubervorstellungen durchsetzte Form des Buddhismus, existierte in Burjatien neben dem Schamanismus. Lamas und Schamanen nutzten die Unwissenheit des Volkes, um sich durch Opfergagen zu bereichern.
Dem Schamanismus liegt der Gedanke zugrunde, der Mensch könne mit unsichtbaren Mächten Beziehungen aufnehmen und sie beeinflussen. Das geschah durch magische Tänze, Beschwörungsformeln und Autosuggestion unter Einwirkung verschiedenster Narkotika. Vermittler zwischen den unsichtbaren Mächten und den Menschen waren die Schamanen. Die Schamanen haben noch Jahre nach der Oktoberrevolution viel Unheil gestiftet. 1931 zum Beispiel wurden bei Opferfesten so viele Tiere getötet, dass in einigen Orten die Ernährungsgrundlage der Bevölkerung gefährdet war.
Vor dem ersten Weltkrieg lebten auf dem Territorium des heutigen Burjatien etwa 180 000 Burjaten, davon waren 15 000 Lamas, Diener des buddhistischen Kults. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass jeder zweitgeborene Sohn ins Kloster gegeben werden musste; heute beträgt das Durchschnittsalter der buddhistischen Mönche sechsundsechzig Jahre.
Vor der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution gab es in Burjatien fast tausendmal mehr Lamas und Schamanen als Lehrer; nur vier Prozent der Bevölkerung war lese- und schreibkundig.
Bis 1928 schafften die Bauern 362 (!) religiöse Feiertage ab.
Nach dem Großen Vaterländischen Krieg, der so vielen Menschen großes Leid gebracht hatte, kam es zu einer Wiederbelebung der Religion. Seit Jahrzehnten war es das erste Mal, dass die Kirchen keinen Mangel an Abiturienten für die neu eröffneten geistlichen Lehranstalten litten.
Unsere Galgenfrist, bis wir ins Kloster gelangen würden, scherzt anderntags Damdin Otscherjapow, betrage nunmehr nur noch etwa eine Stunde. In dem Augenblick, als unser Jeep davon holpert, gibt er das Startzeichen für das von uns erbetene Interview.
Der Artikel 52 der sowjetischen Verfassung garantiert allen Bürgern der UdSSR die Freiheit, religiöse Kulthandlungen auszuüben. Welche Glaubensgemeinschaften gibt es in der Sowjetunion?
Neben der russisch-orthodoxen Kirche, die in der Sowjetunion am stärksten verbreitet ist, haben wir es in Burjatien mit verschiedenen Sekten, mit den Altgläubigen (Raskolniki), dem Lamaismus und mit Überresten des Schamanismus zu tun. Der Schamanismus war Anfang des 18. Jahrhunderts vom tibetischen Buddhismus ziemlich zurückgedrängt worden. Das Wort Lama bezeichnet im Tibetischen einen Mönch - daher die Bezeichnung Lamaismus für den tibetisch-mongolisch-burjatischen Buddhismus. - Die Altgläubigengemeinden entstanden im 17. Jahrhundert nach der Spaltung der russisch-orthodoxen Kirche. Von Katharina II. waren die Altgläubigen in Burjatien angesiedelt - besser gesagt: Sie waren hierher verbannt worden.
Welche Rechte haben die Glaubensgemeinschaften?
Beispielsweise erhalten sie das Grundstück, auf dem ihr Gotteshaus steht, zur kostenlosen Nutzung.
Welche Pflichten haben die Glaubensgemeinschaften?
Sie dürfen die Persönlichkeit des Bürgers nicht unter religiösem Vorwand antasten, der Gesundheit eines Menschen keinen Schaden zufügen, nicht zur Missachtung der Gesetze des Staates, der bürgerlichen und gesellschaftlichen Pflichten aufrufen.
Der Buddhismus ist neben dem Christentum und dem Islam eine der drei Weltreligionen. Wann entstand er?
Seiner Entstehungszeit nach ist der Buddhismus die früheste Weltreligion, man nennt etwa das 6. oder 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Etwa im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung erfolgte eine Spaltung. Die eine Richtung nannte sich Hinayana - `Kleines Fahrzeug´ oder `Schmaler Weg´; diese Richtung setzte sich für eine strenge Einhaltung der Statuten und Dogmen ein und dafür, dass jeder Mensch nur durch eigene Anstrengungen das Nirwana erreicht. Das Nirwana ist der letzte, der ideale Zustand - die Erlösung von allen irdischen Leiden und die Befreiung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten -, den der Weise nach buddhisticher Lehre erstreben muss. Das zweite Richtung, das Mahayana - `Großes Fahrzeug´ oder `Breiter Weg´- vertrat die Auffassung, dass man, um die Masse des Volkes zu erreichen, einen breiteren und leichteren Weg weisen müsse. Es entstand allmählich der Buddhakult mit einer Vielzahl von Göttern und Dämonen, von Buddhas und Bodhisattwas, die Lehre von verlockenden Paradies und einer buddhistischen Hölle mit den raffiniertesten Qualen.
Welche Verbreitung hat der Buddhismus im heutigen Burjatien?
Da in der Sowjetunion in keinem offiziellen Dokument die Rubrik Konfession vorhanden ist, weiß ich nicht, wie viele gläubige Buddhisten es in Burjatien gibt. Jedenfalls existieren auf burjatischem Territorium drei Klöster. Tägliche Gottesdienste finden aber nur noch im Kloster von Iwolginsk statt.
Unterscheidet sich der burjatische Buddhismus in irgendeiner Hinsicht von dem Buddhismus in Tibet, Ceylon, Thailand, Japan, Nepal oder der Mongolischen Volksrepublik?
Ja. Ein wichtiges Gebot des Buddhismus besagt, dass man alle Lebewesen lieben und stets Barmherzigkeit üben soll. Diese buddhistische Liebe zu allen Lebewesen ist ein passives Wohlwollen, das darauf verzichtet, dem Bösen entgegenzuwirken. Man kann bei den Buddhisten von zwei Zentren sprechen. Eines befindet sich in Thailand. Die dortigen Buddhisten lehnen jegliche Beteiligung am politischen Leben ab. Das andere Zentrum befindet sich in der Mongolischen Volksrepublik. Die burjatischen Buddhisten gehören dem zweiten Zentrum an: Sie setzen sich über das Gesetz der Tatenlosigkeit hinweg und treten für Frieden und für soziale Gerechtigkeit ein. Der burjatische Oberlama, der Bandido Chambo Lama, ist Mitglied des sowjetischen Friedensrates. Das Attribut Bandio gibt an, dass es sich um den Inhaber eines gewählten Amtes handelt; Chambo bezeichnet den akademischen Doktorgrad. Unlängst erhielt der burjatische Oberlama anlässlich seines achtzigsten Geburtstages den Orden für Völkerfreundschaft."
Im Kloster von Iwolginsk (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")
"Als Weib, das bei strenggläubigen Buddhisten as eines der Weltübel gilt, wage ich nicht zu hoffen, im Kloster von Iwolginsk mit großen Ehren empfangen zu werden. Aber der Shireta Lama – der Klostervorsteher – reicht auch mir achtungsvoll die Hand, lächelt auch mich so freundlich-unverbindlich an wie meine männlichen Kollegen. Recht eiligen Schrittes führt er uns sodann zum heiligen Tempel, weil dort gerade der tägliche Gottesdienst stattfindet.
Am Eingang bleiben wir wie geblendet stehen. Soviel Farbenpracht, soviel verschwenderischen Reichtum, soviel Fremdartigkeit – das hatten wir nicht erwartet. In der Mitte zwei Reihen karmesinrot und goldgelb gekleideter Lamas im Lotossitz, der konventionellen Sitzhaltung der Buddhisten. (Die Farbe des Gewandes wird vom Rang bestimmt: Gelb weist zum Beispiel auf einen niederen Rang hin.) (…)
Ich zähle achtzehn Lamas. Abwechselnd anschwellend und abklingend ertönt ein Wortgemurmel in tiefen, leisen, immer wiederkehrenden Tönen. Die Stimmen befinden sich in völligem Gleichklang, auf den Bruchteil einer Sekunde beginnen sie die Gebetsformel gemeinsam und hören auf den Bruchteil einer Sekunde wieder auf. Ich höre die Formel `Im mani padme hum!´(`O du Kleinod im Lotos“´) heraus. Dazu schüttelt der Scheretui eine kleine, kugelförmige Rassel, hantiert mit Pauken und Trompeten, mit Muschelhörnern und Triangeln, mit Fahnen und anderem Kirchenzierrat.
Nach dieser beeindruckenden Zeremonie besichtigen wir das ganze Gelände: Das Äußere des heiligen Tempels, architektonisch eine Mischung aus zentralasiatischer und örtlicher Tradition, erbaut als leichter Pavillon mit umführenden Galerien und gebogenen Dächern; Holzschnitzereien und eine grelle Bemalung. Vor diesem Tempel sagt der Shiret Lama: `Diesen herrlichen Tempel haben wir 1972 erbaut. ´Wir bestaunen weitere Tempelchen, drehen kleine und große Gebetsmühlen, besichtigen die beeindruckend schlichten Wohnhütten der Mönche, sehen asketische Mönchsgesichter und sehr alte verhärmte Gläubige…
Dann lädt uns der Oberlama in höchsteigener Person an den abwechslungsreich, doch schlicht gedeckten Tisch. Diese Ehre – so unser Begleiter Damdin Otscherjapow - werde nur ganz wenigen Besuchern zuteil. Ich muss mir erst einmal gefallen lassen, dass wir die Rollen tauschen: Der Oberlama befragt mich, wie lange ich der Heimat fernzubleiben gedenke, was der Begehr meiner Reise sei, ob ich Mann und Kind besäße, wie man es in der DDR mit der Religion halte. Unser Bildungswesen interessiert ihn und die Grenzverhältnisse zwischen Ost und West. (Der amerikanische Journalist George Kennan musste 1885 dem damaligen Oberlama noch die verblüffende Frage beantworten: `Gehen Ihre Landsleute unter unseren Füßen mit dem Kopf nach unten umher?´)
Nun erst lässt der Bandido Chambo Lama seinerseits Fragen zu.
Ich befrage ihn – mit einem Seitenblick auf die mit Fleisch gefüllten Posy (Teigtaschen) – nach den Vorschriften des Buddhismus. Für die Gläubigen, so antwortet er, seien fünf Vorschriften obligatorisch: kein lebendes Wesen zu töten; sich kein fremdes Eigentum anzueignen; keine fremde Frau zu berühren; niemals die Unwahrheit zu sagen; keinen Wein zu trinken. Für einen Mönch hören sich diese Vorschriften weitaus strenger so an: Das Verbot des Tötens wird dahingehend erweitert, dass man nicht einmal den mit dem Auge kaum wahrnehmbaren Insekten etwas zuleide tun darf. Das Verbot, die eheliche Treue zu verletzen, wird dahingehend erweitert, dass man völlige Keuschheit fordert. Statt des Verbots, sich fremdes Eigentum anzueignen, wird die Forderung erhoben, auf jegliches Eigentum zu verzichten. An die Stelle des Verbots, sich zu betrinken, tritt das Gebot strengster Enthaltsamkeit beim Essen und Trinken sowie der Verzicht auf alle Annehmlichkeiten des Lebens überhaupt.
