Vorab!

Leider kommt im Internet bei meinem (inzwischen veralteten) FrontPage-Programm  längst nicht alles so, wie von mir in html angegeben. Farben kommen anders, als von mir geplant, Satzbreiten wollen nicht so wie von mir markiert, Bilder kommen manchmal an der falschen  Stelle, und - wenn  ich  Pech  habe  -  erscheint  statt  des  Bildes  gar  eine  Leerstelle.

Was tun? Wer kann helfen?

 

*

Wird laufend bearbeitet!

 

 

Ich bin eine ASERBAIDSCHANERIN: Die

 

 

 

 

 

 

Foto:

 

 

 

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring

 

 

"Die Seele, denke ich, hat keine Nationalität."

Juri Rytchëu (tschuktschischer Schriftsteller, 1930 bis 2008) in: Im Spiegel des Vergessens, 2007

 

 

Wenn wir für das eine Volk eine Zuneigung oder gegen das andere eine Abneigung hegen, so beruht das, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, auf dem, was wir von dem jeweiligen Volk wissen oder zu wissen glauben. Das ist – seien wir ehrlich – oft sehr wenig, und manchmal ist dieses Wenige auch noch falsch.  

Ich habe für die Berliner Illustrierte FREIE WELT jahrelang die Sowjetunion bereist, um – am liebsten - über abwegige Themen zu berichten: über Hypnopädie und Suggestopädie, über Geschlechtsumwandlung und Seelenspionage, über Akzeleration und geschlechtsspezifisches Kinderspielzeug... Außerdem habe ich mit jeweils einem deutschen und einem Wissenschaftler aus dem weiten Sowjetland vielteilige Lehrgänge erarbeitet.* Ein sehr interessantes Arbeitsgebiet! Doch 1973, am letzten Abend meiner Reise nach Nowosibirsk – ich hatte viele Termine in Akademgorodok, der russischen Stadt der Wissenschaften – machte ich einen Abendspaziergang entlang des Ob. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich zwar wieder viele Experten kennengelernt hatte, aber mit der einheimischen Bevölkerung kaum in Kontakt gekommen war.  

Da war in einem magischen Moment an einem großen sibirischen Fluss - Angesicht in Angesicht mit einem kleinen (grauen!) Eichhörnchen - die große FREIE WELT-Völkerschafts-Serie** geboren!  

Und nun reiste ich ab 1975 jahrzehntelang zu zahlreichen Völkern des Kaukasus, war bei vielen Völkern Sibiriens, war in Mittelasien, im hohen Norden, im Fernen Osten und immer wieder auch bei den Russen. 

Nach dem Zerfall der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zog es mich – nach der wendegeschuldeten Einstellung der FREIEN WELT***, nun als Freie Reisejournalistin – weiterhin in die mir vertrauten Gefilde, bis ich eines Tages mehr über die westlichen Länder und Völker wissen wollte, die man mir als DDR-Bürgerin vorenthalten hatte.

Nach mehr als zwei Jahrzehnten ist nun mein Nachholebedarf erst einmal gedeckt, und ich habe das Bedürfnis, mich wieder meinen heißgeliebten Tschuktschen, Adygen, Niwchen, Kalmyken und Kumyken, Ewenen und Ewenken, Enzen und Nenzen... zuzuwenden. 

Deshalb werde ich meiner Webseite www.reller-rezensionen.de (mit inzwischen weit mehr als fünfhundert Rezensionen), die seit 2002 im Netz ist, ab 2013 meinen journalistischen Völkerschafts-Fundus von fast einhundert Völkern an die Seite stellen – mit ausführlichen geographischen und ethnographischen Texten, mit Reportagen, Interviews, Sprichwörtern, Märchen, Gedichten, Literaturhinweisen, Zitaten aus längst gelesenen und neu erschienenen Büchern; so manches davon, teils erstmals ins Deutsche übersetzt, war bis jetzt – ebenfalls wendegeschuldet – unveröffentlicht geblieben. 

Sollten sich in meinem Material Fehler oder Ungenauigkeiten eingeschlichen haben, teilen Sie mir diese bitte am liebsten in meinem Gästebuch oder per E-Mail gisela@reller-rezensionen.de mit. Überhaupt würde ich mich über eine Resonanz meiner Nutzer freuen!

Gisela Reller 

 

     * Lernen Sie Rationelles Lesen" / "Lernen Sie lernen" / "Lernen Sie reden" / "Lernen Sie essen" / "Lernen Sie, nicht zu rauchen" / "Lernen Sie schlafen" / "Lernen Sie logisches Denken"...

 

  ** Im 1999 erschienenen Buch „Zwischen `Mosaik´ und `Einheit´. Zeitschriften in der DDR“ von Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis (Hrsg.), erschienen im Berliner Ch. Links Verlag, ist eine Tabelle veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Völkerschaftsserie der FREIEN WELT von neun vorgegebenen Themenkreisen an zweiter Stelle in der Gunst der Leser stand – nach „Gespräche mit Experten zu aktuellen Themen“.

(Quelle: ZA Universität Köln, Studie 6318)

 

*** Christa Wolf zur Einstellung der Illustrierten FREIE WELT in ihrem Buch "Auf dem Weg nach Tabou, Texte 1990-1994", Seite 53/54: „Aber auf keinen Fall möchte ich den Eindruck erwecken, in dieser Halbstadt werde nicht mehr gelacht. Im Gegenteil! Erzählt mir doch neulich ein Kollege aus meinem Verlag (Helmut Reller) – der natürlich wie zwei Drittel der Belegschaft längst entlassen ist –, daß nun auch seine Frau (Gisela Reller), langjährige Redakteurin einer Illustrierten (FREIE WELT) mitsamt der ganzen Redaktion gerade gekündigt sei: Die Zeitschrift werde eingestellt. Warum wir da so lachen mußten? Als im Jahr vor der `Wende´ die zuständige ZK-Abteilung sich dieser Zeitschrift entledigen wollte, weil sie, auf Berichterstattung aus der Sowjetunion spezialisiert, sich als zu anfällig erwiesen hatte, gegenüber Gorbatschows Perestroika, da hatten der Widerstand der Redaktion und die Solidarität vieler anderer Journalisten das Blatt retten können. Nun aber, da die `Presselandschaft´ der ehemaligen DDR, der `fünf neuen Bundesländer´, oder, wie der Bundesfinanzminister realitätsgerecht sagt: `des Beitrittsgebiets´, unter die vier großen westdeutschen Zeitungskonzerne aufgeteilt ist, weht ein schärferer Wind. Da wird kalkuliert und, wenn nötig, emotionslos amputiert. Wie auch die Lyrik meines Verlages (Aufbau-Verlag), auf die er sich bisher viel zugute hielt: Sie rechnet sich nicht und mußte aus dem Verlagsprogramm gestrichen werden. Mann, sage ich. Das hätte sich aber die Zensur früher nicht erlauben dürfen! – "Das hätten wir uns von der auch nicht gefallen lassen", sagt eine Verlagsmitarbeiterin.

