Vorab!
Leider kommt im Internet bei meinem (inzwischen veralteten) FrontPage-Programm längst nicht alles so, wie von mir in html angegeben. Farben kommen anders, als von mir geplant, Satzbreiten wollen nicht so wie von mir markiert, Bilder kommen manchmal an der falschen Stelle, und - wenn ich Pech habe - erscheint statt des Bildes gar eine Leerstelle.
Was tun? Wer kann helfen?
*
Wird laufend bearbeitet!
Ich bin eine Awarin: Die .
Foto:
Zeichnung: Karl-Heinz Döhring
"Die Seele, denke ich, hat keine Nationalität."
Juri Rytchëu (tschuktschischer Schriftsteller, 1930 bis 2008) in: Im Spiegel des Vergessens, 2007
Wenn wir für das eine Volk eine Zuneigung oder gegen das andere eine Abneigung hegen, so beruht das, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, auf dem, was wir von dem jeweiligen Volk wissen oder zu wissen glauben. Das ist – seien wir ehrlich – oft sehr wenig, und manchmal ist dieses Wenige auch noch falsch.
Ich habe für die Berliner Illustrierte FREIE WELT jahrelang die Sowjetunion bereist, um – am liebsten - über abwegige Themen zu berichten: über Hypnopädie und Suggestopädie, über Geschlechtsumwandlung und Seelenspionage, über Akzeleration und geschlechtsspezifisches Kinderspielzeug... Außerdem habe ich mit jeweils einem deutschen und einem Wissenschaftler aus dem weiten Sowjetland vielteilige Lehrgänge erarbeitet.* Ein sehr interessantes Arbeitsgebiet! Doch 1973, am letzten Abend meiner Reise nach Nowosibirsk – ich hatte viele Termine in Akademgorodok, der russischen Stadt der Wissenschaften – machte ich einen Abendspaziergang entlang des Ob. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich zwar wieder viele Experten kennengelernt hatte, aber mit der einheimischen Bevölkerung kaum in Kontakt gekommen war.
Da war in einem magischen Moment an einem großen sibirischen Fluss - Angesicht in Angesicht mit einem kleinen (grauen!) Eichhörnchen - die große FREIE WELT-Völkerschafts-Serie** geboren!
Und nun reiste ich ab 1975 jahrzehntelang zu zahlreichen Völkern des Kaukasus, war bei vielen Völkern Sibiriens, war in Mittelasien, im hohen Norden, im Fernen Osten und immer wieder auch bei den Russen.
Nach dem Zerfall der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zog es mich – nach der wendegeschuldeten Einstellung der FREIEN WELT***, nun als Freie Reisejournalistin – weiterhin in die mir vertrauten Gefilde, bis ich eines Tages mehr über die westlichen Länder und Völker wissen wollte, die man mir als DDR-Bürgerin vorenthalten hatte.
Nach mehr als zwei Jahrzehnten ist nun mein Nachholebedarf erst einmal gedeckt, und ich habe das Bedürfnis, mich wieder meinen heißgeliebten Tschuktschen, Adygen, Niwchen, Kalmyken und Kumyken, Ewenen und Ewenken, Enzen und Nenzen... zuzuwenden.
Deshalb werde ich meiner Webseite www.reller-rezensionen.de (mit inzwischen weit mehr als fünfhundert Rezensionen), die seit 2002 im Netz ist, ab 2013 meinen journalistischen Völkerschafts-Fundus von fast einhundert Völkern an die Seite stellen – mit ausführlichen geographischen und ethnographischen Texten, mit Reportagen, Interviews, Sprichwörtern, Märchen, Gedichten, Literaturhinweisen, Zitaten aus längst gelesenen und neu erschienenen Büchern; so manches davon, teils erstmals ins Deutsche übersetzt, war bis jetzt – ebenfalls wendegeschuldet – unveröffentlicht geblieben.
Sollten sich in meinem Material Fehler oder Ungenauigkeiten eingeschlichen haben, teilen Sie mir diese bitte am liebsten in meinem Gästebuch oder per E-Mail gisela@reller-rezensionen.de mit. Überhaupt würde ich mich über eine Resonanz meiner Nutzer freuen!
* Lernen Sie Rationelles Lesen" / "Lernen Sie lernen" / "Lernen Sie reden" / "Lernen Sie essen" / "Lernen Sie, nicht zu rauchen" / "Lernen Sie schlafen" / "Lernen Sie logisches Denken"...
** Im 1999 erschienenen Buch „Zwischen `Mosaik´ und `Einheit´. Zeitschriften in der DDR“ von Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis (Hrsg.), erschienen im Berliner Ch. Links Verlag, ist eine Tabelle veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Völkerschaftsserie der FREIEN WELT von neun vorgegebenen Themenkreisen an zweiter Stelle in der Gunst der Leser stand – nach „Gespräche mit Experten zu aktuellen Themen“.
(Quelle: ZA Universität Köln, Studie 6318)
*** Christa Wolf zur Einstellung der Illustrierten FREIE WELT in ihrem Buch "Auf dem Weg nach Tabou, Texte 1990-1994", Seite 53/54: „Aber auf keinen Fall möchte ich den Eindruck erwecken, in dieser Halbstadt werde nicht mehr gelacht. Im Gegenteil! Erzählt mir doch neulich ein Kollege aus meinem Verlag (Helmut Reller) – der natürlich wie zwei Drittel der Belegschaft längst entlassen ist –, daß nun auch seine Frau (Gisela Reller), langjährige Redakteurin einer Illustrierten (FREIE WELT) mitsamt der ganzen Redaktion gerade gekündigt sei: Die Zeitschrift werde eingestellt. Warum wir da so lachen mußten? Als im Jahr vor der `Wende´ die zuständige ZK-Abteilung sich dieser Zeitschrift entledigen wollte, weil sie, auf Berichterstattung aus der Sowjetunion spezialisiert, sich als zu anfällig erwiesen hatte, gegenüber Gorbatschows Perestroika, da hatten der Widerstand der Redaktion und die Solidarität vieler anderer Journalisten das Blatt retten können. Nun aber, da die `Presselandschaft´ der ehemaligen DDR, der `fünf neuen Bundesländer´, oder, wie der Bundesfinanzminister realitätsgerecht sagt: `des Beitrittsgebiets´, unter die vier großen westdeutschen Zeitungskonzerne aufgeteilt ist, weht ein schärferer Wind. Da wird kalkuliert und, wenn nötig, emotionslos amputiert. Wie auch die Lyrik meines Verlages (Aufbau-Verlag), auf die er sich bisher viel zugute hielt: Sie rechnet sich nicht und mußte aus dem Verlagsprogramm gestrichen werden. Mann, sage ich. Das hätte sich aber die Zensur früher nicht erlauben dürfen! – "Das hätten wir uns von der auch nicht gefallen lassen", sagt eine Verlagsmitarbeiterin.
Wo sie recht hat, hat sie recht.“
Zeichnung: Karl-Heinz Döhring
Wenn Sie sich die folgenden Texte zu Gemüte geführt und Lust bekommen haben, Dagestan zu bereisen und auch die AWAREN kennenzulernen, sei Ihnen das Reisebüro ? empfohlen; denn – so lautet ein awarisches Sprichwort -
Geh´ auf Reisen mit großen Augen und offenen Ohren.