Mit dem Fleisch sei es so: Man unterscheidet zwischen einer Schlachtung, an der man schuldig sei, und einer, an der man unschuldig sei. Gekauftes Fleisch sei deshalb `untadelige Nahrung´.
Dann spreche ich davon, dass ich von den buddhistischen Nachwuchssorgen gehört hätte und davon, daß zehn burjatische junge Männer in die Mongolische Volksrepublik gegangen seien, um von dort nach sechsjähriger Ausbildung als Mönche wiederzukehren. Der Bandido Chambo Lama nickt bestätigend. Außerdem, so fahre ich fort, wüsste ich, dass sie sich ausbedungen hätten, heiraten zu dürfen. Der Oberlama bestätigt kopfnickend auch dies. Zu einem Kommentar ist er jedoch nicht zu bewegen. Aber ich verstehe auch so: Lieber ein unkeuscher buddhistische Mönch als gar keiner.
Seine Zeit sei bemessen, so bedeutet uns der Bandido Chambo Lama. Als Zeichen seiner vorzüglichen Hochachtung überreicht er mir einen Chadak – einen hellblauen langen Seidenschal mit buddhistischen Glücksymbolen.
Auf der Rückfahrt geht mir unser Besuch im Kloster nicht aus dem Kopf. Damdin Otscherjapow war wie ein lieber, guter Freund empfangen worden, kannte sich aus im Dazan (so nennt man in Burjatien ein Kloster), als wäre er dort zu Hause. Scherzhaft frage ich ihn, ob er der Zuständige für oder gegen religiöse Angelegenheiten sei. `Meine Aufgabe´, so lautet seine Antwort, `besteht einerseits darin, das Schüren von Feindschaft und Hass im Zusammenhang mit religiösen Bekenntnissen zu verhindern, andererseits, die Voraussetzungen zu schaffen, damit die Gläubigen ihre Religion ausüben können. Brauchen die Mönche in Iwolginsk Land für den Bau eines Tempels, brauchen sie Pässe, um ins Ausland zu reisen, benötigen sie Rubel oder Valuta – Damdin hilft. Und sie helfen uns, zum Beispiel den Wissenschaftlern an unserer Akademie der Wissenschaften beim Entziffern tibetischer Schriftstücke; unsere Mönche lesen jeden Text. Geben und nehmen – wir kommen glänzend miteinander aus.´“
Der Schritt ins Leben (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")
„Inzwischen sind wir lange genug hier, um sagen zu können, dass sich Burjatiens Hauptstadt durchaus modebewusst gibt. Die jungen Damen gehen ganz mini und sehr maxi, die jungen Herren in gut gebügelten Hosen und leger offenen Hemden, die teils hübsch gemustert, teils dezent bestickt sind. Für Tanz und Theater machen sich alle besonders fein; mit Sportpullover und Jeans `groß´ auszugehen, diese Modewelle, so sagt man uns, haben man schon lange hinter sich.
Und da gibt es doch tatsächlich ein BRD-Lexikon, das auch 1972 in seiner 9. Auflage schreibt, dass die Burjaten noch immer Nomaden seinen und in Filzjurten leben; ihre Kleidung, so behauptet jenes völlig neu bearbeitete Werk, bestünde aus Filzrock, Hosen, Stiefeln und Mütze. Zwar bin ich auf jenes Lexikon nicht abonniert, aber beim Kofferpacken hatte ich doch immerhin überlegt, ob es wohl angebracht sei, lange Röcke in diese ferne Ferne mitzunehmen.
Frau Klara Pawlowna Angaschanowa, Mitte Dreißig, übt, umgeben von Modezeichnungen, Stoffballen, Bergen von Wolle, den für Burjatien noch sehr jungen Beruf und seltenen Beruf der Modeschöpferin aus. Sie hat 1966 ihr Studium an der Hochschule für Modezeichner in Moskau abgeschlossen und zwei Jahre später die erste Ausstellung in Ulan-Ude veranstaltet; ein Teil ihrer Modelle wurde später in der Moskauer Handelskammer gezeigt. `Seitdem´, erzählt uns Frau Angaschanowa stolz, ´treffen bis auf den heutigen tag auch Bestellungen aus Moskau ein. Vorrangig ins unsere Modelle - lange Abend- und Tageskleider, Kostüme, Anzüge, Hemden, Mäntel - für die Jugend bestimmt; ganz vergessen wir aber auch die Älteren nicht. Gegenwärtig werden Mantelstoffe aus der DDR verarbeitet.´
Klara Pawlownas Devise - kein Kleidungsstück, auch keines für Kinder, verlässt die Werkstatt, ohne in irgendeiner Weise dem nationalen Charakter Rechnung zu tragen: durch die typisch burjatischen Farbzusammenstellungen blau-rot-weiß und schwarz-dunkelbraun (die natürlichen Farben der Wolle), durch Ornamentstickerei auf Brustteil oder Saumrand, durch Applikationsstickerei und Schnittdetails altburjatischer Kleidung. `Wir Burjaten´, sagt sie, `möchten modern gekleidet gehen, aber auch auf unseren schönen alten Zierrat nicht verzichten.´
Da die Stammbevölkerung Burjatiens Nomaden und Jäger waren, bevorzugen die burjatischen Ornamente Motive aus der Tier- und Pflanzenwelt. Typisch burjatisch sind Hammelhorn und Sonne - Symbole des Wunsches nach Jagd- und Kampferfolgen, Windungen, die blaues Wasser und bunte Blumen versinnbildlichen. Frau Angaschanowa entwirft und zeichnet ihre Modell selbst, kennt sich in allen Einzelheiten der Fertigungstechnologie von Kleidung und Ornamentierung gut aus und - arbeitet eng mit der Produktion zusammen. Auf Ulan-Udes Straßen ist dieser Tatbestand nicht zu übersehen. Übrigens auch nicht an der BAM, an die monatlich erstaunlich große Posten gefertigter Kleidungsstücke verschickt werden."
Ganz in Weiß, mit einem Blumenstrauß... (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")
„In dem Augenblick, als wir Ulan-Udes Hochzeitspalast betreten, schicken sich Tanja Baldanowa und Pjotr Borchijew an, den Bund fürs Leben zu schließen.
Fürs ganze?
`Aber ja´, so Unterstufenlehrerin Tanja, einundzwanzig Jahre alt, verschmitzt, `der aus Seidenschärpen geknüpfte altburjatische Glückknoten bürgt dafür.´ Ein anderes uraltes Gesetz haben die beiden jedoch ignoriert. Besagtes Gesetz nämlich misst dem Geburtsjahren der braut und denen des Bräutigams große Bedeutung bei. Der buddhistische Kalender - in abgelegenen Gebieten Burjatiens noch bis in die dreißiger Jahre gültig gewesen - teilt die Zeit in Zyklen von jeweils zwölf Jahren ein. Jedes dieser zwölf Jahre hat seinen Namen: das Jahr der Maus, des Stieres, des Tigers, des Hasen, des Drachen, der Schlange, des Pferdes, des Schafes, des Affen, des Hahns, des Hundes, des Schwein; außerdem wurden `harte´ und `weiche´ Jahre unterschieden. Zu den `harten´ gehörten die Jahre des Drachens, des Tigers, des Pferdes, des Hundes, des Schweins, zu den ´weichen´ die übrigen. Glücklich verspricht eine Ehe nur dann zu werden, wenn das Geburtsjahr des Bräutigams ´härter´ als das Geburtsjahr der baut ist oder wenn beide Partner entweder in `harten´ oder in `weichen´ Jahren geboren sind.
Spaßvogel Pjotr, zweiundzwanzig Jahre alt, Arbeiter, schließt Tanja stürmisch in die Armee. `Nur diesem `harten Drachen´ verdanke ich `weicher Affe´, den Mut zu einem Fernstudium gefunden zu haben. Ich studiere Hydromechanik.´
Mit den Alten - so spüre ich - ist über solche Bräuche auch heute noch schlecht scherzen...
Tanja Baldanowa weiß um die altburjatischen Bräuche, die der Frau keinerlei Rechte zubilligten. Sie kennt sie aus den eigenen Familiengeschichten und aus dem Geschichtsunterricht. Aber sich vorstellen, von einem Mann widerspruchslos alles, aber auch alles erdulden zu müssen, nein, das kann sie nicht.
Und Pjotr? Er sagt ganz einfach: `Ich finde, dass die Männer dumm waren. Sie haben auf einen Lebenspartner verzichtet.´
Tanja, heute mehr aufs Hochzeitmachen erpicht, schlägt vor, dass wir uns noch einmal treffen. `Dann kan Ihnen Großmutter Syssegma ihre Lebensgeschichte erzählen. Das ist die Frau dort mit den ganz kurz geschorenen Haaren. Sie ist unsere Nachbarin.´
Bevor wir gehen, präge ich mir Großmutter Syssegmas Äußeres ein: Das kurz geschorene Haar ist grauweiß und hart; unzählige tiefe Runzeln durchfurchen das Gesicht, die Haut ist sehr dunkel, ein wenig gelblich, der Mund zahnlos, eingefallen. Sie hat schwarze, wissende Augen.
Sie lächelt. Unmerklich fast. Aber sie lächelt.
Wäre nicht das schneeweiße Spitzenkrägelchen und das geblümte Schultertuch, man könnte glauben, in das Gesicht eines gutmütigen alten Mannes zu blicken.
Und das ist Großmutter Syssegmas Lebensgeschichte: 1888 geboren, bleib sie als einzige von Elf Geschwistern am Leben. Alle starben, bevor sie laufen konnten. Der Vater arbeitete als Hirt bei einem Noionen - einem Reichen. Sein Wahlspruch war, ein guter Hirt dürfe seine Herde nie verlassen uns sei es auch die eines fremden Mannes. Und so wurden bei einem schweren Gewitter, während alle anderen Schutz gesucht hatten, drei Schafe und er selbst vom Blitz erschlagen. Besagter Noion trauerte inbrünstig seinen drei Schafen nach, seinen Hirten hatte er pfeilgeschwind ersetzt. Syssegmas Mutter, seit Jahren krank, lebte von nun an von dem, was mitleidige Nachbarn ihr brachten, Syssegma musste sich bei fremden Leuten verdingen. Diese Leute behandelten sie nicht schlecht - sie konnte ja auch schuften wie eine Große. Zwölf Jahre alt war sie damals. Zwei Jahre später starb die Mutter. Syssegma weinte, denn nun war sie allein auf der Welt.