Wo sie recht hat, hat sie recht.“

 

 

 

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring

 

 

Wenn Sie sich die folgenden Texte zu Gemüte geführt und Lust bekommen haben, Aserbaidschan zu bereisen, so halten Sie es mit dem aserbaidschanischen Sprichwort

Auch eine Reise von tausend Kilometern beginnt mit einem einzigen Schritt

 

- dem Schritt zum Reisebüro  ? ...

 

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Die ASEBAIDSCHANER… (Eigenbezeichnung: Karjalaschet; die Bedeutung ist nicht geklärt)

 

 

 

 

 

Bevölkerung: Die Aserbaidschaner als Volk sind eine moderne Erscheinung - ein türkischsprachiges Volk, in dem türkische, iranische, kaukasische und andere Völkerschaften aufgegangen sind. Die ursprünglich iranischsprachige Bevölkerung dieses Teiles des Transkaukasus vermischte sich seit dem 7. Jahrhundert mit immer wieder eindringenden Türkenstämmen, so dass die gesamte Region im 11. Jahrhundert weitgehend türkisiert war.

 

 

Zitat: "Als Statistiker der Vereinten Nationen vor ein paar Jahren routinemäßig die Geburtenraten der Welt überprüften, fiel ihnen eine Merkwürdigkeit auf. In einigen Ländern des Balkans und des Kaukasus wurden auffällig viele Jungen und nur wenige Mädchen geboren. Die Zahlen ähnelten denen in Indien oder China, wo das Gleichgewicht der Geschlechter längst nicht mehr stimmt, weil weibliche Embryonen gezielt abgetrieben werden. Väter in diesen Ländern wollen oft unbedingt einen männlichen Stammhalter und tun alles dafür, keine Töchter aufziehen zu müssen. Inzwischen kann es offenbar auch in Europa und im benachbarten Kaukasus für ein Ungeborenes ein mörderischer Makel sein, wenn es weiblich ist. In Armenien und Aserbaidschan kommen auf 100 Mädchen derzeit etwa 115 Jungen zur Welt, in Albanien sind es nach den gerade erst veröffentlichten Geburtenstatistiken 112 Jungen - das sind in etwa indische Zustände. - Normal ist ein Geschlechterverhältnis bei der Geburt von 100 zu 105. Der natürliche Überschuss an Jungen wird durch die höhere Sterblichkeit von männlichen Babys und Kindern später wieder ausgeglichen. Doch wenn die Zahl der Jungen zu groß wird, gerät die Demografie aus dem Gleichgewicht. In Indien leben inzwischen sieben Millionen mehr Jungen als Mädchen. […] Weltweit gibt es ein Defizit von 160 Millionen Mädchen und Frauen."

In: Süddeutsche Zeitung vom 01.01.2013

 

 

 

Fläche: Die Fläche Aserbaidschans beträgt 86 600 Quadratkilometer.

 

Geschichtliches: Im 8. Jahrhundert wurde Aserbaidschan von den Arabern erobert, die den größten Teil des Landes unter die Kontrolle der Kalifen brachten. Damit verbunden war die nun einsetzende Islamisierung der mehrheitlich christlichen Bevölkerung. Mongolische Eindringlinge, persische Herrscher und die Osmanen teilten sich in den folgenden Jahrhunderten die Vorherrschaft über die Aserbaidschaner. In den letzten Regierungsjahren Peter I. mischten sich auch russische Truppen in den Kampf um Einfluss und Macht in dieser Region ein. Mit dem Niedergang der persischen Hegemonie konnte sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts Russland immer weiter durchsetzen und das in die Khanate Kuba, Baku, Schemacha, Gandscha, Karabach, Nachitschewan, Scheke, Talysch u. a. aufgeteilte Aserbaidschan nach und nach unter seine Kontrolle bringen. Dies geschah durch die Errichtung von Protektoraten über einzelne Khanate, die dann bis 1844 teils gewaltsam aufgelöst wurden, nachdem ihre Territorien schon 1828 dem Russischen Reich eingegliedert worden waren. - Unter den russischen Zaren wurde Schritt für Schritt das russische Verwaltungssystem eingeführt, gleichzeitig wurden aber die einheimischen Beys als Stützen der Herrschaft gesellschaftlich aufgewertet und ökonomisch gefördert. Mit Hilfe von ausländischem Kapital wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Erdölförderung in Baku intensiv vorangetrieben und damit ein industrielles Zentrum ersten Ranges in dem im übrigen rein agrarischen Land geschaffen. Hierher zogen nun auf der Suche nach Arbeit und Verdienstmöglichkeiten Russen, Armenier und Angehörige anderer Nationalitäten, die Baku rasch einen multinationalen Charakter verliehen und es zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Schauplatz sozialer Auseinandersetzungen und von Nationalitätenkämpfen werden ließen. In letztere waren - teilweise bewusst von den russischen Behörden provoziert - vor allem Aserbaidschaner und Armenier verwickelt. - Nach der Oktoberrevolution rangen pantürkisch-islamisch beeinflusste aserbaidschanische Nationalisten mit den Bolschewiki um die Herrschaft über das Land, ohne zu einer raschen Entscheidung zu kommen. Im November 1917 schlossen sich die Aserbaidschaner mit Georgien und Armenien zu einem Transkaukasischen Kommissariat zusammen, das im April 1918 die gegen die Türkei gerichtete Transkaukasischen Demokratische Föderative Republik ausrief. Diese zerbrach jedoch schon einen Monat später an den sich gegenseitig ausschließenden Einzelinteressen der drei Völker. Am 28. Mai 1918 wurde daher von einem Muslimischen Nationalrat die unabhängige Aserbaidschanische Republik ausgerufen, die auf Hilfe von außen setzte. Vom Sommer 1918 bis zum November 1919 lösten sich zunächst türkische / deutsche, dann britische und schließlich französische und amerikanische Interventionstruppen als Besatzungsmächte ab. Nach ihrem Abzug konnten die Bolschewiki, ohne viel Gegenwehr der nationalen Streitkräfte überwinden zu müssen, Aserbaidschan besetzen. Sie proklamierten im April 1920 die Aserbaidschanische SSR, die 1922 mit Armenien und Georgien zur Transkaukasischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik vereint wurde. Im Juli 1923 wurde Aserbaidschan das überwiegend armenische besiedelte Nagornyj Karabach als Autonomes Gebiet (4 400 Quadratkilometer, Hauptort: Stepanakert) angegliedert. Nachitschewan war schon im Februar 1923 als Autonome Region den Aserbaidschanern zugeschlagen worden. 1924 erhielt es den Status einer ASSR (5 500 Quadratkilometer, Hauptstadt: Nachitschwan). Es blieb auch aserbaidschanisch, als nach der Auflösung der Föderation im Dezember 1936 die Aserbaidschanische SSR entstand.