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Die AWAREN… (Eigenbezeichnung: Maarulal)
Dagestan ist die älteste Wiege vieler Völker und Völkerschaften des Kaukasus. In ihrer nationalen Zusammensetzung ist diese Teilrepublik Russlands einmalig! Hier leben Dutzende ethnische Gruppen und Völkerschaften. Ich werde über die Agulen, Awaren, Darginer (und Kubatschinzen), Kumyken, Lakier, Lesginer, Nogaier, Rutulen Tabassaraner, Taten und Zachuren berichten. Dagestan ist die einzige der russischen Kaukasusrepubliken, die ihren Namen nicht von einem Volk ableitet. "Dagestan" heißt Bergland und gilt mit seinen 50 300 Quadratkilometern ethnographisch als Region der Rekorde, denn 1,9 Millionen Einwohner teilen sich auf in zwölf Hauptnationalitäten mit eigener Amtssprache und Dutzende kleinere Ethnien mit kompakten Siedlungsgebieten. Neben kaukasischen finden sich indoeuropäische, semitische und altaiische Sprachen. Ethnische Hauptgruppen sind die Awaren (28 Prozent), die Darginer (16 Prozent), die Kumyken (13 Prozent) und die Lesginerer (11 Prozent). Auch sechzigtausend Tschetschenen siedeln in der überwiegend stark gebirgigen dagestanischen Republik.
Dagestan setzt sich aus einem flachen Nordteil, der Nogaiersteppe, dem Kaukasusvorland sowie einem gebirgigen Südteil zusammen. Der höchste Berg ist mit 4466 Metern der Bazardüzü (Basardjusi) an der Grenze zu Aserbaidschan, an das die Republik im Süden grenzt. Im Südwesten grenzt Dagestan an Georgien, im Westen an Tschetschenien und im Norden an Kalmykien und die Region Stawropol. Im Osten besitzt Dagestan eine lange Küste am Kaspischen Meer. Die wichtigsten Flüsse sind der Terek, der Sulak und der Samur, der Grenzfluss zu Aserbaidschan. In Dagestan liegt der südlichste Punkt der Russischen Föderation.
Dagestanische Völker sind: Die Agulen, Awaren, Darginer, Kumyken, Lakier, Lesginer Nogaier, Rutulen, Tabassaraner, Taten,
Zachuren.
"Die heutigen Avaren im Kaukasus sind eine dem Islam ergebene Völkerschaft, welche im Gebiete Dagesthan, besonders im ehemaligen Chanat Awarien wohnt und seit 1863 unter russischer Herrschaft steht. Ihre Gesamtzahl beträgt gegen 100 000."
Brockhaus´ Konservations-Lexikon, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien 1894
Bevölkerung: Nach der Volkszählung von 1926 zählten die Awaren 178 263 Angehörige; 1939 waren es 235 715 Awaren; 1959 waren es 249 529; 1970 gleich 361 613; 1979 gleich 438 306; 1989 gleich 544 016; 2002 gleich814 473; nach der letzten Volkszählung von 2010 gaben sich 912 090 Personen als Awaren aus. Die Awaren gehören zu den autochthonen Kaukasusvölkern. und sind die größte dagestanische Völkerschaft.
Besonderheit innerhalb Dagestans: Bei den Awaren (die in den am schwersten zugänglichen Bergaulen Dagestans leben) wurde die Leibeigenschaft erst 1913 abgeschafft.
Fläche:
Geschichtliches:
Staatsgefüge:
Verbannungsgebiet:
Hauptstadt:
Wirtschaft:
Verkehr:
Sprache/Schrift: Awarisch. Seit der Volkszählung von 1970 zählen sich beispielsweise auch die Artschinzen zu den Awaren, obgleich sie 8mündlich) ihre Muttersprache (artschinzisch) und einige Aspekte ihres Brauchtums bewahrt haben.
Literatursprache/Literatur:
Dichter der Berge: der Balkare Kaissyn Kulijew (1917 bis 1985), der Kabardiner Alim Keschkow
(geb. 1914) und der Aware Rassul Gamsatow (1923 bis 2003).
Gemälde von Viktor Abajew aus der Republik Kabardino-Balkarien, Reproduktion
aus Rellers Völkerschafts-Archiv
Rassul Gamsatow
Die Awarin Fasu Alijewa (geboren 1932), Volksdichterin Dagestans, absolvierte das Moskauer Gorki- Literaturinstitut, ist trägerin des Suleiman-Stalski*-Literaturpreises. von ihr sind mehr als zwanzig Gedicht- und poembände sowie Erzählungen, Romane und Kinderbücher erschienen. Hauptthema des stark gefühlsbetonten und lebensbejahenden Schaffens der Dichterin ist der Alltag ihres heimatlichen Dagestans.
*
Bildung:
Kultur/Kunst:
Zwei awarische Grabstelen in Dagestan.
Foto aus: Rellers Völkerschafts-Archiv
Gesundheitswesen:
Klima:
Natur/Umwelt:
Pflanzen- und Tierwelt:
Behausungen:
Kapitell des Stützpfostens in einem awarischen Haus.
Strichzeichnung von Inge Brüx aus: Rellers Völkerschafts-Archiv
Ernährung:
Kleidung:
Folklore:
Feste/Bräuche: Nach altem Brauch wird in den Bergen des Kaukasus der Neuankömmling in den ersten drei Tagen als Gast betrachtet, am vierten Tag aber schon dem Hausherrn gleichgestellt.
Religion: Durch arabische Eroberer wurden die Awaren bis zum 11. Jahrhundert weitgehend islamisiert, sie sind heute sunnitische Muslime.
Ereignisse nach dem Zerfall der Sowjetunion, sofern sie nicht bereits oben aufgeführt sind:
Kontakte zur Bundesrepublik Deutschland:
Interessant, zu wissen..., dass es sich bei dem historischen Reitervolk der Awaren um eine zufällige Namensgleichheit mit den Awaren in Dagestans zu handeln scheint.
Es gibt allerdings auch einige Quellen, die darauf hindeuten, dass die Awaren im Kaukasus und die awarischen Steppenvölker im frühen Mittelalter verbündete Mächte waren. Mit dem alten awarischen Reitervolk ist der Name Karl der Große verbunden. Ende des 8. Jahrhunderts führte der fränkische König in der letzten Phase der fränkischen Expansion eine Reihe von Eroberungskriegen gegen das Reich der heidnischen Awaren, die 796 besiegt wurden, womit das Awarenreich für die Franken als erobert galt. Mit den heutigen Dagestaner Awaren, auch Neu-Awaren genannt, ist der Name Imam Schamil verbunden. Imam Schamil war von 1834 bis 1859 religiös-politischer Führer der muslimischen Bergvölker Dagestans und Tschetscheniens und organisierte in dieser Zeit deren Widerstand gegen die russische Eroberung des Nordostkaukasus. Der heftige Widerstand der Awaren verzögerte die russische Eroberung um fünfundzwanzig Jahre. Bis heute existiert der Heldenmythos von Imam Schamil, dem „Löwen von Dagestan“.
Jedem ist am behaglichsten in der Heimat.