Um einen Mann zu bekommen, musste ein Mädchen biegsam sein wie eine Gerte und gehorsam wie ein Kind. Syssegma war beides. Als sie vierzehn war, stellte sich ein Freier ein: Gombo, älter als vierzig, Sohn eines reichen Vaters. Gombo hatte schon zwei Frauen, sie waren ihm zu alte geworden. alle im Aimak (so nennt man in Burjatien einen Rayon) kannten Gombo. Er genoss die Freuden des Lebens, tanzte den Jochor, den burjatischen Nationaltanz, temperamentvoll wie kein anderer. Auch dem Milchbranntwein sprach er zu wie kein zweiter. Er soff ihn eimerweise. Davon, die Wirtschaft zusammenzuhalten, hielt er nicht viel. Deshalb hatte er von seinem Vater früher viel Prügel einstecken müssen - bis der einsah, dass bei seinem Sohn Hopfen und Malz verloren war. Für die Prügel aber schien sich Gombo nun rächen zu wollen. Er prügelte sich mit all und jedem, und auch seine Frauen und seine acht Kinder züchtigte er nach Herzenslust. Jener Gombo also begehrte Syssegma zur Frau. Syssegma ängstigte sich. Sogar Tamshad, bei der sie arbeitet, bemitleidete sie. Aber Dylger, deren Mann, gierte nach dem Brautpreis: ein Pferd, eine Kuh, vier Hammel.
So zog denn Syssegma zu Gombo in die Jurte...
Seitdem sie von der Mutter fort war, hatte es niemanden mehr gegeben, mit dem sie sprechen konnte, dem sie sich anvertraut hätte. Von der Liebe träumte sie, erwartete aber ein solches Glück nicht für sich selbst. Für ihr Leben hatte sie sich ausgemalt, zwei Kinder zur Welt zu bringen. Da die Frau dazumal nicht Söhne und Töchter gebar, wünschte sie sich einen Freier und eine Braut. Für das Glück ihrer Kinder war sie bereit, ihrem Mann - ob Gombo oder nicht Gombo - zu Diensten zu sein. Ob er sie schlug oder nur tadelte, ob er er sie gegehrte oder eine von seinen beiden anderen Frauen, sie beklagte sich nie, zeigte ihm stets ein freundliches, untertäniges Gesicht. Noch kein Jahr war vergangen, da gebar sie ein Mädchen - unbeachtet von Gombo.
Ein Mädchen...
Eines Tages begann Gombo so etwas wie Zuneigung für Syssegma zu empfinden. Er behandelte sie freundlicher, schlug sie seltener. Und Syssegma? Sie mochte ihn nicht. Sie hasste ihn nicht. Er war da. Er war da wie das Pferdegeschirr in der Jurtenecke, die nach Westen zeigte.
Als sie eben siebzehn geworden war, wurde sie ein zweites Mal Mutter, sie gebar einen Jungen. Natürlich hatte die Erfüllung ihrer sehnlichen Wünsche angeblich der Rosenkranz bewirkt, das einzige, was ihr die Mutter hinterlassen hatte.
Als die kleine Darima fünf Jahre alt war, der kleine Schono vier, tauchte ein Mann auf im Ulus [So nennt man in Burjatien ein Dorf]: halb verhungert, zerlumpt, ein russe, der lesen und schreiben konnte. Er nannte sich Iwan. ein Politischer, so munkelte man.
Er war Syssegma wohl dreimal begegnet, als er es wagte, ihr das Joch von der Schulter zu nehmen, um ihr die Wassereimer nach Hause zu tragen. Zufällig kam Gombo auf seinem Pferd dahergesprengt. Er hatte beim Kartenspielen verloren, war völlig betrunken. Rasend vor verletztem Besitzerstolz, zerrte er Syssegma aufs Pferd, trampelte mit Syssegma auf dem Pferderücken - Iwan zum Krüppel, prügelte, in der Jurte angekommen, seinen Sohn Schono so, dass er später starb, nahm Syssegma und das Mädchen Darima aufs Pferd, ritt mit ihnen weit in die Steppe und - setzte sie beide aus. Darima erfror in der Nacht darauf, Syssegma wurde ohnmächtig von einem Jäger aufgefunden. Dessen Frau pflegte sie gesund. Keiner eigenen Handlung mehr fähig, blieb sie in der Familie des Jägers. Damals 1909 - war sie einundzwanzig Jahre alt.
Gombo war für sein Tun von niemandem zur Verantwortung gezogen worden, trank sich - vielleicht hatte er doch so etwas wie ein gewissen - im Laufe eines halben Jahres zu Tode. Syssegma aber blieb ihr ganzes Leben lang allein.
Ich weiß jetzt, warum mir ihr in sich gekehrtes Gesicht so bekannt vorgekommen war. Ich hatte Großmutter Syssegma unter den Gläubigen des Klosters von Iwolinsk gesehen.“
Industrieller Lebenslauf (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")
„1917 Burjatien ist ein rückständiges Randgebiet mit primitivem Ackerbau, nomadischer Viehwirtschaft, industriell unerschlossen. Die Industrialisierung ist hier mit besonderen Schwierigkeiten verbunden: Man zählt nur etwa eintausend Arbeiter in kleinen Handwerksbetrieben, es gibt keinen einzigen Spezialisten mit einer technischen Hochschulausbildung: an Bodenschätzen wird nur das Gold industriell abgebaut; befriedigende Transportwege gibt es weder zu Lande noch zu Wasser.
1928 Die durch Bürgerkrieg und ausländische Intervention zerstörten Kleinstbetriebe sind wiederhergestellt. Drei Jahre später als in der UDSSR insgesamt.
1930 Es bewährt sich die gegenseitige Hilfe der Sowjetvölker: Die Arbeiter einer Leningrader Fabrik und der Moskauer Sowjet der Deputierten der Werktätigen übernehmen die Patenschaft über den bau der wichtigsten Werke der künftigen burjatischen Industrie.
Bis 1941 Einige Betriebe werden rekonstruiert, mehr als einhundert neu errichtet. Über die Hälfte dieser Werke hat Bedeutung für die gesamte Sowjetunion. Die Regierung der Russischen Föderation investiert von 1928 bis 1940 mehr als 987 Millionen Rubel. Sowjet-Burjatien verwandelt sich in eine Industrie-Agrar-Republik.
1941 bis 1945 Während des Großen Vaterländischen Krieges wird fast die gesamte neugeschaffene burjatische Industrie auf Kriegsproduktion umgestellt und leistet der Roten Armee wertvolle Hilfe.
1945 bis 1971 Hinsichtlich des wirtschaftlichen Entwicklungstempos aller autonomen Republiken steht Burjatien an vorderster Stelle. Die Burjatische ASSR ist industriell weitgehend erschlossen.
1972 Der Umfang der Industrieproduktion hat sich gegenüber 1923 (dem Gründungsjahr der Burjatischen ASSR) auf das 786fache erhöht.
1974 Es wird mit dem Bau der Baikal-Amur-Magistrale begonnen. Die Naturreichtümer Burjatiens können nach deren Fertigstellung besser genutzt werden.
1976 In den ersten zwei Jahrzehnten wurden Stromleitungen in einer Gesamtlänge von mehr als zehntausend Kilometern gebaut. - Es entsteht eines der größten Wärmekraftwerke des östlichen Landesteils das Überlandkraftwerk Gussinoosjorsk mit einer Leistung von 2,46 Millionen Kilowatt. Burjatien, das vor dem Großen Oktober sogar Streichhölzer einführen musste, kann Elektroenergie an die Mongolische Volksrepublik abgeben.
1978 Das Apatitkombinat transbaikalien und das Bergbau- und Aufbereitungskombinat Osjornoje, auf dessen Grundlage eine Schwefelsäuregroßproduktion geschaffen wird, entsteht. Das Zellstoff- und Kartonkombinat wird voll in Betrieb genommen.
1979 Sewerobaikalsk - erste Station der BAM auf burjatischem Boden, wird zum 61. Jahrestag des Komsomol in Dienst gestellt. Insgesamt werden in Burjatien unter kompliziertesten geographischen Bedingungen 525 Kilometer Schienen verlegt, sechs der acht BAM-Tunnel müssen hier in die Felsen getrieben werden.
Jemand, der sich schon Hammelaugen, Froschschenkel und frisches Blut munden lassen musste, wird doch ein ohne Arg gereichtes Glas Wasser nicht ablehnen - Wasser, geschöpft aus einem Klärbecken des Zellstoff- und Kartonkombinats Selenga im Gebiet Kabansk. In diesem Kombinat werden Zellstoff und Packpapier nach neuartigem Verfahren aus äußerst minderwertigem Holz hergestellt. Und so liefert dieses Kombinat Zellstoff und Verpackungskarton aus Sägespänen und Abfallholz, wodurch bereits vier Millionen Kubikmeter Nutzholz eingespart wurden. In der ´Prawda´v om 27. Oktober 1978 hatte der Erste Sekretär des Burjatischen Gebietsparteikometees der KPdSU, A. Modogojew geschrieben: `Fast zwei Drittel des Territoriums sind mit Wald bewachsen. Die Vorräte an Holz übersteigen zwei Milliarden Kubikmeter, das ist mehr, als ein solches Waldland wie - sagen wir Finnland - besitzt. Und jährlich beträgt der Zuwachs an Holz neunzehn Millionen Kubikmeter... Besonders wichtig ist es ... eine vollständige Ausnutzung des Holzes ohne Abfälle zu erreichen. Es gab eine Zekt, als die Abfälle zweiundzwanzig Prozent erreichten. Sie wurden verbrannt. Heute erinnern wir uns daran mit Verdruss.´
Chefingenieur Nikolai Fjodorowitsch Krischtok wandert mit uns durch das unübersehbar große Kombinatsgelände, ds einst Sumpfgebiet war. Er ist Ukrainer. Wie kommt er hierher? `Weil ein solchen Kombinat für Burjatien etwas ganz Neues ist. Bis jetzt arbeiten nur etwa fünf Prozent Burjaten hier. Die anderen Spezialisten kommen aus allen Gegenden der Sowjetunion. Sie werden hier solange arbeiten, bis genügend einheimische Fachleute ausgebildet sind. All zulange wird das nicht dauern. Nicht umsonst ist der stellvertretende Kaderleite ein waschechter Burjate.
Gerade als wir in tiefschwarzes brodelndes Wasser blicken, sprudelt aus Nikolai Fjodorowitsch stolz hervor: `Das Wasser, das bei der Papierherstellung in großen Mengen anfällt, wird der Selenga zugeführt, die sechzig Kilometer weiter in den Baikal fließt.´
Herrlicher Baikal, du heiliges Meer..., denke ich trübsinnig, doch Nikolai Fjjodorowitsch klärt mich auf. `Unsere Reinigungsanlagen für die Abwässer sind einzigartig. Besonders interessant ist die biologische Reinigung. Die kohlenwasserstoffhaltigen Abwässer werden einem Belebtschlammbecken zugeführt, in dem bestimmte Mikroorganismen konzentriert sind. Diese Kleinstlebewesen nehmen die Kohlenwasserstoffe in sich auf und oxydieren sie auf biologischem Wege. Dabei entstehen zum Teil Eiweißverbindungen, die schließlich zusammen mit dem Abwasser weitergeleitet werden und für die Umwelt absolut unschädlich sind.´
Tatsächlich, von Klärbecken zu Klärbecken hellt sich sowohl das Gewässer als auch mein Gesicht auf, bis ein Glas Wasser aus dem letzten Klärbecken zu einem Genuss ohne Reue wird.