 

 

 

Zitate: Die Beziehung zwischen Aserbaidschan und Armenien war stets gespannt, aber in sowjetischer Zeit gab es keine großen Ausbrüche ethnisch motivierter Gewalt. Als die regionalen Unabhängigkeitsbewegungen wachsenden Zulauf fanden, nahmen auch die Protestkundgebungen und die gewalttätige Rhetorik zu. Die sowjetische Hegemonie unterdrückte den Konflikt zwischen den beiden Völkern, aber als Moskau wegschaute, versank die Region in Gewalt.  Ein Pogrom gegen die Armenier in Sumgait im Februar 1988 löste Kämpfe aus, die zwei Jahre andauerten, und zwang die Armenier, massenhaft auszuwandern. So wie später in Baku bleib eine Reaktion des Kreml zunächst aus, und erst sehr spät griff er entschlossen ein. Sie ein Autor damals düster scherzte, waren die britischen Streitkäfte schneller auf den Falklandinseln als die sowjetischen Sicherheitskräfte in Sumgait."

Garri Kasparow in: Warum wir Putin stoppen müssen, 2015

 

 

 

 

Staatsgefüge: Am 30. August 1991 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung der Aserbaidschanischen SSR und die Umbenennung in die Aserbaidschanische Republik.

 

Verbannungsgebiet:

 

"Die Volkszugehörigkeit ist fast das wichtigste Merkmal, wenn es um die Auswahl der Lagerinsassen geht, die einen der rettenden `Schlauberger´-Posten erhalten. Jeder Gulag-Häftling, der genug Lager gesehen hat, wird bestätigen, dass unter den `Schlaubergern´ (`pridurki´) eine ganz andere Zusammensetzung nach Nationalitäten  herrschte als insgesamt in der Lagerbevölkerung. In der Tat, Balten fand man unter den Schlaubergern eigentlich nie, so viele es auch im Lager geben mochte - und es gab viele! Russen waren natürlich immer dabei, doch ihr Anteil war im Vergleich zu ihrer Anzahl unter den Häftlingen unverhältnismäßig gering (und nicht selten wurden dafür Parteitreue herausgepickt). Dafür waren Juden, Georgier und Armenier deutlich überrepräsentiert. Auch den Aserbaidshanern gelang es überdurchschnittlich häufig, auf einem privilegierten Posten unterzukommen."

Alexander Solschenizyn (1918 bis 2008) in: "Zweihundert Jahre zusammen. Die Juden in der Sowjetunion, 2002/2003"

Hauptstadt: Die Hauptstadt der Aserbaidschanischen Republik ist Baku, die "Stadt der Winde".

 

"Nachts sah ich von dem Berg, auf dem man einen Botanischen Garten plant, auf Baku hinab und war von der erstaunlichen Fülle und Schönheit des Lichterglanzes über der Stadt (...) überrascht. Bis zu dieser Nacht konnte ich mir kein schöneres Bild vorstellen als das nächtliche Neapel, vom Vomero aus gesehen - ein riesiges Diamantenfeld, dessen große Edelsteine, dicht die alte Stadt und ihren Hafen ausgestreut, sich in den Wassern des Golfes widerspiegeln. Aber Baku ist stärker beleuchtet, die Lichter reihen sich noch dichter aneinander, und ebenso wie im Golf von Neapel schimmern im dunklen Spiegel des Kaspischen Meeres Tausende von Küstenfeuern."

Maxim Gorki in: Durch die Union der Sowjets, 1891

 

 

Zitate: "In der schachverrückten Sowjetunion war ich ein gefeierter Sportheld, und ich lebte immer noch in meiner Heimatstadt Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan, einer der transkaukasischen Republiken, die gemeinsam mit Armenien und Georgien am Rand des sowjetischen Riesenreichs lagen. In Baku am Kaspischen Meer, etwa zweitausend Kilometer südlich von Moskau, fühlte es sich an, als sei man an einem abgelegenen kolonialen Außenposten. [...] Im Jahr 1988 lebte etwa eine Viertelmillion Armenier in meiner Heimatstadt Baku. Im Januar 1990 gab es nur noch Armenier aus ethnisch gemischten Familien wie meiner eigenen in der Stadt. Dann brach die Gewalt aus, und in Baku und Umgebung begann eine siebentägige Terrorherrschaft von Gruppen, die sämtliche Armenier vertreiben wollten. Mehr als hundert Menschen wurden getötet, fast tausend erlitten Verletzungen. Ich hatte das Glück, ein Flugzeug chartern zu können, mit dem ich meine Familie, meine Freunde und möglichst viele weitere Menschen im Schutz der Nacht in Sicherheit bringen konnte."

Garri Kaspoarow in: Warum wir Putin stoppen müssen, 2015

 

 

 

 

 

 

Wirtschaft: Die Sowjetisierung Aserbaidschans begann mit der Konfiszierung des Großgrundbesitzes und der politischen Entmachtung der Beys, die jedoch mit einem Teil der islamischen Geistlichkeit bis zu Beginn der 1930er Jahre ihre gesellschaftliche Führungsrolle erhalten konnten. Im Zuge der Entkulakisierung und der seit 1929 gegen heftigen Widerstand vor allem des halbnomadisch lebenden Teils der Bevölkerung durchgeführten Zwangskollektivierung wurde die traditionelle patriarchalische Gesellschaftsstruktur der Aserbaidschaner weitgehend zerstört. Diese radikalen sozialökonomischen Veränderungen waren mit verantwortlich dafür, dass der Zuwachs im wenig entwickelten landwirtschaftlichen Sektor weitgehend hinter der industriellen Entwicklung zurückblieb, wo die Erweiterung der Erdölförderbetriebe den Schwerpunkt bildeten.