Sprichwort der Awaren
Die AWAREN: Für Liebhaber kurzer Texte
Ein vielgereister Handelsmann schrieb in sein auf uns Heutige überkommenes Tagebuch, dass er nur zwei wirklich bunte Dinge auf der Welt kenne: das Kopftucheiner Negerin von Haiti und die ethnographische Karte Dagestans, gelegen im östlichen Teil Nordkaukasiens am Kaspischen Meer. Türkischen Ursprungs, heißt Dagestan übersetzt „Bergland“- Mehr als dreißig Völker und ethnische Gruppen sprechen hier in neunundzwanzig Sprachen und etwa siebzig Dialekten. Eines dieser Völker sind die Awaren, die zu den autochthonen Kaukasiern gehören. Mit fast fünfhunderttausend Angehörigen sind sie das zahlenmäßig stärkste dagestanische Volk. Es ist allerdings anzunehmen, dass nur etwa die Hälfte davon Awaren im eigentliche Sinne sind; denn zu ihnen rechnen eine ganze Reihe sehr nahe verwandte, zum Teil ganz kleine Völkerschaften, die bei früheren Zählungen nicht als Awaren angesehen wurden, so die Andi, Botlich, Dido, Tindi, Kaputschi, Chunsal, Artschinen… Das Awarische gehört zu der awarisch-didoisch-andischen Untergruppe der nordostkaukasischen Sprachen. – Die Awaren nennen sich „Marula“, was Gebirgler bedeutet. In die von reißenden Flüssen durchschnittene Bergwelt hatten sie sich auf der Flucht vor feudalen Eroberern zurückgezogen. Im 11. Jahrhundert waren das die Araber, von denen sie weitgehend islamisiert wurden – sie gläubigen Awaren sind heute sunnitische Moslems. Mit dem Eindringen der Mongolen im 13. Jahrhundert kamen sie unter die Herrschaft der Goldenen Horde, nach dem Niedergang der Mongolen bildeten sie im 17./18. Jahrhundert ein mächtiges Khanat um Chunsach, das 1803 russisches Protektorat wurde. Dem russischen Reich eingegliedert wurde ganz Awarien 1864, nachdem sich das Volk in zahlreichen Aufständen vergeblich gegen die Oberherrschaft der Zaren gewehrt hatte. – Der führende Wirtschaftszweig der Awaren ist seit alters die Viehzucht, Vorrang haben Schafe. Aus Schafwolle bestrickt die Awarin ihre ganze Sippe mit langen Wollsocken, die, mit einer dicken Sohle versehen, im Sommer oft das Schuhwerk ersetzen. Hirt, Herde und Schaf sind es auch, die es sich von alters her gefallen lassen müssen, in awarischen Sprichwörtern als „Bild“ herzuhalten.
Diesen unveröffentlichten Text habe ich geschrieben, als ich für das
Bibliographische Institut in Leipzig von 1986 bis 1991 ein Sprichwörterbuch von fünfzig Völkern der (ehemaligen) Sowjetunion erarbeitete,
das wegen des Zerfalls der Sowjetunion nicht mehr erschienen ist.
Als Journalistin der Illustrierten FREIE WELT – die als Russistin ihre Diplomarbeit über russische Sprichwörter geschrieben hat - habe ich auf allen meinen Reportagereisen in die Sowjetunion jahrzehntelang auch Sprichwörter der dort ansässigen Völker gesammelt - von den Völkern selbst, von einschlägigen Wissenschaftlern und Ethnographen, aus Büchern ... - bei einem vierwöchigen Aufenthalt in Moskau saß ich Tag für Tag in der Leninbibliothek. So ist von mir erschienen:
* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.
* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.
* Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.
Ich bin, wie man sieht, gut damit gefahren, es mit diesem turkmenischen Sprichwort zu halten: Hast du Verstand, folge ihm; hast du keinen, gibt`s ja noch die Sprichwörter.
Hier fünfzig awarische Sprichwörter:
(Bisher Unveröffentlicht)
Allah eilt nicht.
Gott wirft einen wohlgefälligen Blick auf einen gedüngten Acker, ein Mädchen heftet ihren Blick auf ein wohlhabendes Haus.
Tanze nicht auf Grabplatten.
Was man Allah opfert, fehlt im Haus.
Auf das, was im Bauch ist, fällt kein Raureif mehr.
Allein der Khan bestimmt, ob es ein Hase oder eine Häsin ist.
Verhalte dich achtsam zu Ehe und Haus.
Stirbt ein Erwachsener wird es leer im Haus, stirbt ein Kind wird es leer im Herzen.
Ein Eselsschwanz ist keine Pferdemähne.
Feuer, welches nicht in den Schuh gelangt, verbrennt nicht den Fuß.
Eine Frau ist gut, wenn sie sparsam, ein Mann, wenn er freigebig ist.
Nimm keinem zum Freund, der dir seinen Mund, deinem Feind aber sein Herz schenkt.
Ein Khan ist nur gut, wenn über ihn soviel Gras gewachsen ist, dass man damit
ein Zicklein satt kriegt.
Fürchte den Furchtlosen, schäme dich des Schamlosen.
Ein kluges Gespräch schreitet mit einem Sprichwort daher.
Iss das Gestrige, tu das Morgige.
Schmerzt der Khan nicht der Bauch, hat auch seinem Diener der Rücken nicht weh zu tun.
Hast du Glück, wird´s Liebe, hast du Pech, wird´s Hass.
Manch stolzer Hahn stirbt als gerupftes Huhn.
Erwarte nichts von Khans Gnaden und dem Bettelsack des Armen.
Bleibt die Herde beieinander – raufen sich die Hunde; rennt die Herde auseinander –
hauen sich die Hirten.
Das Herz kann sich verjüngen, der Körper nicht.
Ist das Herz blind, sind es auch die Augen; ist das Herz taub, sind es auch die Ohren.
Was man nicht am Horn packt, kriegt man auch nicht am Schwanz zu fassen.
Klepper zu Klepper, Ross zu Ross.
Den Kumgan* schätzt, wer ihn am Henkel trägt; die Schafherde versteht,
wer die Jarlyga** schwingt.
Lieber viele Kluge unters Hemd lassen als einen Dummen ins Haus.
Dem Klugen reicht eine Anspielung, der Dummkopf braucht eine Erklärung.
Die gern isst, sorgt sich um die Kuh; die ihren Mann liebt, striegelt das Pferd.
Deinen Kopf lege da nieder, wo du ihn morgen heil wiederfinden willst.
Verlorenes suche mit dem Kopf statt mit den Beinen.
Lüge hat einen kurzen Schwanz, Diebstahl ein krummes Gesicht, Betrug kurze Beine.
Den Mut des Dshigiten*** kann man nicht melken wie eine Kuh, nicht beladen wie einen Esel, nicht reiten wie ein Pferd.
Sind sich zwei Köpfe und vier Hände einig, zieht Wohlstand ins Haus ein.
Sprich nichts, was du beim Eintreten des Nachbarn lieber nicht gesagt hättest.
Das Pferd erkennst du an der Gangart, den Menschen an seiner Redensart.
Viele Pferde – wenig Rösser, viel Folks – wenig Menschen.
Auch des Propheten Chadissy**** sind auf Seiten des Starken.
Wenn die Schafe verrecken, wird die Ziege Leittier.