Nach den Kosten der Anlage befragt, antwortet Nikolai Fjodorowitsch vielsagend: `In Amerika ist kaum ein Unternehmer reich genug, um sich eine solche Kläranlage leisten zu können. Er würde es wohl vorziehen, den Betrieb einzustellen. Der Umweltschutz, so hatten eine Woche vor uns englische Korrespondenten festgestellt, sei eben in erster Linie ein gesellschaftliches und erst in zweiter Linie ein technisches Problem. Wir haben nicht widersprochen.
Allein in Burjatien wurden siebzig Kläranlagen gebaut, um die Zuflüsse des Baikal rein zu halten.
Genosse Modogojew nannte den Baikal eine unschätzbare Perle, die jedem Sowjetbürger teuer ist´, und versicherte: `Um den Baikal brauchte man sich wirklich keine Sorgen zu machen. Sein Schicksal liegt in zuverlässigen Händen. Darauf achten das Zentralkomitee der Partei und die Sowjetregierung sowie insbesondere die Werktätigen Baikaliens und Transbaikaliens.´"
[Da ich diese Zeilen schreibe, finde ich in meinem "Völkerschaftsarchiv" einen Beitrag der "Berliner Zeitung" vom 2. Dezember 2010, in dem Diana Laarz u. a. schreibt: „Eine tiefdunkle Brühe blubbert in der Kläranlage der Zellstoff-Fabrik, klatscht gegen die Betonwände, schlägt dichten Schaum. Die Geschäftsführung an der Südspitze des Baikalsees hat Besuchern die Tore geöffnet. Sie will zeigen, dass das Unternehmen zu Unrecht als Umweltrisiko in Verruf geraten sei, und dass alle Sorgen der Unesco (die Unesco erklärte die Baikal-Region 1996 zum Weltnaturerbe) unbegründet seien. genau so, wie es Premier Wladimir Putin erklärt hat. (...)"Als der Direktor nach den Eigentumsverhältnissen gefragt wird, sei er wortkarg geworden. Mehr als 25 Prozent der Aktien halte die Firma Continental-Invest, mehr wolle er nicht verraten. „Dabei weiß rund um den Baikal fast jeder, das hinter Continental-Invest der Oligarch und Putin-Intimus Oleg Deripaska steckt, und dass auch der Staat selbst mindestens 40 Prozent an der Zellstoff-Fabrik hält. Wie ein Zauberkünstler hebt Filippow ein Glas hoch und gießt Mineralwasser hinein. Genauso klar sehe das Wasser aus, das am Ende des Klärprozesses herauskomme, versichert er. Man könne es sogar trinken." Er ist nicht mehr dabei, als die Gäste zwei Stunden später an der Kläranlage stehen und zusehen, wie Mitarbeiter Wasser abschöpfen“Könnte man dieses Wasser jetzt tatsächlich trinken? Erschrocken wehren die Arbeiter ab." Mich erinnert dieser Artikel an "unser Glas Wasser", direkt aus dem letzen Klärbecken geschöpft, getrunken und: gesund am Leben geblieben! Auch an die Bemerkung des damaligen Chefingenieurs Nikolai Fjodorowitsch Krischtok erinnere ich mich... Sollte der Oligarch NikolaiWladimirowitsch Deripaska - geboren 1968, einer der jüngsten Oligarchen mit einem geschätzten Vermögen von 8,8 Milliarden US-Doller - wirklich nicht reich genug sein, um sich eine effektive Kläranlage zu leisten?
Aber auch mit unserem Glas Wasser - obwohl wir nach dem Genuss keinerlei Beschwerden hatten - scheint doch auch nicht alles in Ordnung gewesen zu sein. Im ND vom 25. Januar 2010 las ich, dass 1987 bei einer Massenvergiftung durch die Chlorverbindung PCB über zehntausend Baikalrobben umkamen. Danach war es zu ersten größeren Umweltdemonstrationen gekommen...]
Herrlicher Baikal (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")
„Auf zur `unschätzbaren Perle´, dem Baikalsee. Ich will es ruhig eingestehen, ich bin bewegt. Baikal - ein Begriff für mich seit 1949, als wir in der fünften Klasse bei meinem Lieblingslehrer Noack das Lied vom `Herrlichen Baikal´ erlernten. Heines `Lorelei´ und diese russische Volksweise - sie gehören zu den wenigen Liedern, von denen ich alle Strophen auswendig kenne. Es waren meine Lieblingslieder, wohl weil Inhalt und Melodie so richtig schön traurig sind. Im Auto beginne ich leise vor mich hinzusummen. Und schon ertönt mein altes Schullied in drei Sprachen: burjatisch, russisch, deutsch.
Herrlicher Baikal, du heiliges Meer, / Auf einer
Lachstonne will ich dich zwingen! / Scharfer Nordost treibt die Wellen daher, /
Rettung sie muss mir gelingen! // Jahrelang schleppt´ ich die Kette am Bein /
Fern in Sibiriens eiskalten Bergen, / Bis eines Tags es gelang, zu befrei´n /
Mich von den Ketten und Schergen. // Heimlich entwich ich in stockdunkler Nacht,
/ Wochenlang musst ich die Taiga durchtraben. / Städte umging ich, das
Bauernvolk bracht´/ Brot mir und andere Gaben. // Herrlicher Baikal, du heiliges
Meer, / Auf einer Lachstonne will ich dich zwingen! / Spann meinen Kittel als
Segel verquer, / Rettung, sie muss mir gelingen.//
Ob jenem Verbannten des 19. Jahrhunderts, dem Verfasser dieses Liedes, die Flucht gelang, ist leider nicht überliefert. Geblieben ist das Lied als Dokument aus der Zarenzeit. Es gehörte auch zu den Lieblingsliedern Lenins, der ebenfalls drei Jahre lang (von 1897 bis 1900) nach Sibirien verbannt war.
Der Dichter Zyban Naidanowisch Dugarow, der mit uns reist, revanchiert sich mit seinem Lieblingsgedicht:
Jenes Land, wo stark den Himmel tragen / Zirbelkiefern, knorrig anzusehn, / wo im Tal bis zu den Wintertagen / wilde Lilien wie in Flammen stehn; / Jenes Land, wo einstiger Geschlechter / rotes Blut die Beeren lässt erglühn, / Wo des Frühjahrs Arbeitsschweiß so prächtig / aufgeht und gedeiht als Saatengrün; / jenes Land, des blaue Weiten alle / ich durchmessen hab so manches Mal, / jenes Land, / das schöne Transbaikalien, / deinen hohen Namen trägt, / Baikal! // Musste in der Kriegszeit dich verlassen... / Oft war´s so / dass Durst mich hart verdross, / doch mir sang dein wunderklares Wasser / lockend, wenn ich nur die Augen schloss. / ... Manchmal wie ein Renner in der Steppe / mir das Herz im Leib vor Freude rast; / manchmal schleppt es wie ein müder Klepper / wankend allzu schwere Lebenslast. / Mögen auch die Sorgen ohne Zahl sein - deine Luft verscheucht sie allemal!// - Darum trage ich als Transbaikalier /deinen lieben Namen stolz, / Baikal! // Was ein Pferd ist wert, sagt dir die Straße, / was ein Freund wert ist, sagt dir die Not... / Geht dir etwas schief - zwei Hände fassen / hilfreich zu und bringen es ins Lot / Freundeshand wird deinen Sturz verhindern, / wenn dich hart am Abgrund Schreck durchzuckt. / Und wo du auch weilen magst, dich findet / deiner guten Freunde Händedruck. / Seine Freundschaft braucht nicht zu beteuern, / wortlos hebt den festlichen Pokal, / wer den Freunden einstmals seine Treue / bei dem lichten Namen schwor - Baikal...
Nachdichtung von Johann Warkentin)
Dieses leidenschaftliche Gedicht, das man mehrere Male lesen muss, um all die schönen Gedanken aufzunehmen, schrieb Damba Sodbitsch Shalsarajew, der bekannteste burjatische Lyriker und Minister für Kultur der Burjatischen ASSR.
Wir werden uns noch näher kennenlernen...
Auf den letzten Autokilometern noch schnell diese Fakten über den Baikal:
Der Baikal liegt etwas zwischen dem 55. und 50 Breitengrad. Sein Alter: zwanzig Millionen Jahre. Seine Tiefe: maximal 1 741 Meter; er ist der tiefste See der Erde. Seine Entstehung ist noch ungeklärt. Er entstand entweder infolge eines plötzlichen Einbruchs der Erdkruste oder durch allmähliches Durchbiegen. Der Fläche nach ist er der achtgrößte See der Welt. Er nimmt ein Gebiet ein, in das Belgien fast völlig verschwinden würde. Er enthält 23,6 Billionen Kubikmeter Süßwasser. Das sind ein Fünftel der Weltvorräte. Seine Länge (634 Kilometer) entspricht etwa zwei Drittel der Strecke Moskau - Leningrad (heute St. Petersburg). In der Breite wurde der See mit minimal 23 Kilometern und maximal 80 Kilometern vermessen. Die Wassertemperatur beträgt im Sommer 12 bis 15 Grad, stellenweise in flachen Schichten bis zu 20 Grad. An den tiefsten Stellen herrscht ständig eine Temperatur von plus 4 Grad. Dort leben noch etwa achthundert verschiedene Arten von Mikroorganismen. Die Hälfte der Wasserpflanzen und sogar siebzig bis fünfundsiebzig Prozent der Mikroorganismen gibt es kein zweites Mal auf unserer Erde.
(...)
Doch nun genug der Fakten, lasst uns auch endlich Landschaft sehen!
Bisher sind wir auf einer üblichen Landstraße gefahren, beidseitig gesäumt von hohen Kiefern, Lärchen, Birken. Und schon im nächsten Augenblick soll der legendenumwobene Baikal vor uns liegen. Als unser Dichter Damba Sodbitsch Shalsarajew mit ausgestrecktem Arm und seligem Lächeln endlich `Daaaa!´ sagt, sehen wir dieses Bild: kleine Holzhäuschen, jeweils abwechselnd durch mal vertikal, mal horizontal gestaltete Holzzäune voneinander getrennt; Heuschober, Stromleitungen, Fernsehantennen. Alles im Gegenlicht, anzusehen wie ein graphisch gestaltete Holzschnitt. Oben blauer Himmel, unten hellgrüne Wiesen mit kurzstengeligen zartbunten Blüten, hinter all dem kobaltblaues Wasser, am anderen Ufer eine im Dunst liegende gewellte Hügelkette.
Schön.
Die Chaussee führt nach links weiter, parallel zur Transsibirischen Eisenbahn, der längsten Eisenbahnstrecke der Erde. Unser Ziel ist das Touristenlager des Kabansker Zenmentwerkes.