 

 

 

 

"Am 19. Februar 1930 verübten Soldaten der Roten Armee im Dorf Tschai-Abassy im Rayon Gandscha in Aserbaidschan ein furchtbares Massaker. Ein Jahr später wurde eine staatliche Untersuchungskommission in die Region entsandt, die einen Bericht über das grausige Geschehen verfaßte: `Bei der Festsetzung der acht Banditen, die sich im besagten Dorf versteckt hatten, wurden am 19. Februar 1930 ungefähr dreißig Personen, d. h. alle Bewohner des Dorfes, von einer Kompanie des vierten Schützenregiments auf viehische Weise erschossen. (...) Unter den Erschossenen befanden sich 14 Kinder, unter innen neun im Alter von zwei bis sechs Jahren. Darüber hinaus wurden vier Säuglinge, die an die Leichen der Mütter geklammert waren, liegengelassen, sie starben an Hunger und Kälte."

Jörg Baberowski in: Stalins Herrschaft der Gewalt, 2012

 

 

 

 

 

 

In der Wirtschaft Aserbaidschans dominiert nach wie vor die Erdöl- und Erdgasgewinnung. Für die gesamte sowjetische Erdöl- und Erdgasgewinnung wichtig war die hier entstandene Ausrüstungs- und Zulieferindustrie. Daneben bestimmen Elektrizitätsgewinnung, Aluminiumhütten und chemische Betriebe das Profil der aserbaidschanischen Wirtschaft. In der Landwirtschaft nehmen der Anbau von Baumwolle, Tabak und Wein wichtige Plätze ein. Dahiner rangieren die Herstellung von Seide, die Viehhaltung sowie der Anbau von Tee und Zitrusfrüchten.

 

Verkehr:  

 

Sprache/Schrift: Das Aserbaidschanische gehört zur südwestlichen (oghusischen) Gruppe der Türksprachen. Als Schrift wurde seit 1939 das kyrillische Alphabet benutzt. Im Januar 1992 wurde das lateinische Alphabet eingeführt.

 

Literatursprache/Literatur: Ein weltberühmter Dichter Aserbaidschans war Nisami, der im 12. Jahrhundert in Gandscha lebte. Ähnlich wie Kant hat auch Nisami (siehe www.reller-rezensionen.de KATEGORIE Belletristik) nie seine Heimatstadt verlassen. Hegel sagte von der Dichtkunst Nisamis, sie sei "weich und süß". "nachts", schreibt Nisami, "hole ich die glänzenden Perlen der Verse hervor, indem ich mein Gehirn in hundert Feuern verbrenne." - Aserbaidschanisch ist seit dem 14. Jahrhundert (?) Literatursprache.

 

Bildung:

 

 

Kultur/Kunst:

 

 

 

Gesundheitswesen:

 

Klima:

 

Natur/Umwelt:

 

Pflanzen- und Tierwelt: Etwas über hundert Kilometer südlich von Baku liegt der sich bis zur Küste erstreckende, 65 000 Hektar große Sirvan-Nationalpark. In der von Steppen, Halbwüste und Binnengewässern geprägten Landschaft lässt sich eine Vielzahl von Tieren beobachten. Neben der Kropfgazelle, Europas einziger echter Gazellenart, sind hier u. a. Fledermäuse, Schakale, Wildschweine und Wölfe zu Hause, darüber hinaus in den Uferregionen Pelikane, Flamingos, Reiher, Bussarde und die Kaspische Robbe. Das Naturschutzgebiet Qizilagac umfasst sogar 88 000 Hektar in einer Flachwasserzone und ist ein Muss für Vogelfreunde – über zweihundertfünfzig Vogelarten rasten und überwintern hier, darunter mehrere Pelikanarten, Flamingos und Kormorane. Ebenso leben hier Schakale, Wölfe, und Schilfkatzen. Im Süden Aserbaidschans traf man bis vor kurzem sogar Tiger und Leoparden an. Nicht überall auf der Erde findet man so viel verschiedene Arten auf engem Raum.

 

Im Kaukasus gibt es Tiere, die sonst nirgendwo vorkommen: Mehrere Arten von Steinböcken, Truthühnern und Mäusen. Auch Eidechsen, von denen es nur Weibchen und keine Männchen gibt. Die meisten Tiere haben sich seit der Eiszeit wie auf einer Insel halten können.

 

 

 

 

 

 

Behausungen:

 

Ernährung: Legendäre Vitalität zeichnet die Bewohner des Kaukasus aus. Sie leben nicht nur lange, sondern erhalten sich auch ihre Lebensfreude und eine beneidenswerte Gesundheit. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Ernährung.

 

Naturbelassene Nahrungsmittel und eine Fülle von frischen Zutaten werden zu Gerichten von unwiderstehlicher Köstlichkeit komponiert. (...) Bei allen Unterschieden haben die Kaukasier jedenfalls eines gemeinsam: Sie werden dank ihrer natürlichen Ernährung und Lebensweise steinalt, und das bei bester Gesundheit."

Monika Buttler in: Die Kaukasuskost der Hundertjährigen, 1999

 

 

Die sprachliche Mischung der Kaukasusvölker spiegelt sich auch in manchem Rezeptlausdruck: So verrät in der armenischen Küche das Wort Tarhana (eine Joghurtpaste) den türkischen Einfluss aus der Zeit, als im Ostteil der Türkei Armenier lebten, während Tahina (Sesampaste) dem arabischen Speisezettel entlehnt ist. Aus Russland stammt der rote-Bete-Kohl Eintopf Borschtsch, der in alle kaukasischen Küchen Eingang gefunden hat. Der aserbaidschanische Eintopf Dizi (Lammfleisch mit Kichererbsen), hat wiederum das iranische Essen bereichert und ist dort als Abguschd bekannt. Ist das Tapaka-Hähnchen nun ein armenisches oder georgisches Gericht? Die Beteiligten können sich darüber richtig streiten, und als Europäer gerät man dabei ganz schön zwischen die Fronten...