Ein Schmied braucht nicht zu frieren, ein Dibir***** - nicht zu hungern.
Wer die mausig kommt, dem komm katzenhaft; wer dir Wölfisches tut, dem tu Hündisches; wir dir wie ein Sohn ist, dem sei wie ein Vater.
Süßer als alles – die Sprache, bitterer als alles – die Sprache.
Sieben Tage Liebe, am achten Tag – Hiebe.
Vermählte liegen im Streit, wenn sie „mein“ und „dein“ sagen.
Misstraue der Wärme des Winers, dem Frohlocken deiner Frau, dem Charme des Khans.
Weintrauben ernte in Golotl******, Bohnen – in Chunsach*******.
Was unsere Zähne nicht zurückhielten, werden auch fremde Lippen nicht für sich behalten.
Besser im Zor ******** als Geizkragen zu gelten als im eigenen Aul kein Saatgut zu haben.
Besser ein auf vier Beinen verstorbener Hund als ein im Liegen verreckter Löwe.
Ein Entenjunges weiß schon im Ei vom Wasser.
* Kumgan = Wasserkrug; das Wassertragen ist Frauenarbeit / ** Jarlyga = Hirtenstab; das weiden der Herde ist Männersache / ***Dshigit = tapferer Reiter/ **** Chadissy = Überlieferungen, Gebote / *****Dibir = Mulla; richter des Schariat / ****** Golotl ist ein Aul (Dorf) im Tal / ******* Chunsach = ein Aul im Hochgebirge / ******** Zor = Dorf hinter dem Kamm des Kaukasus, hier ist die Fremde gemeint.
Interlinearübersetzung aus dem Russischen von Gertraud Ettrich; gesammelt und in Sprichwortform gebracht von Gisela Reller
Als Reporter der Illustrierten FREIE WELT bereisten wir 1981 Dagestan. Über die dagestanischen Völkerschaften berichtete ich in der FREIEN WELT Nr. 21/1982 auf 26 Seiten.
Keine Schäferszene (LESEPROBE aus: FREIE WELT Nr. 21/1982)
"Die führenden Beschäftigungszweige der Awaren sind seit alters in den Flusstälern und niedrigen Beregen der Ackerbau (mühselige Terrassierung der Abhänge) und im Hochgebirge - das Hauptsiedlungsgebiet der Awaren ist allseitig von fast durchweg geschlossenen Höhenzügen umgeben - die Viehhaltung: 70 Prozent Schafe, 20 Prozent Rinder, 10 Prozent Pferde und Esel. Die zweite Hälfte des 19. und das beginnende 20. Jahrhundert betreffend, fand ich diese Zahlen: über 70 Prozent der awarischen Familien besaßen kein einziges Schaf, etwa 10 Prozent zwei bis fünf Schafe; der Fürst Uma-Khan dagegen 5 280 dieser genügsamen Tiere, die ihm Wolle, Fleisch, Milch, Felle in so großem Überfluss einbrachten, dass er außer seinen Hirten zwanzig Leute als Händler (Basargane) dingte. Dieweil die einen ihr Leben bei Wind und Wetter - fern der Familien mit Schafen zubrachten, brachte der Fürst zu Haus sein Schäfchen mit Nichtstun ins Trockene.
Die Armen, die keine Winterweiden besaßen (und das waren fast alle awarischen Familien), mussten den Reichen (und das waren in Awarien 42 Familien) 20 bis 30 Silberrubel oder 5 bis 10 Schafe für das Weiden von je hundert Schafen geben. Da sich das keine Familie leisten konnte, bildete sich im Land der Awaren eine spezielle Form der Ausbeutung heraus: ein reicher Viehhalter (ein Udaman) pachtete die Winterweidefläche, schaffte die Hunde an, kaufte die großen Kupferkessel zum Kochen und - mietete die Besitzlosen als Hirten. Sie hüteten seine Herde, damit auch ihr paar Tiere der Familie, Wolle, Fleisch, Milch, Felle lieferten. Meist so wenig, dass der Hunger bei den awarischen Familien oft mit zu Tisch saß.
Begegnet dir heute ein awarischer Schäfer, so ist er garantiert ein Kolchosmitglied, zufrieden mit seinem Lohne( "Ich verdiene bis zu dreihundert Rubel monatlich."), mit seiner Wohnung ("Ich habe ein zweistöckiges Haus, mit Veranda, selbst gebaut."), mit seiner Familie ("Die Frau arbeitet im Kunsthandwerk, ein Sohn wird Agronom, die anderen vier Kinder gehen noch zu Schule.").
Awarische Wissenschaftler aus Tschoch waren es, die zusammen mit Kolchosbauern eine neue Schafrasse züchteten: das Dagestanische Gebirgsschaf, es liefert bessere Wolle und bringt statt 25 Kilogramm 45 auf die Waage.
Blick auf den agulischen Aul Tschoch - hoch oben in den Bergen, in dem auch viele Awaren leben.
Foto: Detlev Steinberg
Triffst Du deinen Schäfer in den Monaten Oktober/November zum Schäferplauderständchen, so ist er mit seiner herde auf dem Weg in die Ebene, wo allen Kolchosen Winterweiden - ohne "Silberrubel", versteht sich - zugeteilt sind."
Das größte Wasserkraftwerk im nördlichen Kaukasus (LESEPROBE aus: FREIE WELT Nr. 21/1982)
"Am Sulak, Dagestans größtem Fluss, schlägt das energetische Herz des Nordkaukasus: Das Wasserkraftwerk von Tschirkej.
Der Sulak ist ein 144 Kilometer langer Zufluss des Kaspischen Meeres im Nordkaukasus. Er entsteht in den nordöstlichen Ausläufern des Großen Kaukasus in 355 Meter Höhe. Die durchflossenen Gebiete werden zu einem großen Teil von den Awaren besiedelt. Außer seinen Quellflüssen hat der Sulak keine bedeutenden Nebenflüsse. Der Sulak durchfließt in seinem gesamten Verlauf das Territorium der Republik Dagestan.
1963 wurde in dieser erdbebengefährdeten Hochgebirgsregion mit dem Bau des Wasserkraftwerks von Tschirkej begonnnen, das erste von vier Aggregaten lieferte 1974 den ersten Strom. Heute geht dagestanische Energie von Tscherkej (zwei Millionen Kilowattstunden pro Jahr) sogar nach Georgien und Aserbaidschan. Die 234 Meter hohe Staumauer ist erdbebensicher, gebogen in Form einer Eihälfte. Das Wasserkraftwerk errichteten Vertreter von vierzig Nationalitäten und Völkerschaften. Die Bauarbeiter (70 Prozent) waren Dagestaner, viele davon Awaren, die Spezialisten allerdings kamen aus allen Teilen der Sowjetunion. Inzwischen gibt es zweihundert dagestanische Spezialisten für den Wasserkraftwerksbau; allein am Sulak und seinen Zuflüssen sind zwanzig Wasserkraftwerke geplant.
Das Tschirkej-Wasserkraftwerk, das größte Wasserkraftwerk im Nord-Kaukasus, verfügt über die höchste Bogenstaumauer Russlands. Es wurde in der schmalen Tschirkej-Felsenschlucht mit einer Höhe von mehr als zweihundert Metern gebaut, der untere Teil ist zwölf bis fünfzehn Meter dick, der obere Teil dreihundert Meter breit.