(...)
Wie viele Sonnenuntergänge wurden schon beschrieben! Ich jedenfalls erlebe am Baikal den schönsten, den ich je sah. Auch danach ist es noch sehr warm, aber ein leichter Wind kommt auf. Noch kein Bargusin, der nur am Baikal anzutreffen ist und Geschwindigkeiten bis zu vierzig Metern in der Sekunde erreicht. Nach diesem Wind ist ein 54 400 Quadratkilometer großes Naturschutzgebiet benannt, das sich im Norden des Baikalsees befindet. Das Bargusiner Naturschutzgebiet wurde vor über sechzig Jahren eigens für den Zobel, den König der Pelztiere, eingerichtet. Durch rücksichtslose Jagd gab es um 1917 nur noch ein paar vereinzelte Tiere. Heute leben hier vierzig Säugetierarten: Braunbär und Elch, Rentier und Hermelin, Hirsch und Steinbock... Der Zobel ist sogar in den Nachbarwäldern heimisch geworden - in Revieren, wo es nach Angaben Alteingessessener zuvor niemals Zobel gegeben hat.
Viele Tierarten des Bargusiner Naturschutzgebietes findet man sonst nirgends auf der Welt; dazu gehört die Baikalrobbe, die im März ein bis zwei Junge unter einer Eiskuppel zur Welt bringt. Die nächste Verwandte der Baikalrobbe ist eine Ringelrobbe, die im Nördlichen Eismeer, also Tausende Kilometer entfernt lebt.
(...)
Steigbügel an Steigbügel (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")
"In ganz Sibirien war es bei den Einheimischen Sitte, wenn man den Gipfel eines Hügels oder Berges überschritt, den Geistern der Unwetter und Stürme ein Opfer darzubringen. So trennte man sich im äußersten Osten Sibiriens auf jedem Hügel von einer Prise Tabak, in Burjatien (und der Mongolei) schichtete man Steinhaufen auf, streckte dazwischen Äste und behängte sie mit Fetzen seiner Kleidung. Wenn man bedenkt, wie viele Hügelchen es auf einer längeren Wegstrecke zu passieren galt, wird man jeden frommen Burjaten verstehen, der auf Reisen einen religiösen Flickenbeutel mit sich führte.
Nun sollten wir- eingeladen vom Minister für Kultur der Burjatischen ASSR, Damba Sodbitsch Shalsarajew - hoch oben in den Bergen einer Beschwörung burjatischer Berggeister beiwohnen. Damba Shalsarajew irrte aber offensichtlich in der Beschwörungsformel; denn statt von mächtigen Geistern der sibirischen Stürme sind wir plötzlich von feinsinnigen Geistern der burjatischen Literar umgeben: Issai Kalistratowitsch Kalaschnikow taucht von wer weiß woher auf, mit ihm Taras Melanow, der Sekretär des Burjatischen Schriftstellerverbandes. Was nun folgt, ist eine in doppeltem Sinne geistreiche, nächtlich-fröhliche Lektion in Sachen burjatischer Literatur.
Auch die Burjaten haben ihr Nationalepos. Der Wissenschaft ist es erst sei Ende den 19. Jahrhunderts bekannt; denn die Ülger (Burjatiens große Sagen in Versform über Recken) wurden nie ohne wichtigen Anlass vorgetragen: eine große Jagd, eine weite Reise, die Heilung eines Schwerkranken. So glaubte man zum Beispiel, dass der Vortrag eines Heldenepos zur Wiedererlangung des Augenlichts beiträgt. Außerdem gab es einige Tabus: Die Ülgersche (Erzähler) durften Ülger nicht bei Tageslicht, nicht im Beisein Fremder, nicht, um reine Neugier zu befriedigen, aufsagen.
In dem burjatischen Nationalepos `Gässär´ begibt sich der Himmelsbewohner Buche-Beligte auf die Erde, um gegen die Ungerechtigkeit und das Böse zu kämpfen. Als Erdbewohner vollbringt er gewaltige Heldentaten, um seine Lieblingsfrau Urami-Gochon aus der Gefangenschaft und das Menschenvolk vom Joch der heimtückischen Eindringlinge - der drei Scharagol-Khane - zu befreien. Als durch seine Heldentaten Friede und Gerechtigkeit auf Erden gesiegt haben, will er nicht mehr in den Himmel zurückkehren - er hat die Menschen und die Erde liebgewonnen.
Stämme und Sippen von Sorgen befreit, / o welch lang ersehnt glückliche Zeit! / Angestrahlt von der Morgenröte / seine wunderschönen Frauen, / seine recken, die kühnen und rauen (dreiunddreißig sind´s an der Zahl), / die dreihundert Heerführer all, / die dreitausend kämpfen verwegen - und das Volk, dessen land ist gesegnet: / dreimal am tag wohl trinkt und isst; / dreifach im Jahr sein Glück es genießt! /
Nachdichtung von Johann Warkentin
Nur kurz ist Gässers Glück, sein erzürnter Vater verwandelt den ungetreuen Sohn und seine Batoren (Helden) in Felsen. Im burjatischen Volk gibt es eine Legende, nach der die Felsen des Sajaner Gebirges eben die Steinbilder jener Helden sein sollen.
Inzwischen ist es dunkel geworden, ganz leise nur rauschen Kiefern und Lärchen...
(...)
Noch hatten die Burjaten keine eigene Literatursprache, nicht einmal eine einheitliche Schriftsprache. Die burjatische Prosa, die sich damals in den 1930er Jahren erst mit einigen Erzählungen ankündigte, war noch zu schwach, um Eigenständiges zu schaffen.
Bei Mondschein notiere ich: Seit Mitte des 18. Jahrhunderts gibt es (vereinzelte) Aufzeichnungen von Werken des reichhaltigen mündlichen Volksschaffens. Gipfelpunkt ist das nationale Heldenepos `Gässär´ mit mehr als zehntausend (!) Verszeilen. Als Begründer der der burjatischen Literatursprache gilt Choza Namsarajew (189 bis 1959): Sohn eines armen Viehzüchters, klagte er in Versen, Poemen, Einaktern und Erzählungen die Reichen, die Schamanen und die Lamas an. Den ersten Gedichtband schrieb 1922 Solbone Tuja; das erste satirische Poem 1926 Choza Namsarajew; die erste Erzählung 1932 z. Don; das erste Theaterstück 1932 N. Baldano; den ersten Roman 1949 Shamso Tumunow; 1959 erschien der erste Roman über das moderne sowjetburjatische Dorf; 1974 wurde der erste Roman veröffentlicht, in dem die Helden burjatische Arbeiter sind.
Mit der burjatische Schrift, die zum östlichen Zeig der mongolischen Sprache gehört, ging es laut Zyban Naidanowitsch Dugarow, `labyrinthisch´ zu. Zyban Dugarow erlente in der Schule zuerst die mongolischen Schriftzeichen, dann die lateinischen, die von 1931 bis 1937 zur Umschreibung des Burjatischen gebraucht wurden, dann - seit 1937 - ein den sprachlichen Eigenheiten angepasstes kyrillisches Alphabet mit fünfunddreißig Buchstaben, das bis heute Gültigkeit hat.
Unterbrochen nur von stimmungsvollen altburjatischen Volksgesängen unserer Literaten, hören wir weiter, dass die burjatische Literatur heute zu den anerkanntesten der etwa fünfundsiebzig Sowjetliteraturen zählt.
Damba Sodbitsch Shalsarajew würzt die nächtliche (Tageslicht verboten?) Literaturvorlesung mit ungezählten Vierzeilern:
Des Vaters Freund / bleibe dem Sohn ein Freund; / Des Vaters Feind / bleibe dem Sohn nicht feind! //
Statt nur neiderfüllt zu gaffen / auf mein Pferd / solltest Futter du beschaffen / für dein Pferd. //
Denk nicht, dass schlecht der Reiter sei, / der seine Peitsche schlaff lässt hängen; / denk nicht, dass gut der Reiter sei, / der sie stets schwingt mit Strenge. //
Der Pfeile Flug hängt davon ab, / wie du die Sehne straffst, / der Rede Flug hängt davon ab, / wie mit dem Kopf du schaffst. //
Sattelschmuck erfreut den Blick, / ihn vererbten uns die Alten. / Doch den Mann im Sattel schmückt / eine andere Zier - die Haltung.//
Nachdichtung von Johann Warkentin
`Von Menschen´, erklärt Damba Shalsarajew, `die durch eine feste Freundschaft miteinander verbunden sind, sagen wir, dass sie Steigbügel an Steigbügel reiten. (...) Ich persönlich reite mit meinem russischen `Busenfreund´, mit Issai Kalaschnikow, Steigbügel an Steigbügel.
Issai Kalistratowitsch Kalaschnikow, siebenundvierzig Jahre alt, klug, Lebens erfahren, ritterlich, lachlustig, ist von Hause aus Altgläubiger, aufgewachsen mit fanatisch strengen Glaubensregeln.
Die Altgläubigen gibt es in Russland seit dem 17. Jahrhundert. Nachdem der Zar Iwan der Schreckliche einen zentral regierten russischen Staat geschaffen hatte, erwies es sich als notwendig, auch einheitliche Regeln und Zeremonien der russisch-orthodoxen Kirche einzuführen. Unter Zar Alexej Michailowitsch (1629 bis 1676) ließ der Moskauer Patriarch Nikon (1605 bis 1681) von Sprachkundigen die russischen Kirchenbücher anhand der griechischen Originale überprüfen und ihre ursprüngliche Fassung wieder herstellen. Diese Textreform wirkte sich auf die kirchlichen Zeremonien aus. So wurde beispielsweise das seit langem in Russland übliche Bekreuzigen mit zwei Fingern verboten und durch die ältere Form, das Bekreuzigen mit drei Fingern, ersetzt. die Kirchenreform Nikons rief im russischen Volk große Unruhe hervor und führte zur Kirchenspaltung, dem Raskol.
Eigentlich sollte die Kirchenreform Nikons der Festigung des vom Zaren selbstherrlich regierten russischen Staaten dienen, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts den Übergang zur absoluten Monarchie vollzog. Nikon allerdings nutzte diese Reformen zur Verselbständigung der Kirche gegenüber dem Zaren, wodurch er sich mit ihm entzweite. Der Zar und die obersten Kirchenbehörden gingen schließlich mit Waffengewalt und abschreckenden Strafen gegen die `Ketzer´ - Raskolniki oder Altgläubige genannt - vor.
Der Protopope Awwakum Petrowitsch (1620 bis 1682) war einer der einflussreichsten Anführer der Raskolniki. In zahlreichen Sendschreiben, Abhandlungen und Briefen propagierte er leidenschaftlich die alten kirchlichen Bräuche. Wegen seines hartnäckigen Festhaltens am alten Glauben wurde er wiederholt verhaftet, bis er schließlich mit einigen seiner Anhänger auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.
(...)