 

Kleidung:

 

 

 

 

Folklore:

 

"Wir bewundern die Teppiche des Kaukasus mit ihrer mannigfaltigen nationalen Ornamentgestaltung, die bizarren Erzeugnisse der kaukasischen Silberschmiede, die herrlichen Stein- und Holzschnitzereien. Schön sind die Lieder der Völker des kaukasischen Berglands, ihr feuriger und zugleich poetischer Charakter drückt sich in der reichen Instrumentalmusik und in den Tänzen aus. Viel Gemeinsames vereint die Lieder, Tänze und die bildende Kunst der kaukasischen Völker. Dabei bewahrt jedoch jedes Volk seine künstlerische Eigenart, auch in der Folklore und Literatur. Unerschöpflich ist der Märchenschatz der kaukasischen Völker. Da gibt es lange Zaubermärchen, spannende Schelmengeschichten, erbaulich-belehrende Tiermärchen, lustige Possen, Satiren, die reiche Hohlköpfe geißeln und das Laster verspotten. Jedes Volk des Kaukasus hat sein Epos, seine Märchen, und oft lässt sich nur schwer feststellen, wem diese oder jene Gesichte, Heldensage oder drollige Posse zuzuschreiben ist."

Prof. E. Pomeranzewa im Nachwort von : Kaukasische Märchen, Grusinien [Georgien], Armenien und Aserbaidschan, 1978

 

 

Feste/Bräuche:

 

Religion: Die Aserbaidschaner sind in ihrer überwiegenden Mehrheit schiitische Muslime.

 

Ereignisse nach dem Zerfall der Sowjetunion, sofern sie nicht bereits oben aufgeführt sind:

 

1990  - nach dem Pogrom - verließen alle Armenier nicht nur Baku, sondern die ganze Republik Aserbaidschan.

 

"Besonders schwer traf es die Familien der aserbaidshanisch-armenischen Mischehen - sie gingen auseinander. Es ist eine große Tragödie für diese Familien, besonders für die Kinder, wenn sich zum Beispiel die armenische Mutter in ihr ethnisches Vaterland retten mußte, und der Vater nicht mitkommen konnte, weil er dem `feindlichen Volk´ angehörte. Da die Kinder nach dem Vater aserbaidshanische Familiennamen tragen, dürfen sie nicht mit der Mutter in deren armenische Heimat fahren."

Igor Trutanow in: Zwischen Koran und Coca Cola, 1994

 

 

2015 finden in Aserbaidschan die ersten European Games - eine Art europäische Miniolympiade - statt.

 

2015

 

Kontakte zur Bundesrepublik Deutschland:

 

2015 erkundete eine Gruppe deutscher und aserbaidschanischer Studenten, geführt von Experten der Michael Succow Stiftung und der Universität Greifswald, Halbwüsten und Schlammvulkane in den Ebenen Aserbaidschans, Bergwälder und Heuwiesen sowie alpine Matten und Weiden im Großen Kaukasus. Die Studierenden vom Institut für Botanik und Landschaftsökologie der Universität Greifswald sowie von der Fakultät für Ökologie und Boden der Staatlichen Universität Baku gewannen dabei einen Überblick über die Herausfor-derungen in Naturschutz und nachhaltiger Nutzung. Vegetationsaufnahmen und Pflanzenbestimmung, Bodenprofile und auch Gespräche mit Landnutzern standen auf dem Programm.

 

 

 

Interessant, zu wissen..., dass es in Aserbaidschan ein "Museum für Langlebigkeit" gibt - das einzige auf der Welt.

 

Im tiefsten Süden Aserbaidschans – an der Grenze zum Iran – lebt die kaukasische Volksgruppe der Talyschen. Es gibt keine eindeutigen Bevölkerungsstatistiken über die Talyschen; laut einer aserbaidschanischen Volkszählung leben in ASERBAIDSCHAN etwa achtzigtausend Talyschen, die berühmt für ihre Langlebigkeit sind. 2012 fand hier ein Festival der ältesten Menschen der Welt statt. Pilata Fatulayeva ist die Direktorin des aserbaidschanischen "Museum für Langlebigkeit" – das einzige seiner Art in der Welt. Unumstrittener Star des Museums ist der Schafhirte Sirali Müslümow, der 168 Jahre alt geworden sein soll. "1805 wurde er hier in der Region geboren, 1973 starb er", behauptet die Direktorin. Der Mann sei drei Mal verheiratet gewesen und habe 23 Kinder gezeugt, im Alter von 136 Jahren  noch eine Tochter. Fakt ist, dass die Menschen der Region rund um Lenkoran auffallend häufig ein biblisches Alter erreichen. Zurzeit gibt es zwanzig Personen, die älter als hundert Jahre alt sind. Warum leben gerade hier im Süden Aserbaidschans so viele Hochbetagte? Ein aserbaidschanischer Reiseführer erklärt das mit den besonderen Genen der Talyschen. Museumsdirektorin Fatulayeva dagegen glaubt, dass es an der Ernährung liege. Doch dass ausgerechnet die kalorienreiche Kost der Talyschen so gesund sein soll, die Fleisch, Brot und vor allem Milchprodukte lieben und von denen viele täglich ein Glas geschmolzene Butter trinken, erscheint aus ernährungswissenschaftlicher Sicht nicht gerade plausibel. Aber vielleicht hat die Direktorin (48) recht, wenn sie sagt: "Die Alten genießen in unserer Kultur große Hochachtung. Sie leben inmitten der Großfamilie, werden geliebt, umsorgt und sind glücklich."  

 

 

 

Wie unglücklich ist der Mensch, der fern der Heimat sterben muss.

Sprichwort der Aserbaidschaner

 

 

 

Die ASERBAIDSCHANER: Für Liebhaber kurzer Texte

 

 