In: RUSSIA BEYOND THE HEADLINES; März 2014
Schmuck ausGozatl (LESEPROBE aus: FREIE WELT Nr. 21/1982)
"1958 fertigten im awarischen Hochgebirgsaul Gozatl fünfzehn Meister den traditionellen Silberschmuck in Heimarbeit an. Heute sind es im Werk für künstlerische Erzeugnisse zweihundertdreißig Meister. War früher das Juwelierhandwerk in Awarien ausschließlich Männersache, so sind heute 80 Prozent der Künstler Frauen - auch Chatimat Salamowa, die uns eine Auswahl der dreißig Muster vorführt."
Die Awarin Chatimat Salamowa.
Foto: Detlev Steinberg
Von dem awarischen Schriftsteller
Rassul Gamsatow (1818 bis 1883)
notierte ich mir (am 10. August 1986) diese beeindruckenden siebzig Aphorismen aus "Mein Dagestan, Ein kleines Fenster zum großen Ozean", Aus dem Russischen von Thea-Marianne Bobrowski:
Rassul Gamsatow (1923 bis 2003), der bekannteste awarische Dichter und Schriftsteller.
Foto aus: Rellers Völkerschafts-Archiv
Der Mensch braucht zwei Jahre, um sprechen zu lernen, und sechzig Jahre, um zu lernen, den Mund zu halten.
Auch kleine Kinder haben große Träume.
Eine Waffe, die man einmal gebraucht, muss man sein Leben lang bei sich tragen.
Möge einer, der keine Gastfreundschaft übt, sich alle Knochen im Leibe brechen.
Ein Mann darf nur in zwei Fällen auf die Knie sinken: um aus einer Quelle zu trinken und um eine Blume zu brechen.
Wenn schon trinken, dann nur aus einer Quelle.
Gedanken und Gefühle kommen wie der Gast in den Bergen, ungeladen und unangemeldet.
Es gibt keine kleinen oder großen, keine wichtigen oder unwichtigen Gäste.
Der kleinste Gast ist wichtig, wenn er Gast ist.
Der kleinste Gast genießt größere Achtung als der älteste Hausherr.
Der Gast in den Bergen kommt immer unerwartet.
Die Papacha* hält der in Ehren, der darunter einen Kopf hat.
Den Pfad des Vaters lass dem Vater, such dir deinen eigenen Pfad.
Wähle die Papacha nach dem Kopf und nicht umgekehrt.
Die Länge der Saiten wird von der Länge des Pandurs** bestimmt.
Setze dem Kind nicht die Papacha seines Vaters auf.
Solange einer sitzt, weiß niemand, ob er hinkt oder nicht.
Solange einer isst, weiß niemand, ob er feige ist oder ein Held.
Ein Dolch, der ständig in der Scheide ruht, rostet.
Die Sohnesschuld ist unendlich.
Das Wort des Vaters ist das Gesetz der Söhne.
Ein Dshigit***, der ständig zu Hause schläft, setzt Fett an.
Sattle keine fremden Gedanken.
Nur nach einer Puppenhochzeit werden keine Kinder geboren.
Auch unter stählernem Panzer kann das Herz eines Feiglings schlagen.
Kleider machen Leute, Pferde machen Kühne.
Manche reden, nicht weil sich in ihrem Kopf wichtige Gedanken drängen, sondern weil sie die Zungenspitze juckt.
Wozu in einem Haus weinen, in dem niemand gestorben ist.
Nebel sind die Tränen der Berge.
Das Wort kann ohne Kostüm und ohne Maske leben.
Eine Florelle, die im Aquarium schwimmt, ist keine Forelle.
Wozu die Tür mit einem schweren Schloss versiegeln, wenn die Stiere bereits gestohlen sind?
Wenn das Wasser im Fluss nur bis an die Knöchel reicht, so ziehe die Hosenbeine
nicht bis übers Knie.
Der Dummkopf verblüfft durch sein Geschrei, der Weise durch ein Sprichwort am rechten Platz.
Wenn ein Frühling kommt, sing ein Lied. Wenn es Winter wird, erzähle ein Märchen.
Kugel und Orden zielen auf ein und dieselbe Brust.
Der ist kein tapferer Mann, der in die Schlacht zieht und über die Folgen nachdenkt.
Wenn jemand mit vierzig kein Adler ist, wird er nimmermehr fliegen.
Die Kinder verstehen die Sorgen der Eltern nicht, solange sie selbst keine Kinder haben.
Nach Wodka muss man jemanden schicken, der selbst gern trinkt.
Einen Edelstein betrachtet man in seiner Fassung, einen Menschen in seinem Haus.
Ein Hühnerstall darf nicht an einen Palast erinnern, und einen Palast soll man nicht mit einem Hühnerstall verwechseln.
Ein Haus muss so beschaffen sein, dass die Kinder darin ihr Glück, die Jugend ihre Liebe, die Alten ihre Stille finden.
Einen Ochsen erkennt man nicht daran, wie er über die Wiese springt, sondern daran,
wie er im Joch geht.
Dieselbe Nadel näht das Hochzeitskleid und das Leichengewand.
Öffne keine Tür, die du nachher nicht zu schließen vermagst.
Das Talent ist keine Arba****, die man zu zweit schieben oder ziehen kann.
Ein begabter Blinder sieht mehr als ein unbegabter Sehender.
Stelle den Topf nicht aufs Feuer, um das Wild zu schmoren, solange es noch im Wald herumläuft.
Nicht dem gehört der Silberfuchs, der in erblickt, sondern dem, der ihn erlegt.
Wenn du schon bis zum Nabel im Wasser stehst, dann geh ganz hinein.
Ein Kluger sieht in seinem Arbeitszimmer mehr als ein Dummkopf auf einer Weltreise.
Der Gast ist von allen Seiten schön, doch das Schönste an ihm ist sein Rücken.
Der größte Steinbock ist der, dem man verfehlte.
Ein Tapferer sitzt entweder im Sattel, oder er liegt unter der Erde.
Besser, einmal gesehen als hundertmal gehört.
Schlecht ist der Dshigit, der das Nachts sein Lieblingspferd nicht aus der Ferne erkennt.
Mut fragt nicht, ob der Felsen hoch ist.
Manchmal erweist sich einer, der der Klügste sein will, sogar als dümmer, als er in Wirklichkeit ist.
Wenn du keine hundert Rubel in der Tasche hast, tu nicht so, als hättest du sie.
Mit einem kleinen Schlüssel kann man eine große Truhe öffnen.
Wo eine Quelle ist, ist auch ein Weg.
Auch ein kleines Bäumchen ziert einen großen Garten.
Schöner als das Meer sind nur die Berge.
Ein Verräter ist in der Erde besser aufgehoben als auf der Erde.
Dagestanischer Dolch passt nicht zu fremder Tracht.
Worte sind wie Kugeln, vergeude sie nicht.
Ein friedliches Lied weiß man erst im Krieg zu schätzen.
Ein Volk ohne Buch ist wie ein Mensch mit verbundenen Augen.