Einige Zeit seines Martyriums verbrachte Awwakum im burjatischen Aimak Kabansk - auf dem Wege in sein sibirisches Erdgefängnis. Hier verfasste er 1672/1673 eine `Lebensbeschreibung´, in der er seinen Kampf gegen die russische Staatskirche schildert. Als fanatischer Verteidiger des Alten schuf er das `Vorbild einer flammenden und leidenschaftlichen Kämpferrede´ Maxim Gorki). Kenner meinen, dass seine `Lebensbeschreibung´ inhaltlich gleichberechtigt neben den `Bekenntnissen" des Augustinus (354 bis 430) und denen Rousseaus (1712 bis 1778) steht.
In der `Lebensbeschreibung´ Awwakums gibt es einen umfangreichen Abschnitt der die Verbannung nach und in Sibirien widerspiegelt. Einige Zeilen seien hier zitiert: `Dreitausend Werst legten wir mühsam in ungefähr dreizehn Wochen zurück, im wagen oder zu Wasser, die Hälfte davon auf dem Schlitten... Danach schaffte man mich in die Festung Bratsk und warf mich dort in den Kerker. Nur ein wenig Stroh gab man mir. Und ich saß bei Philippfasten in dem eisigkalten Gefängnisturm. Zu jener Zeit herrschte dort bereits der Winter, aber Gott wärmte mich auch ohne Kleidung. Wie ein Hündchen lag ich dort im Stroh. Manchmal brachte man mir zu essen, manchmal nicht... Viel Mäuse gab es dort, ich schlug mit mein Rücken voller Eiter war. Es wimmelte von Flöhen und Läusen... Es war nun schon der vierte Sommer seit meiner Abfahrt zu Schiff aus Tobolsk. Wir flößten Holz für den Häuserbau und für die Stadtbefestigung. Bald hatten wir nichts mehr zu essen. Vom Hunger und vom Herumwaten im Wasser begannen die Leute dahinzusterben. Der Fluss war zu seicht, die Flöße zu schwer, die Aufseher unbarmherzig, ihre Stöcke wuchtig, die Knüppel knorrig, die Peitschen scharf und grausam die Folter: Feuer und Rad. Die Leute waren ausgehungert, die geringste Quälerei brachte den Tod. Ach, waren das Zeiten!
`Bis auf den heutigen Tag gibt es in Burjatien drei Dörfer, in denen fast nur Altgläubige wohnen, in Blockhäusern, die ungetüncht sind. Sie werden jährlich einmal mit Wasser und Sand abgeschrubbt, wodurch sie immer ´appetitlich´ anzusehen sind. Die Fenstersimse sind kunstvoll geschnitzt, die Fensterläden bunt bemalt. Dichte Lattenzäune verwehren neugierigen Augen einen blick ins Gehöftinnere. Die Semejskije (von `semja´, Familie), wie sie sich selber nennen,, grenzen sich strikt von der Außenwelt ab, wodurch sie strenge Ablehnung allem Fremden gegenüber zum Ausdruck bringen. Ein andersgläubiger Zufallsgast (oder Journalist) wird von ihnen zwar mit allen Ehren bewirtet, aber Geschirr und Besteck werden nach dem Essen sofort als entweiht weggeworfen.
Die Vorfahren von Issai Kalaschnikow waren bereits im 18. Jahrhundert unter der Zarin Katharina I (1729 bis 1796, Zarin seit 1762) hinter den eiskalten Baikal verbannt worden. Hier im Ulus Scharaldai im Aimalk Muchor-Schibir wurde Issai geboren. Seine Kindheit verbrachte er bei den Großeltern. `Beide´, so erzählt er mir, `waren große Kenner vieler Gebete, alle musste ich lernen. Die Semejskije sind Glaubensfanatiker.´ Alexej Tscherkassow beschreibt in seinem historischen Roman `Hopfen´ (in der DDR unter dem Titel `Liebe auf dem Scheiterhaufen´ erschienen), wie eine Altgläubigen-Sekte für Andersgläubige zur Hölle wird. Folterungen und Ketzerverbrennungen sind in jenen Zeiten an der Tagesordnung. Da wird ein Mädchen verbrannt, weil sie einen Mann aus einer anderen Sekte heiraten will; eine jungen Frau muss sterben, weil sie ein Kind mit sechs Fingern zur Welt bringt...
´Und dennoch´ fährt Issai Kalaschnikow fort, `der Glaube war nicht nur schlecht. So fanatisch sich Altgläubige gegenüber Andersgläubigen auch gebärden mochten, mit gleichem Einsatz lehnten sie sich gegen Zarentum, Leibeigenschaft und Kirche auf. Ihre Glaubenstreue half ihnen, im fernen Sibirien zu überleben.
áls Issai Kalaschnikow zehn Jahre alt war, brach der Große Vaterländische Krieg aus. Die Männer waren schon bald alle an der Front. Frauen und Kinder pflügten das Land, beschafften Holz, mähten Heu, hüteten das Vieh. Auch Issai war mehr auf Feld und Weide zu finden als im Schulgebäude. Als er fünf Klassen absolviert hatte, begann er im Kolchos zu arbeiten - auf der Milchfarm und in der Traktorenbrigade. Ab 1949 war er im Forstwirtschaftsbetrieb von Itanzinsk tätig, zunächst als Gautscher bei Holzflößen auf dem Fluss Itanza, dann als Dreher in den mechanischen Werkstätten. Issai Kalaschnikow war dreiundzwanzig Jahre alt und trug wie seine Glaubensbrüder einen langen Bart. (Wehe dem Altgläubigen, der sein Gesicht nackt zeigte!) Er rauchte nicht, er trank nicht, er lebte wie ein Asket.
Jedoch seit seiner Schulzeit war ein quälender Zwiespalt in ihm.
Issai Kalaschnikow begann zu schreiben. Seine ersten Skizzen erschienen in dem Sammelband `Die Stimme der Jungen´. Ab 1954 arbeitete er als redaktioneller Mitarbeiter der Zeitung `´Die Jugend Burjatiens´ und besuchte die Abendschule. Der schriftstellerisch Begabte wurde an das Moskauer Literaturinstitut `Maxim Gorki´ delegiert, 1965 beendete er sein Studium. Vier Jahre später gelang ihm der große Wurf, der Roman `Das Zerreißkraut´. Zehn Jahre lang hatte er an diesem Roman über die Bewohner des abgelegenen transbaikalischen Dörfchens Taischischi gearbeitet. Sein Roman beginnt damit, wie der Altgläubige Nasar Iwanowitsch an der Schwelle des Todes die Söhne beschwört: `Behütet das Alte, behütet es gut.´ Doch sehr verschiedene Wege gehen seine drei Söhne durchs Leben... Für diesen großangelegten Roman erhielt Issai Kalaschnikow den Literaturpreis der Burjatischen ASSR. Heute ist der ehemalige Altgläubige Mitglied des Schriftstellerverbandes.
Burjatiens Kulturminister Damba Shalsarajew ist der um sechs Jahre ältere der beiden `Busenfreunde´. Wie gravierend doch ein Unterschied von nur sechs Jahren sein kann... Als Issai gerade die fünfte Klasse hinter sich ließ, ging Damba als Achtzehnjähriger Rotarmist bereits an die Front. Das macht ihn gegenüber Isssai zu einem Gebenden. Andererseits hatte Issai Kalalachnikow zwar keine Kampferfahrungen auf einem Kriegsschauplatz, wohl aber sehr bewegende innere Kämpfe ausgefochten, bis er sich als äußeres Zeichen seiner Glaubensabsage den fünfzig Zentimeter langen Bart abnehmen ließ. Und das wohl macht die beiden wieder ebenbürtig. `Jahrhundertelan´, erzählt Issai Kalaschnikow, `zwang die Not Altgläubige und Burjaten zusammenzuhalten. zum Beispiel pflegten sie einen regelmäßigen Warenaustausch. Im Gegensatz zu den meisten Sibiriern waren die Burjaten den verbannten Altgläubigen gegenüber mitleidig und hilfsbereit. Sie achteten die beharrliche Gläubigkeit der Semejskije. Die Beziehungen zwischen Altgläubigen und Burjaten hatten sich hier in Transbaikalien so gefestigt, dass sich während des Krieges meine fanatisch gläubige Familie eines burjatischen Waisenjungen annahm.´
Jedenfalls spürt man deutlich in so intimer Atmosphäre, dass der Burjate Damba Sodbitsch und der Russe Issasi Kalistratowitsch tatsächlich ´Steigbügel an Steigbügel´ reiten (`Was ein Pferd ist wert / sagt dir die Straße / was ein Freund wert ist / sagt dir die Not...´).
Bajartei! - Auf Wiedersehen! (LESEPROBE aus: "Zwischen Weißem Meer und Baikalsee")
„Es ist bei den Burjaten Brauch, einem Gast zur Begrüßung etwas Weißes zu kredenzen. Manchmal ist es Milchbranntwein, meist Salamat, zum Kochen gebrachte Smetanna, saure Sahne, die ständig mit einem Holzquirl umgerührt wird. In die brodelnde Sahne gibt man gesiebtes Roggenmehl, das so lange gekocht wird, bis auf der Boberfläche der brodelnden Masse eine Art ausgelassener Butter erscheint. Leich gesalzen, serviert man den Brei in kleinen Schälchen. In jedem burjatischen Haushalt wird Salamat stets auf Vorrat gekocht, damit sich auch der unverhoffteste Gast geladen fühlen kann. Doch damit ist es für uns endgütig vorbei, morgen fliegen wir, diesmal mit Zwischenlandung in Irkutsk, zurück nach Moskau.
Wie ich in einem fremden Ort nicht einschlafen kann, ohne ihn ein paar Stündchen ziellos durchstreift zu haben, so kann ich nicht abreisen ohne vorangegangenen Abschiedsbummel.