Vor langer, langer Zeit schlug in die Erde von Apscheron - eine Halbinsel im Kaspischen Meer – ein Blitz ein. Aus dem Boden schlugen kleine Flammen, die weder tags noch nachts erloschen. Sie gaben dem Gebiet den Namen „Land der Feuer“. So erzählt es die Legende. Schon Marco Polo beschrieb dieses „Wunder“ als Erdölvorkommen. Historiker sind der Meinung, dass sich Aserbaidshans Geschichte bis zum zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung zurückführen lässt. Funde von Archäologen, vor allem Reste von Festungswällen, erzählen davon, dass die Aserbaidshaner sich vieler Eroberer erwähren mussten. Ein Grund dafür war die günstige Lage des Landes – als Schnittpunkt zwischen Europa und Asien. Deshalb auch trafen sich hier seit alters verschiedene Kulturen, Sprachen und Religionen, kreuzten sich Handelswege und Heerstraßen. – „Atropatena“ war Aserbaidshans alter Name, unter den Persern hieß es „der Badagan“, unter den Arabern „Aderbaidshan. Das uralte Land der heute weit über fünf Millionen Aserbaidshaner wird nahezu zur Hälfte von Gebirgen eingenommen: Im Norden erheben sich die zahlreichen Gebirgsketten des Großen Kaukasus, im Südwesten die Bergzüge und Hochebenen des Kleinen Kaukasus. Dazwischen liegt Steppe, teilweise Wüste, die, von Kura und Aras durchflossen, zum Teil unter dem Meeresspiegel der Weltmeere liegt. In Aserbaidshan sind fast alle Klimazonen heimisch, man trifft sowohl auf ewige Schneekappen als auch auf subtropische Teeplantagen und Zitrusgewächse. - Das Aserbaidshanische gehört zur südwestlichen Gruppe der Turksprachen, in der viele iranische Elemente enthalten sind, was auf Jahrhunderte währende historische Verbindungen zurückzuführen ist. Bis heute sind Lebensweise und Kultur – auch die Sprichwörter – vom Islam beeinflusst. Die Islamisierung der mehrheitlich christlichen Bevölkerung erfolgte im 8. Jahrhundert durch die Araber. Die meisten gläubigen Aserbaidshaner sind schiitische Moslems. Zwar haben inzwischen fast alle Häuser zur Straßenseite Türen und Fenster, aber viele Geschäfte sind auch heute noch von einer hohen Mauer umgeben, um fremden Augen den Blick ins mohammedanische Innenleben zu verwehren.

 

Diesen unveröffentlichten Text habe ich geschrieben, als ich für das

Bibliographische Institut in Leipzig von 1986 bis 1991 ein Sprichwörterbuch von fünfzig Völkern der (ehemaligen) Sowjetunion erarbeitete,

das wegen des Zerfalls der Sowjetunion nicht mehr erschienen ist.

 

Als Journalistin der Illustrierten FREIE WELT – die als Russistin ihre Diplomarbeit über russische Sprichwörter geschrieben hat - habe ich auf allen meinen Reportagereisen in die Sowjetunion jahrzehntelang auch Sprichwörter der dort ansässigen Völker gesammelt - von den Völkern selbst,  von einschlägigen Wissenschaftlern und Ethnographen, aus Büchern ... - bei einem vierwöchigen Aufenthalt in Moskau saß ich Tag für Tag in der Leninbibliothek. So ist von mir erschienen: 

 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

 

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

 

Ich bin, wie man sieht, gut damit gefahren, es mit diesem turkmenischen Sprichwort zu halten: Hast du Verstand, folge ihm; hast du keinen, gibt`s ja noch die Sprichwörter.

 

Hier fünfzig aserbaidschanische Sprichwörter:

 

(Unveröffentlicht)

 

Warum soll sich der Affe als Zimmermann betätigen?

Sag wahr aus Angst vor den Menschen, lüge nicht aus Angst vor dem Gewissen.

Wenn ein Armer stirbt, kränkelt der Mulla.

Der Appetit wohnt zwischen den Zähnen.

Das verloren gegangene Beil hatte einen Griff aus Gold.

Der Blinde ist schon mit dem Bettelstab zur stelle, obwohl die Moschee noch im Bau ist.

Den Blinden schert das Geld für die Kerzen nicht.

Nur ein Blinder fällt zweimal in denselben Brunnen.

Brautwerber schelten nicht.

Schläfst du im Brunnen, denke einfach, es sei ein Minarett.

Wer mit dem Esel nicht zurechtkommt, schläft die Satteldecke.

Ganz gleich, welchen Finger du dir verletzt, der Schmerz bleibt derselbe.

Ein guter Freund ist dir näher als ein Bruder.

Wohin sich die Füchsin auch wendet, der Schweif folgt ihr.

Wie eilige es der Gärtner auch hat, die Birne wächst nicht vor der Zeit.

Ein Freund schaut in deine Augen, ein feind auf deine Füße.

Den ungebetenen Gast in die ungefegte Ecke.

Grenzenlos ist nur die Geduld einer Mutter.

Befrage den Hakenpflug, willst du des Ochsen Qualen ermessen.

Leere Hände – finsteres Angesicht.

Beginne erst Händel mit dem Bootsmann, nachdem du sein Schiff verlassen hast.

Suche nicht das Haus auf, sondern den Nachbarn.

Des Hauses Zier ist das Kind, Zier des Tisches ist der Gast.

Wie der Herr ist, so wird das Pferd beschlagen.

Ein Hund der beißen will, fletscht vorher nicht die Zähne.

Mancher hat sogar bei einem Hund Schulden.

Misstraue dem, der die Hundesprache kennt und den Weg zur Hölle.

Das Kamel ist nicht unter den Teppich zu kehren.

Erst wenn du einen Kirschgarten hast, zeigt der Star seinen wahren Charakter.

Wer allein ist, ist auch mit seinem Leid allein.

Lebe nicht, um zu essen, iss, um zu leben.

Das Leid kommt ohne anzuklopfen.

Ob Männchen oder Weibchen – Löwe ist Löwe.

Für die Maus ist die Katze ein Löwe.

Der eine war in Mekka, der andere erzählt davon.

Man kann nicht zwei Melonen auf einer Handfläche tragen.

Eine alte Füchsin gerät in keinen Hinterhalt.

Ein geduldiger Mensch gräbt sein Grab mit der Nadel.

Mit guten Nachbarn wird auch die blinde Tochter keine alte Jungfer.

Der Füchsin ist es egal, woran der Hahn sich labte.

Verlässt du dich auf den Nachbarn, bleibst du ohne Licht.

Reiche und Dorftrottel haben Narrenfreiheit.

Hüte dich vor Scherzen, die halb im Ernst gesagt werden.

Wenn die Schönheit zehn Punkte hat, so gehören neuen den Kleidern.

Seinem Schuldner wünscht der Gläubiger blühende Gesundheit.

Gute Sitten sind nicht auf dem Basar zu kaufen.

All Ungemach von der Jugend kommt.

Bist du beim Wolf zu Gast geladen, nimm den Hund mit.

Erfülle erst den Wunsch eines Kindes, dann den Befehl des Padischah.

Wenn der Felsen nicht einstürzt, bleibt auch die Schlucht wie sie ist.  