* Papacha = Kopfbedeckung / ** Pandur = Langhalslaute / *** Dshigit = Held, verwegener Reiter / **** Arba = einfaches, einspänniges zweiräderiges Fuhrwerk /
Rezensionen und Literaturhinweise (Auswahl) zu den AWAREN
Rezension in meiner Webseite www.reller-rezensionen.de
KATEGORIE BELLETRISTIK: Steffi Chotiwari-Jünger (Hrsg.), Die Literaturen der Völker Kaukasiens, Neue Übersetzungen und deutschsprachige Bibliographie, Literatur der Abasiner, Abchasen, Adygen, Agulen, Armenier, Aserbaidshaner, Awaren, Balkaren, Darginer, Georgier, Inguschen, Kabardiner, Karatschaier, Kumyken, Kurden, Lakier, Lesginer, Nogaier, Osseten, Rutulen, Tabassaraner, Taten, Tschetschenen, Ubychen, Uden, Zachuren, Zowatuschen (Bazben)., Reichert Verlag, Wiesbaden 2003.
"Am meisten an diesem außerordentlich arbeitsaufwendigen Buch beeindruckt die gelungene Mischung von Lesevergnügen und Wissenschaftlichkeit. Hier kommt sowohl der Literatur liebende Leser auf seine Kosten als auch der Kaukasusspezialist."
In: www.reller-rezensionen.de
Literaturhinweise (Auswahl)
Roderich von Erckert, Der Kaukasus und seine Völker, Mit Textabbildungen, etc., Verlag von Paul Frohberg, Leipzig, 1887.
Aus der Einführung: "Ein zweijähriger Aufenthalt auf dem Kaukasus in höherer militärischer Stellung, gab durch dienstliche und private zu wissenschaftlichem Zweck unternommene ausgedehnte Reisen die Möglichkeit und Gelegenheit, Land und Leute in verschiedenen Gegenden und Gruppen zu erforschen und für vieles eine Anschauung zu gewinnen, was ausserhalb der gewöhnlichen Reiserouten liegt. Wenn die Schilderung freilich ein zusammenhängendes, umfassendes Ganzes bilden kann, so darf sie vielleicht den Anspruch erheben, einigen Werth darin zu besitzen, dass sie auf an Ort und Stelle gesammelten persönlichen Angaben und Eindrücken beruht, dass mit eigenen Augen geschaut, mit eigenem Ohr gehört wurde. (...) Anstrengung, Zeit und materielle Opfer, selbst Gefahr bei lokalen Schwierigkeiten wurden nicht gescheut, - in erster Linie aber anthropologische und ethnographische Forschungen angestellt, um möglichst alle noch wenige bekannte oder in vielem unbekannte Völker und Volksstämme auf dem Kamm des Gebirges und dessen Nordabhängen zu besuchen."
* Wladimir Markowin/Rauf Muntschajew, Kunst und Kultur im Nordkaukasus, Übertragung aus dem Russischen von Alexander Häusler, mit zahlreichen Zeichnungen und Fotos, E. A. Seemann Verlag, Leipzig 1988.
Der Nordkaukasus ist seit Jahrtausenden Siedlungsgebiet einer Vielzahl großer und kleiner Völkerschaften mit einer eigenständigen Kultur und Kunst. Nach dem zweiten Weltkrieg setzte eine intensive systematische Erforschung der Vergangenheit dieses Gebietes zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer ein, woran der Moskauer Wissenschaftler Wladimir Markowin und der dagestanische Archäologe R. Muntschajew, beide Mitarbeiter des Instituts für Archäologie der Akademie der Wissenschaften in Moskau, maßgeblich beteiligt sind. Die Autoren legen mit diesem Buch erstmals einen Gesamtüberblick über die kulturhistorische Entwicklung in diesem Teil der Russischen Föderation vom Paläolithikum bis zum späten Mittelalter vor. Felsbilder, die berühmten Gold- und Silberfunde aus Maikop, die Koban- und Skythenkunst, das künstlerische Wirken der Alanen und Chasaren oder die Architektur des alten Derbent sind ebenso Gegenstand dieser Arbeit wie das vielgestaltige spätmittelalterliche Kunsthandwerk.
* Gisela Reller, Hrsg. und aus dem Russischen übertragen, Aus Tränen baut man keinen Turm, Ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Illustrationen von Wolfgang Würfel, Eulenspiegel Verlag, Berlin 1985, 2. Auflage
Zu den Dagestanern aus der Vorbemerkung: "Jahrhundertelang zertraten raubgierige Eroberer die karge Ackerkrume Dagestans. Gleich einem mit Wein gefüllten Trinkhorn ging das `Land der Berge´ (Dag heißt Berg) von Feindeshand zu Feindeshand. So gehörte dagestanische Heimaterde im 7. Jahrhundert zum chasarischen Chaganat, wurde im 8. Jahrhundert von den Arabern erobert, im 13. Jahrhundert von Mongolenhorden unterworfen, war im 16. Jahrhundert Streitobjekt zwischen der Türkei und Pwersien, ab 1813 - nach dem Russisch-Persischen Krieg - war Dagestan dem russischen Reich angegliedert worden, die dagestanischen Völker leisteten der kolonialen Ausbeutungspolitik des Zarismus erbitterten Widerstand. Jahrhundertelang hielt der Dagestaner in einer Hand den Pflug oder den Hirtenstab, in der anderen griffbereit den Säbel oder den zweischneidigen Dolch..."
Ein awarisches Sprichwort lautet: Wo ein Gedanke hinkt, da helfen auch keine Stecken aus Unzukul*.
Illustration: Wolfgang Würfel
Unzukul = ein awarisches Bergdorf, in dem vorrangig Gegenstände aus Holz gefertigt werden, auch mit Goldplättchen verzierte Spazierstöcke aus Kornelkirschholz.
* Jörg Schöner/Alexander Kusnezow, Im Kaukasus, Der Einführungstext wurde von Hans-Joachim Thier aus dem Russischen übersetzt, Die Aufnahmen sind das Ergebnis vieler Wanderungen durch den Kaukasus, die der Fotograf gemeinsam mit Dr. A. Schulze unternahm, F. A. Brockhaus Verlag Leipzig 1981, 2. Auflage.
Aus der Vorbemerkung: "In diesem Bildband erzählen mein Freund Jörg Schöner und ich vom Kazkasus, richtiger gesagt, ich erzähle, und er zeigt den Kaukasus in seinen Fotos. Zunächst mache ich einige allgemeine Angaben über dieses Bergland, danach berichte ich über meine Reise durch einzelne Gebiete des Kaukasus - durch Dombai, das Elbrusgebiet, Dagestan und durch abgelegene Gegenden Georgiens - durch Swanetien und Chewsuretien. Auch Tbilissi, die Hauptstadt Georgiens, werden wir aufsuchen."
1. Streifenornament
Bibliographie zu Gisela Reller
Bücher als Autorin:
Länderbücher:
* Zwischen Weißem Meer und Baikalsee, Bei den Burjaten, Adygen und Kareliern, Verlag Neues Leben, Berlin 1981, mit Fotos von Heinz Krüger und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.
* Diesseits und jenseits des Polarkreises, bei den Südosseten, Karakalpaken, Tschuktschen und asiatischen Eskimos, Verlag Neues Leben, Berlin 1985, mit Fotos von Heinz Krüger und Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.