Es ist achtzehn Uhr, als ich aus der Hoteltür trete. Wieder beobachte ich an der Bushaltestelle das asiatische und europäische Ein- und Aussteigen. Inzwischen weiß ich, dass in Burjatien 22 Prozent Burjaten legen, 73,5 Prozent Russen, 1,3 Prozent Ukrainer, 1,2 Prozent Tataren; insgesamt sind in Burjatien achtzig Nationalitäten ansässig, In einer hiesigen Zeitung las ich von einer Baubrigade, in der Angehörige von zehn Nationalitäten vertreten sind; der Brigadier ist Armenier.
am Kiosk - dieser hier hat bis 21 Uhr geöffnet - kaufe ich meine letzten Zeitungen, die `Prawda Burjatii´ (`Die Wahrheit Burjatiens´ in russischer Sprache) und - als Schriftprobe - die `Burjad unän´ (`Die Wahrheit Burjatiens´ in burjatischer Sprache). Diese Zeitungen unter dem Arm, erinnere ich mich des Lachens der beiden Chefredakteure, als ich sie fragte, ob sie sich gegenseitig Konkurrenz machen. Ohne Umstände hatten sie ihre Auflagenziffern genannt: Die `Burjatische Wahrheit´ hat eine Auflage von 8 300 Exemplaren, die `Russische Wahrheit´ wird in 97 000 Exemplaren verlegt. Der burjatische Chefredakteur Zyden Zybudejewitsch Zybudejew erklärt den Unterschied in der Auflagenhöhe so: ´Laut Statistik ist für 92,6 Prozent der Burjaten die Muttersprache Burjatisch. Unsere Verkehrssprache jedoch ist Russisch. Die aktuelle Tagespolitik lesen die meisten Burjaten deshalb lieber in russischer Sprache. Insgesamt erscheinen in Burjatien dreißig Zeitungen, dreizehn davon in burjatischer Sprache.´
Die breite, vierspurige Straße, die ich überquere, führt zum Platz der Sowjets. Das gigantische Lenindenkmal hier ist Ausdruck gigantischer Verehrung. Kein Burjate, der in einem längeren Gespräch nicht auf Lenins Vorschlag vom 13. Oktober 1920 zu sprechen käme, in dem von Wladimir Iljitsch Autnomie für die östlichen Völkerschaften, insbesondere für die Burjaten, gefordert wurde. Vielleicht ist deshalb Lenins Augenpartie dem burjatischen Bildhauer so besonders schmal geraten.
Es ist ein warmer Augustabend, doch die ersten Nachtfröste stehen unmittelbar bevor. Die Uliza Lenina steigt ein wenig an, Stufen erleichtern den gemäßigten Aufstieg. So manches Gesicht, in das ich, unter Espen wandelnd, blicke, ist weder direkt asiatisch noch europäisch zu nennen. von 183 900 Familien Burjatiens nämlich sind 12 100 gemischt. Unterschieden in Hauptstadt und übrige ASSR sieht das Verhältnis so aus: 85 000 Familien leben in Ulan-Ude, 7 400 davon sind gemischt, von den weiteren im Land lebenden 98 700 Familien sind es 4 700.
Ich pausiere vor Ulan-Udes Opern- und Balletttheater. 1948 erst gegründet, hat in diesem Gebäude schon die sechzehnte Oper Bau Jampilows, eines Verdienten Künstlers der RSFSR, Premiere: `Zyrempil Ranshurow´.
Zyrempil Zyrempilowitsch Ranshurow war Burjatiens erster Revolutionär. Er nahm an allen drei russischen Revolutionen teil und lernte als Zwangsarbeiter alle Gefängnisse der Nertschinsker Lager kennen, so das Gefängnis in Akatu, das in Algatschin und das in Gorny-Serentui.
Mit meinen Gedanken im Jahre 1918, erinnere ich mich der nächtlichen Rückfahrt zum Kolchos `Karl Marx´. Ich war gerade etwas eingenickt, als mich Zyban Naidanowtisch mit den Worten geweckt hatte: `Schauen Sie aus dem Fenster. Hier hat Ungern gewütet. Dieses Scheusal, dieser weißgardistische Henker, dieser Teufel, dieser Tschinggis-Chan des zwanzigsten Jahrhunderts.´
Zum ersten mal spüre ich, welche Beherrschung sich hinter dem gezähmten Temperament des echten Asiaten verbirgt.
Im Zusammenhang mit den Komsomolzen, die zur Heumahd in den Kolchos `Karl Marx´gekommen waren, erwähnte ich schon den Ataman Semjonow. Ungern - Baron Roman von Ungern-Sternberg, letzter spross eines verarmten deutsch-baltischen Rittergeschlechts - war einer der engsten Kampfgefährten jenes konterrevolutionären Atamans. Für seine Untaten nach dem Vorbild Tschinggis-Chans erhielt Ungern den Rang eines Khans mit dem Titel Darhang Huoschoi Tsching-Wang sowie das Recht, einen grünen Umhang, eine gelbe pelzgefütterte Jacke zu tragen und gelbe Zügel zu benutzen. Sein Name ist in ganz Transbaikalien verhasst.
Auf einer Bank an der Selenga sitzend, hatte ich Bair schon ein Weilchen beim Angeln zugeschaut. Nun erkennt er auch mich.
Bair - sein Name bedeutet Freude - hat an einem technologischen Institut in Moskau studiert. Sein Vater war einer jener Offiziere, die die Dresdner Kunstschätze retteten. Bairs Hobby ist Vornamensforschung. Er weiß in Burjatien jeden Namen zu deuten, weiß, ob er tibetischen, burjatischen, mongolischen, russischen oder wer weiß welchen Ursprungs ist. Nach der Revolution zum Beispiel gaben viele Eltern ihren Neugeborenen, um ihre Verbundenheit mit dem russischen Brudervolk zu zeigen, russische Vornamen. Viele Namen wurden, man bedenke die Lese- und Schreibunkundigkeit der Burjaten - so verstümmelt, dass sie als russische Vornamen kaum wiederzuerkennen sind. Aus Nikolai wurde Nichuulai, aus Michail - Michaala, aus Wassili - Baschiila, aus Timofej - Tampee... Viele russische Familiennamen wurden zu burjatischen Vornamen: Aus Petrow - Pitroob, aus Lenski - Lenskee, aus Darwin - Daarbi... Auch jetzt, an der Selenga, scheint Bair mehr darauf aus zu sein, merkwürdige Vornamen zu angeln als fische; denn freudestrahlend weist er auf ein Boot und sagt: `Da rudert Traktor´. Viele Eltern wollten nach der Revolution, indem sie ihren Kindern solche Namen gaben, mit der Zeit Schritt halten. Nun, manche wollen es wohl auch heute noch. Wir jedenfalls haben eine siebenjährige Oktjabrina, einen dreijährigen Elektron und einen sechsjährigen Kosmos kennengelernt.
Ulan-Ude hat mehr als sechshundert Straßen. Ich freue mich über jede, deren Name mir vertraut ist: die Uliza Namsarajewa, die Uliza Bansarowa, die Uliza Ranshurowa... Gerade als ich zu bedauern beginne, mich so weit vom Hotel weggewagt zu haben, hupt neben mir ein Auto. Am Steuer Burjatiens Kulturminister. Sich meiner müden Füße erbarmend, fährt er mich zurück zum Hotel.
Als ich lange nach Mitternacht im `Bair´ eintreffe, ist die Tür wiederum fest verschlossen. Der Hotelportier guckt mich vorwurfsvoll an, ich gucke emanzipiert zurück."
Rezensionen und Literaturhinweise (Auswahl) zu den BURJATEN:
Rezension in meiner Webseite www.reller-rezensionen.de
*
Klaus Bednarz, Östlich der Sonne, Reiseliteratur/Bildbände.
Merle Hilbk, Sibirski Punk, Belletristik.
Markus Möller / Ronald Prokein, Lenareise, Reiseliteratur/Bildbände.
Irina Pantaeva, Mein Weg auf die Laufstege der Welt, Belletristik.
Thomas Roth, Russisches Tagebuch, Reiseliteratur/Bildbände.
Dietmar Schumann, An der Lena flussaufwärts, Reiseliteratur/Bildbände.
Literaturhinweise (Auswahl)
* Die goldene Schale und andere Märchen der Völker der Sowjetunion, darin: das burjatische Märchen "Die goldene Schale", aus dem Russischen von H. Eschwege und L. Labas, Verlag Progess, Moskau 1975 (?).
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1. Streifenornament
Bibliographie zu Gisela Reller
Bücher als Autorin:
Länderbücher:
* Zwischen Weißem Meer und Baikalsee, Bei den Burjaten, Adygen und Kareliern, Verlag Neues Leben, Berlin 1981, mit Fotos von Heinz Krüger und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.
* Diesseits und jenseits des Polarkreises, bei den Südosseten, Karakalpaken, Tschuktschen und asiatischen Eskimos, Verlag Neues Leben, Berlin 1985, mit Fotos von Heinz Krüger und Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.
* Von der Wolga bis zum Pazifik, bei Tuwinern, Kalmyken, Niwchen und Oroken, Verlag der Nation, Berlin 1990, 236 Seiten mit Fotos von Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.
Biographie:
* Pater Maksimylian Kolbe, Guardian von Niepokalanów und Auschwitzhäftling Nr. 16 670, Union Verlag, Berlin 1984, 2. Auflage.
... als Herausgeberin:
Sprichwörterbücher:
* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.
* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.
* Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.
Aphorismenbuch:
* 666 und sex mal Liebe, Auserlesenes, 2. Auflage, Mitteldeutscher Verlag Halle/Leipzig, 200 Seiten mit Vignetten und Illustrationen von Egbert Herfurth.
... als Mitautorin:
Kinderbücher:
* Warum? Weshalb? Wieso?, Ein Frage-und-Antwort-Buch für Kinder, Band 1 bis 5, Herausgegeben von Carola Hendel, reich illustriert, Verlag Junge Welt, Berlin 1981 -1989.
Sachbuch:
* Die Stunde Null, Tatsachenberichte über tapfere Menschen in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges, Hrsg. Ursula Höntsch, Verlag der Nation 1966.
* Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Herausgegeben von Leonhard Kossuth unter Mitarbeit von Gotthard Neumann, Nora Verlag 2008.
... als Verantwortliche Redakteurin
* Leben mit der Erinnerung, Jüdische Geschichte in Prenzlauer Berg, Edition Hentrich, Berlin 1997, mit zahlreichen Illustrationen.
* HANDSCHLAG, Vierteljahreszeitung für deutsche Minderheiten im Ausland, Herausgegeben vom Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Berlin 1991 - 1993.
Die erste Ausgabe von HANDSCHLAG liegt vor. Von links: Dr. Gotthard Neumann, Leonhard Kossuth (Präsident), Horst Wustrau
(Gestalter von HANDSCHLAG), Gisela Reller, Dr. Erika Voigt
(Mitarbeiter des Kuratoriums zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V.).
Foto: aus Rellers Völkerschafts-Archiv
2.Streifenornament
Pressezitate (Auswahl) zu Gisela Rellers Buchveröffentlichungen:
Dieter Wende in der „Wochenpost“ Nr. 15/1985:
„Es ist schon eigenartig, wenn man in der Wüste Kysyl-Kum von einem Kamelzüchter gefragt wird: `Kennen Sie Gisela Reller?´ Es ist schwer, dieser Autorin in entlegenen sowjetischen Regionen zuvorzukommen. Diesmal nun legt sie mit ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik Berichte aus Kalmykien, Tuwa und von der Insel Sachalin vor. Liebevolle und sehr detailgetreue Berichte auch vom Schicksal kleiner Völker. Die ethnografisch erfahrene Journalistin serviert Besonderes. Ihre Erzählungen vermitteln auch Hintergründe über die Verfehlungen bei der Lösung des Nationalitätenproblems.“
B(erliner) Z(eitung) am Abend vom 24. September 1981:
"Gisela Reller, Mitarbeiterin der Illustrierten FREIE WELT, hat autonome Republiken und gebiete kleiner sowjetischer Nationalitäten bereist: die der Burjaten, Adygen und Karelier. Was sie dort ... erlebte und was Heinz Krüger fotografierte, ergíbt den informativen, soeben erschienenen Band Zwischen Weißem Meer und Baikalsee."