 

Interlinearübersetzung aus dem Russischen von Gertraud Ettrich; gesammelt und in Sprichwortform gebracht von Gisela Reller

 

 

Zitate: "In Baku war ich zweimal: 1892 und 1897. Die Ölfelder sind mir als ein genial gezeichnetes bild der finsteren Unterwelt im Gedächtnis geblieben. Dieses Bild bedrückte mich mehr als alle mir bekannten Ausgeburten eines verängstigten Geistes, mehr als alle Bemühungen der Geduld- und Demutprediger, den Menschen durch die Androhung eines Aufenthalts beim Teufel, in kochenden Teekesseln, im nie verlöschenden Höllenfeuer zu erschrecken. Ich scherze nicht. Der Eindruck war niederschmetternd. (...) Die Arbeiter, die zwischen den Bohrtürmen hin und her liefen, schienen merkwürdig und beleidigend klein. In allem war etwas Unheimliches, Unreales oder allzu Reales, Gedankentötendes. Fedja Afanasjew spuckte aus und sagte: Ìch würde lieber dreimal vor Hunger verrecken als hier arbeiten.´

*

"In Georgien und in Aserbaidschan protestierten Studenten auf den Straßen, weil sie es nicht ertragen konnten, daß Chruschtschow den

Diktator aus dem Kaukasus [Stalin] zum Verbrecher erklärt hatte."

Jörg Baberowski in: Stalins Herrschaft der Gewalt

 

 

Als Reporterin der Illustrierten FREIE WELT bereiste ich auch Aserbaidshan.

 

 

 

 

LESEPROBE

 

1. Streifenornament

 

 

 

 

Rezensionen und Literaturhinweise (Auswahl) zu den ASERBAIDSCHANERN

 

 

Rezension in meiner Webseite www.reller-rezensionen.de

 

KATEGORIE BELLETRISTIK: Steffi Chotiwari-Jünger (Hrsg.), Die Literaturen der Völker Kaukasiens, Neue Übersetzungen und deutschsprachige Bibliographie, Literatur der Abasiner, Abchasen, Adygen, Agulen, Armenier, Aserbaidshaner, Awaren, Balkaren, Darginer, Georgier, Inguschen, Kabardiner, Karatschaier, Kumyken, Kurden, Lakier, Lesginer, Nogaier, Osseten, Rutulen, Tabassaraner, Taten, Tschetschenen, Ubychen, Uden, Zachuren, Zowatuschen (Bazben)., Reichert Verlag, Wiesbaden 2003.

 

"Am meisten an diesem außerordentlich arbeitsaufwendigen Buch beeindruckt die gelungene Mischung von Lesevergnügen und Wissenschaftlichkeit. Hier kommt sowohl der Literatur liebende Leser auf seine Kosten als auch der Kaukasusspezialist."

In: www.reller-rezensionen.de

 

 

Literaturhinweise (Auswahl)

 

 * Anar, Der sechste Stock eines fünfstöckigen Hauses, aus dem Aserbaidschanischen von Alpaslan und Gökalp Byramli, Dağyeli Verlag, Frankfurt am Main 1989.

Im Baku unserer Tage beginnt eine Romanze zwischen dem aus angesehenem Hause stammenden Geologen Zaur und Tehmine, einer jungen verheirateten Frau. Mit dieser Liebesbeziehung setzen sich beide über traditionelle gesellschaftliche Konventionen hinweg. Hinter der Schilderung der ergreifenden Liebesgeschichte entfaltet Anar eine detaillierte Skizze der gesellschaftlichen Realität Aserbaidschans, so Spekulantentum und großrussischer Chauvinismus an der Tagesordnung sind.

 

* Eva Maria Auch, Öl und Wein am Kaukasus, Deutsche Forschungsreisende, Kolonisten und Unternehmer im vorrevolutionären Aserbaidschan, Reichert Verlag, Wiesbaden 2001.

"Nur wenige wissen um die reiche Natur und Geschichte Aserbaidschans. Kaum jemand in Deutschland kennt die vielschichtigen Traditionen deutsch-aserbaidschanischer Beziehungen. Dieses Buch soll zur Öffnung des Blickes auf ein besonderes Kapitel russischer Kolonial- und aserbaidschanischer Nationalgeschichte beitragen." (Eva Maria Auch)

 

Eberhard Beckherrn/Alexej Dubatow, Öl im kaukasischen Feuer, Bouvier Verlag, Bonn 1997.

Vor zweihundert Jahren begann Russland die Eroberung des Kaukasus. Damals ging es um den Besitz der Land- brücke zwischen Europa und Asien. Um die Jahrhundertwende kam die Hälfte der Erdölförderung der Welt aus Baku. Seit dem ersten Weltkrieg wurde darum gekämpft. Deutschland besetzte 1918 Georgien, konnte Baku aber nicht erreichen. Die russische Revolution scheiterte fast, weil ihr das kaukasische Öl versperrt war. Hitlers Truppen erreichten die Ölquellen nicht. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion brach rund um das Kaspische Meer das Öl-Fieber aus. Die Vorräte werden auf 25 Milliarden Tonnen geschätzt. Internationale Konzerne investieren Milliarden Dollar und machen Kaukasien zum Interessengebiet westlicher Staaten. Russland will die Hegemonialmacht bleiben, unterhält weiterhin Garnisonen in Kaukasien und führte in Tschetschenien Krieg, um die Kontrolle über den wichtigen Pipeline-Knoten Grosny nicht zu verlieren.

 

* Rada Biller, Melonenschale, Lebensgeschichten der Lea T., Autobiographischer Roman, Aus dem Russischen von Antje Leetz, Berlin Verlag, Berlin 2003.

Rada Biller wurde wie  ihre Romanheldin Lena in Baku geboren. Lenas Geschichte beginnt im menschenüberfüllten, farbenprächtigen aserbaidschanischen Baku, wo sie als Tochter ihrer jüdischen Mutter Zelda Perlstein und ihres armenischen Vaters Akop Tschachmachtschew auf die Welt kommt. Die Kriegsjahre werden sie nach Baschkirien, dann nach Stalingrad führen. Später wird sie viele Jahre in Prag verbringen, von dort mit ihrer Familie nach Hamburg gelangen.

 

Roderich von Erckert, Der Kaukasus und seine Völker, Mit Textabbildungen, etc., Verlag von Paul Frohberg, Leipzig, 1887.