* Von der Wolga bis zum Pazifik, bei Tuwinern, Kalmyken, Niwchen und Oroken, Verlag der Nation, Berlin 1990, 236 Seiten mit Fotos von Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.
Biographie:
* Pater Maksimylian Kolbe, Guardian von Niepokalanów und Auschwitzhäftling Nr. 16 670, Union Verlag, Berlin 1984, 2. Auflage.
... als Herausgeberin:
Sprichwörterbücher:
* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.
* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.
* Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.
Aphorismenbuch:
* 666 und sex mal Liebe, Auserlesenes, 2. Auflage, Mitteldeutscher Verlag Halle/Leipzig, 200 Seiten mit Vignetten und Illustrationen von Egbert Herfurth.
... als Mitautorin:
Kinderbücher:
* Warum? Weshalb? Wieso?, Ein Frage-und-Antwort-Buch für Kinder, Band 1 bis 5, Herausgegeben von Carola Hendel, reich illustriert, Verlag Junge Welt, Berlin 1981 -1989.
Sachbuch:
* Die Stunde Null, Tatsachenberichte über tapfere Menschen in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges, Hrsg. Ursula Höntsch, Verlag der Nation 1966.
* Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Herausgegeben von Leonhard Kossuth unter Mitarbeit von Gotthard Neumann, Nora Verlag 2008.
... als Verantwortliche Redakteurin:
* Leben mit der Erinnerung, Jüdische Geschichte in Prenzlauer Berg, Edition Hentrich, Berlin 1997, mit zahlreichen Illustrationen.
* HANDSCHLAG, Vierteljahreszeitung für deutsche Minderheiten im Ausland, Herausgegeben vom Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Berlin 1991 - 1993.
Die erste Ausgabe von HANDSCHLAG liegt vor. Von links: Dr. Gotthard Neumann, Leonhard Kossuth (Präsident), Horst Wustrau, Gisela Reller,
Dr. Erika Voigt (Mitarbeiter des Kuratoriums zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V.).
Foto aus: Rellers Völkerschafts-Archiv
2. Streifenornament
Pressezitate (Auswahl) zu Gisela Rellers Buchveröffentlichungen:
Dieter Wende in der „Wochenpost“ Nr. 15/1985:
„Es ist schon eigenartig, wenn man in der Wüste Kysyl-Kum von einem Kamelzüchter gefragt wird: `Kennen Sie Gisela Reller?´ Es ist schwer, dieser Autorin in entlegenen sowjetischen Regionen zuvorzukommen. Diesmal nun legt sie mit ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik Berichte aus Kalmykien, Tuwa und von der Insel Sachalin vor. Liebevolle und sehr detailgetreue Berichte auch vom Schicksal kleiner Völker. Die ethnografisch erfahrene Journalistin serviert Besonderes. Ihre Erzählungen vermitteln auch Hintergründe über die Verfehlungen bei der Lösung des Nationalitätenproblems.“
B(erliner) Z(eitung) am Abend vom 24. September 1981:
"Gisela Reller, Mitarbeiterin der Illustrierten FREIE WELT, hat autonome Republiken und gebiete kleiner sowjetischer Nationalitäten bereist: die der Burjaten, Adygen und Karelier. Was sie dort ... erlebte und was Heinz Krüger fotografierte, ergíbt den informativen, soeben erschienenen Band Zwischen Weißem Meer und Baikalsee."
Sowjetliteratur (Moskau)Nr. 9/1982:
"(...) Das ist eine lebendige, lockere Erzählung über das Gesehene und Erlebte, verflochten mit dem reichhaltigen, aber sehr geschickt und unaufdringlich dargebotenen Tatsachenmaterial. (...) Allerdings verstehe ich sehr gut, wie viel Gisela Reller vor jeder ihrer Reisen nachgelesen hat und wie viel Zeit nach der Rückkehr die Bearbeitung des gesammelten Materials erforderte. Zugleich ist es ihr aber gelungen, die Frische des ersten `Blickes´ zu bewahren und dem Leser packend das Gesehene und Erlebte mitzuteilen. (...) Es ist ziemlich lehrreich - ich verwende bewusst dieses Wort: Vieles, was wir im eigenen Lande als selbstverständlich aufnehmen, woran wir uns ja gewöhnt haben und was sich unserer Aufmerksamkeit oft entzieht, eröffnet sich für einen Ausländer, sei es auch als Reisender, der wiederholt in unserem Lande weilt, sozusagen in neuen Aspekten, in neuen Farben und besitzt einen besonderen Wert. (...) Mir gefällt ganz besonders, wie gekonnt sich die Autorin an literarischen Quellen, an die Folklore wendet, wie sie in den Text ihres Buches Gedichte russischer Klassiker und auch wenig bekannter nationaler Autoren, Zitate aus literarischen Werken, Märchen, Anekdoten, selbst Witze einfügt. Ein treffender während der Reise gehörter Witz oder Trinkspruch verleihen dem Text eine besondere Würze. (...) Doch das Wichtigste im Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee sind die Menschen, mit denen Gisela Reller auf ihren Reisen zusammenkam. Unterschiedlich im Alter und Beruf, verschieden ihrem Charakter und Bildungsgrad nach sind diese Menschen, aber über sie alle vermag die Autorin kurz und treffend mit Interesse und Sympathie zu berichten. (...)"
Neue Zeit vom 18. April 1983:
„In ihrer biographischen Skizze über den polnischen Pater Maksymilian Kolbe schreibt Gisela Reller (2. Auflage 1983) mit Sachkenntnis und Engagement über das Leben und Sterben dieses außergewöhnlichen Paters, der für den Familienvater Franciszek Gajowniczek freiwillig in den Hungerbunker von Auschwitz ging.“
Der Morgen vom 7. Februar 1984:
„`Reize lieber einen Bären als einen Mann aus den Bergen´. Durch die Sprüche des Kaukasischen Spruchbeutels weht der raue Wind des Kaukasus. Der Spruchbeutel erzählt auch von Mentalitäten, Eigensinnigkeiten und Bräuchen der Adygen, Osseten und Dagestaner. Die Achtung vor den Alten, die schwere Stellung der Frau, das lebensnotwendige Verhältnis zu den Tieren. Gisela Reller hat klug ausgewählt.“
1985 auf dem Solidaritätsbasar auf dem Berliner Alexanderplatz: Gisela Reller (vorne links) verkauft ihren „Kaukasischen Spruchbeutel“ und 1986 das extra für den Solidaritätsbasar von ihr herausgegebene Sprichwörterbuch „Dein Freund ist Dein Spiegel“.
Foto: Alfred Paszkowiak
Neues Deutschland vom 15./16. März 1986:
"Vor allem der an Geschichte, Bräuchen, Nationalliteratur und Volkskunst interessierte Leser wird manches bisher `Ungehörte´ finden. Er erfährt, warum im Kaukasus noch heute viele Frauen ein Leben lang Schwarz tragen und was es mit dem `Ossetenbräu´ auf sich hat, weshalb noch 1978 in Nukus ein Eisenbahnzug Aufsehen erregte und dass vor Jahrhunderten um den Aralsee fruchtbares Kulturland war, dass die Tschuktschen vier Begriff für `Freundschaft´, aber kein Wort für Krieg besitzen und was ein Parteisekretär in Anadyr als notwendigen Komfort, was als entbehrlichen Luxus ansieht. Großes Lob verdient der Verlag für die großzügige Ausstattung von Diesseits und jenseits des Polarkreises.“
Gisela Reller während einer ihrer über achthundert Buchlesungen
in der Zeit von 1981 bis 1991.