Sowjetliteratur (Moskau)Nr. 9/1982:
"(...) Das ist eine lebendige, lockere Erzählung über das Gesehene und Erlebte, verflochten mit dem reichhaltigen, aber sehr geschickt und unaufdringlich dargebotenen Tatsachenmaterial. (...) Allerdings verstehe ich sehr gut, wie viel Gisela Reller vor jeder ihrer Reisen nachgelesen hat und wie viel Zeit nach der Rückkehr die Bearbeitung des gesammelten Materials erforderte. Zugleich ist es ihr aber gelungen, die Frische des ersten `Blickes´ zu bewahren und dem Leser packend das Gesehene und Erlebte mitzuteilen. (...) Es ist ziemlich lehrreich - ich verwende bewusst dieses Wort: Vieles, was wir im eigenen Lande als selbstverständlich aufnehmen, woran wir uns ja gewöhnt haben und was sich unserer Aufmerksamkeit oft entzieht, eröffnet sich für einen Ausländer, sei es auch als Reisender, der wiederholt in unserem Lande weilt, sozusagen in neuen Aspekten, in neuen Farben und besitzt einen besonderen Wert. (...) Mir gefällt ganz besonders, wie gekonnt sich die Autorin an literarischen Quellen, an die Folklore wendet, wie sie in den Text ihres Buches Gedichte russischer Klassiker und auch wenig bekannter nationaler Autoren, Zitate aus literarischen Werken, Märchen, Anekdoten, selbst Witze einfügt. Ein treffender während der Reise gehörter Witz oder Trinkspruch verleihen dem Text eine besondere Würze. (...) Doch das Wichtigste im Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee sind die Menschen, mit denen Gisela Reller auf ihren Reisen zusammenkam. Unterschiedlich im Alter und Beruf, verschieden ihrem Charakter und Bildungsgrad nach sind diese Menschen, aber über sie alle vermag die Autorin kurz und treffend mit Interesse und Sympathie zu berichten. (...)"
Neue Zeit vom 18. April 1983:
„In ihrer biographischen Skizze über den polnischen Pater Maksymilian Kolbe schreibt Gisela Reller (2. Auflage 1983) mit Sachkenntnis und Engagement über das Leben und Sterben dieses außergewöhnlichen Paters, der für den Familienvater Franciszek Gajowniczek freiwillig in den Hungerbunker von Auschwitz ging.“
Der Morgen vom 7. Februar 1984:
„`Reize lieber einen Bären als einen Mann aus den Bergen´. Durch die Sprüche des Kaukasischen Spruchbeutels weht der raue Wind des Kaukasus. Der Spruchbeutel erzählt auch von Mentalitäten, Eigensinnigkeiten und Bräuchen der Adygen, Osseten und Dagestaner. Die Achtung vor den Alten, die schwere Stellung der Frau, das lebensnotwendige Verhältnis zu den Tieren. Gisela Reller hat klug ausgewählt.“
1985 auf dem Solidaritätsbasar auf dem Berliner Alexanderplatz: Gisela Reller (vorne links) verkauft ihren „Kaukasischen Spruchbeutel“ und 1986 das extra für den Solidaritätsbasar von ihr herausgegebene Sprichwörterbuch „Dein Freund ist Dein Spiegel“.
Foto: Alfred Paszkowiak
Neues Deutschland vom 15./16. März 1986:
"Vor allem der an Geschichte, Bräuchen, Nationalliteratur und Volkskunst interessierte Leser wird manches bisher `Ungehörte´ finden. Er erfährt, warum im Kaukasus noch heute viele Frauen ein Leben lang Schwarz tragen und was es mit dem `Ossetenbräu´ auf sich hat, weshalb noch 1978 in Nukus ein Eisenbahnzug Aufsehen erregte und dass vor Jahrhunderten um den Aralsee fruchtbares Kulturland war, dass die Tschuktschen vier Begriff für `Freundschaft´, aber kein Wort für Krieg besitzen und was ein Parteisekretär in Anadyr als notwendigen Komfort, was als entbehrlichen Luxus ansieht. Großes Lob verdient der Verlag für die großzügige Ausstattung von Diesseits und jenseits des Polarkreises.“
Gisela Reller während einer ihrer über achthundert Buchlesungen
in der Zeit von 1981 bis 1991.
Berliner Zeitung vom 2./3. Januar 1988:
„Gisela Reller hat klassisch-deutsche und DDR-Literatur auf Liebeserfahrungen durchforscht und ist in ihrem Buch 666 und sex mal Liebe 666 und sex mal fündig geworden. Sexisch illustriert, hat der Mitteldeutsche Verlag Halle alles zu einem hübschen Bändchen zusammengefügt.“
Neue Berliner Illustrierte (NBI) Nr. 7/88:
„Zu dem wohl jeden bewegenden Thema finden sich auf 198 Seiten 666 und sex mal Liebe mannigfache Gedanken von Literaten, die heute unter uns leben, sowie von Persönlichkeiten, die sich vor mehreren Jahrhunderten dazu äußerten.“
Das Magazin Nr. 5/88.
"`Man gewöhnt sich daran, die Frauen in solche zu unterscheiden, die schon bewusstlos sind, und solche, die erst dazu gemacht werden müssen. Jene stehen höher und gebieten dem Gedenken. Diese sind interessanter und dienen der Lust. Dort ist die Liebe Andacht und Opfer, hier Sieg und Beute.´ Den Aphorismus von Karl Kraus entnahmen wir dem Band 666 und sex mal Liebe, herausgegeben von Gisela Reller und illustriert von Egbert Herfurth."
Schutzumschlag zum „Buch 666 und sex mal Liebe“
Zeichnung: Egbert Herfurth
FÜR DICH, Nr. 34/89:
"Dem beliebten Büchlein 666 und sex mal Liebe entnahmen wir die philosophischen und frechen Sprüche für unser Poster, das Sie auf dem Berliner Solidaritätsbasar kaufen können. Gisela Reller hat die literarischen Äußerungen zum Thema Liebe gesammelt, Egbert Herfurth hat sie trefflich illustriert."
Messe-Börsenblatt, Frühjahr 1989:
"Die Autorin – langjährige erfolgreiche Reporterin der FREIEN WELT - ist bekannt geworden durch ihre Bücher Zwischen Weißem Meer und Baikalsee und Diesseits und jenseits des Polarkreises. Diesmal schreibt die intime Kennerin der Sowjetunion in ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik über die Kalmyken, Tuwiner und die Bewohner von Sachalin, also wieder über Nationalitäten und Völkerschaften. Ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird uns in fesselnden Erlebnisberichten nahegebracht."
Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel schrieb ich in der Ausgabe 49 vom 7. Dezember 1982 unter der Überschrift „Was für ein Gefühl, wenn Zuhörer Schlange stehen“:
„Zu den diesjährigen Tagen des sowjetischen Buches habe ich mit dem Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee mehr als zwanzig Lesungen bestritten. (…) Ich las vor einem Kreis von vier Personen (in Klosterfelde) und vor 75 Mitgliedern einer DSF-Gruppe in Finow; meine jüngsten Zuhörer waren Blumberger Schüler einer 4. Klasse, meine älteste Zuhörerin (im Schwedter Alten- und Pflegeheim) fast 80 Jahre alt. Ich las z.B. im Walzwerk Finow, im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder, im Petrolchemischen Kombinat Schwedt; vor KIM-Eiersortierern in Mehrow, vor LPG-Bauern in Hermersdorf, Obersdorf und Bollersdorf; vor zukünftigen Offizieren in Zschopau; vor Forstlehrlingen in Waldfrieden; vor Lehrlingen für Getreidewirtschaft in Kamenz, vor Schülern einer 7., 8. und 10 Klasse in Bernau, Schönow und Berlin; vor Pädagogen in Berlin, Wandlitz, Eberswalde. - Ich weiß nicht, was mir mehr Spaß gemacht hat, für eine 10. Klasse eine Geographiestunde über die Sowjetunion einmal ganz anders zu gestalten oder Lehrern zu beweisen, dass nicht einmal sie alles über die Sowjetunion wissen – was bei meiner Thematik – `Die kleinen sowjetischen Völkerschaften!´ – gar nicht schwer zu machen ist. Wer schon kennt sich aus mit Awaren und Adsharen, Ewenken und Ewenen, Oroken und Orotschen, mit Alëuten, Tabassaranern, Korjaken, Itelmenen, Kareliern… Vielleicht habe ich es leichter, Zugang zu finden als mancher Autor, der `nur´ sein Buch oder Manuskript im Reisegepäck hat. Ich nämlich schleppe zum `Anfüttern´ stets ein vollgepacktes Köfferchen mit, darin von der Tschuktschenhalbinsel ein echter Walrosselfenbein-Stoßzahn, Karelische Birke, burjatischer Halbedelstein, jakutische Rentierfellbilder, eskimoische Kettenanhänger aus Robbenfell, einen adygeischen Dolch, eine karakalpakische Tjubetejka, der Zahn eines Grauwals, den wir als FREIE WELT-Reporter mit harpuniert haben… - Schön, wenn alles das ganz aufmerksam betrachtet und behutsam befühlt wird und dadurch aufschließt für die nächste Leseprobe. Schön auch, wenn man schichtmüde Männer nach der Veranstaltung sagen hört: `Mensch, die Sowjetunion ist ja interessanter, als ich gedacht habe.´ Oder: `Die haben ja in den fünfundsechzig Jahren mit den `wilden´ Tschuktschen ein richtiges Wunder vollbracht.´ Besonders schön, wenn es gelingt, das `Sowjetische Wunder´ auch denjenigen nahezubringen, die zunächst nur aus Kollektivgeist mit ihrer Brigade mitgegangen sind. Und: Was für ein Gefühl, nach der Lesung Menschen Schlange stehen zu sehen, um sich für das einzige Bibliotheksbuch vormerken zu lassen. (Schade, wenn man Kauflustigen sagen muss, dass das Buch bereits vergriffen ist.) – Dank sei allen gesagt, die sich um das zustande kommen von Buchlesungen mühen – den Gewerkschaftsbibliothekaren der Betriebe, den Stadt- und Kreisbibliothekaren, den Buchhändlern, die oft aufgeregter sind als der Autor, in Sorge, `dass auch ja alles klappt´. – Für mich hat es `geklappt´, wenn ich Informationen und Unterhaltung gegeben habe und Anregungen für mein nächstes Buch mitnehmen konnte.“
Die Rechtschreibung der Texte wurde behutsam der letzten Rechtschreibreform angepasst.
Die
BURJATEN wurden am 07.10.2015 ins Netz gestellt. Die letzte Bearbeitung erfolgte am 16.01.2016.Die Weiterverwertung der hier veröffentlichten Texte, Übersetzungen, Nachdichtungen, Fotos, Zeichnungen, Illustrationen... ist nur mit Verweis auf die Internetadresse
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