Berliner Zeitung vom 2./3. Januar 1988:
„Gisela Reller hat klassisch-deutsche und DDR-Literatur auf Liebeserfahrungen durchforscht und ist in ihrem Buch 666 und sex mal Liebe 666 und sex mal fündig geworden. Sexisch illustriert, hat der Mitteldeutsche Verlag Halle alles zu einem hübschen Bändchen zusammengefügt.“
Neue Berliner Illustrierte (NBI) Nr. 7/88:
„Zu dem wohl jeden bewegenden Thema finden sich auf 198 Seiten 666 und sex mal Liebe mannigfache Gedanken von Literaten, die heute unter uns leben, sowie von Persönlichkeiten, die sich vor mehreren Jahrhunderten dazu äußerten.“
Das Magazin Nr. 5/88.
"`Man gewöhnt sich daran, die Frauen in solche zu unterscheiden, die schon bewusstlos sind, und solche, die erst dazu gemacht werden müssen. Jene stehen höher und gebieten dem Gedenken. Diese sind interessanter und dienen der Lust. Dort ist die Liebe Andacht und Opfer, hier Sieg und Beute.´ Den Aphorismus von Karl Kraus entnahmen wir dem Band 666 und sex mal Liebe, herausgegeben von Gisela Reller und illustriert von Egbert Herfurth."
Schutzumschlag zum „Buch 666 und sex mal Liebe“ .
Zeichnung: Egbert Herfurth
FÜR DICH, Nr. 34/89:
"Dem beliebten Büchlein 666 und sex mal Liebe entnahmen wir die philosophischen und frechen Sprüche für unser Poster, das Sie auf dem Berliner Solidaritätsbasar kaufen können. Gisela Reller hat die literarischen Äußerungen zum Thema Liebe gesammelt, Egbert Herfurth hat sie trefflich illustriert."
Messe-Börsenblatt, Frühjahr 1989:
"Die Autorin – langjährige erfolgreiche Reporterin der FREIEN WELT - ist bekannt geworden durch ihre Bücher Zwischen Weißem Meer und Baikalsee und Diesseits und jenseits des Polarkreises. Diesmal schreibt die intime Kennerin der Sowjetunion in ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik über die Kalmyken, Tuwiner und die Bewohner von Sachalin, also wieder über Nationalitäten und Völkerschaften. Ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird uns in fesselnden Erlebnisberichten nahegebracht."
Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel schrieb ich in der Ausgabe 49 vom 7. Dezember 1982 unter der Überschrift „Was für ein Gefühl, wenn Zuhörer Schlange stehen“:
„Zu den diesjährigen Tagen des sowjetischen Buches habe ich mit dem Buch
Zwischen Weißem Meer und Baikalsee mehr als zwanzig Lesungen bestritten. (…) Ich las vor einem Kreis von vier Personen (in Klosterfelde) und vor 75 Mitgliedern einer DSF-Gruppe in Finow; meine jüngsten Zuhörer waren Blumberger Schüler einer 4. Klasse, meine älteste Zuhörerin (im Schwedter Alten- und Pflegeheim) fast 80 Jahre alt. Ich las z.B. im Walzwerk Finow, im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder, im Petrolchemischen Kombinat Schwedt; vor KIM-Eiersortierern in Mehrow, vor LPG-Bauern in Hermersdorf, Obersdorf und Bollersdorf; vor zukünftigen Offizieren in Zschopau; vor Forstlehrlingen in Waldfrieden; vor Lehrlingen für Getreidewirtschaft in Kamenz, vor Schülern einer 7., 8. und 10 Klasse in Bernau, Schönow und Berlin; vor Pädagogen in Berlin, Wandlitz, Eberswalde. - Ich weiß nicht, was mir mehr Spaß gemacht hat, für eine 10. Klasse eine Geographiestunde über die Sowjetunion einmal ganz anders zu gestalten oder Lehrern zu beweisen, dass nicht einmal sie alles über die Sowjetunion wissen – was bei meiner Thematik – `Die kleinen sowjetischen Völkerschaften!´ – gar nicht schwer zu machen ist. Wer schon kennt sich aus mit Awaren und Adsharen, Ewenken und Ewenen, Oroken und Orotschen, mit Alëuten, Tabassaranern, Korjaken, Itelmenen, Kareliern… Vielleicht habe ich es leichter, Zugang zu finden als mancher Autor, der `nur´ sein Buch oder Manuskript im Reisegepäck hat. Ich nämlich schleppe zum `Anfüttern´ stets ein vollgepacktes Köfferchen mit, darin von der Tschuktschenhalbinsel ein echter Walrosselfenbein-Stoßzahn, Karelische Birke, burjatischer Halbedelstein, jakutische Rentierfellbilder, eskimoische Kettenanhänger aus Robbenfell, einen adygeischen Dolch, eine karakalpakische Tjubetejka, der Zahn eines Grauwals, den wir als FREIE WELT-Reporter mit harpuniert haben… - Schön, wenn alles das ganz aufmerksam betrachtet und behutsam befühlt wird und dadurch aufschließt für die nächste Leseprobe. Schön auch, wenn man schichtmüde Männer nach der Veranstaltung sagen hört: `Mensch, die Sowjetunion ist ja interessanter, als ich gedacht habe.´ Oder: `Die haben ja in den fünfundsechzig Jahren mit den `wilden´ Tschuktschen ein richtiges Wunder vollbracht.´ Besonders schön, wenn es gelingt, das `Sowjetische Wunder´ auch denjenigen nahezubringen, die zunächst nur aus Kollektivgeist mit ihrer Brigade mitgegangen sind. Und: Was für ein Gefühl, nach der Lesung Menschen Schlange stehen zu sehen, um sich für das einzige Bibliotheksbuch vormerken zu lassen. (Schade, wenn man Kauflustigen sagen muss, dass das Buch bereits vergriffen ist.) – Dank sei allen gesagt, die sich um das zustande kommen von Buchlesungen mühen – den Gewerkschaftsbibliothekaren der Betriebe, den Stadt- und Kreisbibliothekaren, den Buchhändlern, die oft aufgeregter sind als der Autor, in Sorge, `dass auch ja alles klappt´. – Für mich hat es `geklappt´, wenn ich Informationen und Unterhaltung gegeben habe und Anregungen für mein nächstes Buch mitnehmen konnte.“Die Rechtschreibung der Texte wurde behutsam der letzten Rechtschreibreform angepasst.
Die
AWAREN wurden am 10.10.2015 ins Netz gestellt. Die letzte Bearbeitung erfolgte am 16.01.2016.Die Weiterverwertung der hier veröffentlichten Texte, Übersetzungen, Nachdichtungen, Fotos, Zeichnungen, Illustrationen... ist nur mit Verweis auf die Internetadresse www.reller-rezensionen.de gestattet - und mit korrekter Namensangabe des jeweils genannten geistigen Urhebers.
Zeichnung: Karl-Heinz Döhring