 

Aus der Einführung: "Ein zweijähriger Aufenthalt auf dem Kaukasus in höherer militärischer Stellung, gab durch dienstliche und private zu wissenschaftlichem Zweck unternommene ausgedehnte Reisen die Möglichkeit und Gelegenheit, Land und Leute in verschiedenen Gegenden und Gruppen zu erforschen und für vieles eine Anschauung zu gewinnen, was ausserhalb der gewöhnlichen Reiserouten liegt. Wenn die Schilderung freilich ein zusammenhängendes, umfassendes Ganzes bilden kann, so darf sie vielleicht den Anspruch erheben, einigen Werth darin zu besitzen, dass sie auf an Ort und Stelle gesammelten persönlichen Angaben und Eindrücken beruht, dass mit eigenen Augen geschaut, mit eigenem Ohr gehört wurde. (...) Anstrengung, Zeit und materielle Opfer, selbst Gefahr bei lokalen Schwierigkeiten wurden nicht gescheut, - in erster Linie aber anthropologische und ethnographische Forschungen angestellt, um möglichst alle noch wenige bekannte oder in vielem unbekannte Völker und Volksstämme auf dem Kamm des Gebirges und dessen Nordabhängen zu besuchen."

 

* Karl Grünberg, Von der Taiga bis zum Kaukasus, Erlebnisse aus den zwanziger Jahren und später, Mitteldeutscher Verlag, Halle/Saale 1970, 2. Auflage.

 

* Uwe Halbach/Andreas Kappeler (Hrsg.), Krisenherd Kaukasus, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1997.

Aserbaidschanische Identitätssuche und Nationswerdung bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts//Ursachen und Folgen des Karabach-Problems. Eine historische Untersuchung/Entstehungsgeschichte und aktuelle Probleme des Karabach-Konflikts/Der Streit um Berg-Karabach. Geographie, ethnische Gliederung und Kolonialismus/Ethnische Minderheiten in den transkaukasischen Staaten.

 

* Tschingis Hussejnow, Genosse Unbekannt in: Erlesenes 3, Fünf kaukasische Novellen, Verlag Volk und Welt, Berlin 1978.

 

* Maksud Ibragimbekow, Es gab keinen besseren Bruder, Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt / Main 1978

Die Erzählung zeichnet das psychologische Porträt eines Bürgers, dessen Leben in Enge erstarrt und der nur in seinen erotischen Träumen, die Sehnsucht nach Ausbruch und Erfüllung erfährt.

 

* Maksud Ibragimbekow, Auf alles Gute steht der Tod in: Erlesenes 3, Fünf kaukasische Novellen, Verlag Volk und Welt, Berlin 1978.

 

* Dschigataj Schichsamanow, Brüder, Familiensaga aus dem Kaukasus, Aus dem Russischen von Gerd Petri, Rotbuch Verlag, Hamburg 1998.

Wie ein freundschaftliches Gespräch in vertrauter Runde "unter Brüdern", wird die wechselvolle Geschichte einer Familie in den 20er Jahren erzählt. Im Mittelpunkt steht das Leben von Ismail-Bek, dem Vater des Ich-Erzählers, vom russischen Einmarsch in Aserbaidschan bis 1929, als der das Land verlässt. Den Rahmen bildet die konfliktreiche Familiengeschichte vom Großvater bis in die Gegenwart, das Leben der Brüder und ihrer Familien in der von islamischen Traditionen geprägten Kleinstadt. - Russisches Erzählen mit orientalischer Fabulierkunst.

 

* Aserbaidshanische Märchen, Die versteinerte Stadt, Aus dem Aserbaidschanischen von H. Achmed Schmiede, Illustrationen von Marianne Schäfer, Verlag Volk und Welt, Berlin 1975.

Es war einmal einer, es war einmal keiner - nur Allah weiß, ob da wirklich einer war. In den Märchen Aserbaidschans geht es recht unwirklich zu... Seit über hundert Jahren ist es das erste Buch, das unmittelbar aus dem Aserbaidshanischen übersetzt wurde.

 

* Die Sonnentochter, Die schönsten Märchen aus Aserbaidshan, Armenien und Georgien, Übersetzt ins Deutsche von Hilde Eschwege und Leoni Labas, Verlag Progress, Moskau 1975 (?).

 

* Kaukasische Märchen, Grusinien [Georgien], Armenien und Aserbaidschan, Erzählt von Zuzana Nováková, Ins Deutsche übertragen von Jan Vápenik, Illustrationen von Julie Swobodová, Artia Verlag, Praha 1978.

Die kaukasischen Länder waren seit Jahrtausenden Schnittpunkt verschiedenartiger Kulturen. Das spiegeln auch die Märchen dieses Buches wider. Dieses Buch bringt Zaubermärchen dreier Völker: der Aserbaidschaner, Armenier und Georgier. Die Wurzeln der kaukasischen Zaubermärchen reichen tief ins Altertum. Viele entstammen dem Mythos oder der Sagenwelt. außer dem mythischen Ursprung lassen sich in den Märchen noch andere Quellen nachweisen, der der Lebensweise und den Gesellschaftsformen vergangener Zeiten entspringen.

 

"Die Zaubermärchen geben uns Kunde von einer längst verschollenen Vorstellungswelt, vom dem Ahnenkult, dem Matriarchat, den Menschenopfern..."

Prof. E. Pomeranzewa im Nachwort von : Kaukasische Märchen, Grusinien [Georgien], Armenien und Aserbaidschan, 1978

 

 

 

 

1. Streifenornament

 

 

 

 

 

Bibliographie zu Gisela Reller

 

Bücher als Autorin:

 

Länderbücher:

 

*  Zwischen Weißem Meer und Baikalsee, Bei den Burjaten, Adygen und Kareliern,  Verlag Neues Leben, Berlin 1981, mit Fotos von Heinz Krüger und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Diesseits und jenseits des Polarkreises, bei den Südosseten, Karakalpaken, Tschuktschen und asiatischen Eskimos, Verlag Neues Leben, Berlin 1985, mit Fotos von Heinz Krüger und Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

* Von der Wolga bis zum Pazifik, bei Tuwinern, Kalmyken, Niwchen und Oroken, Verlag der Nation, Berlin 1990, 236 Seiten mit Fotos von Detlev Steinberg und Zeichnungen von Karl-Heinz Döhring.

 

Biographie:

 

* Pater Maksimylian Kolbe, Guardian von Niepokalanów und Auschwitzhäftling Nr. 16 670, Union Verlag, Berlin 1984, 2. Auflage.

 

 

... als Herausgeberin:

 

Sprichwörterbücher:

 

* Aus Tränen baut man keinen Turm, ein kaukasischer Spruchbeutel, Weisheiten der Adygen, Dagestaner und Osseten, Eulenspiegel Verlag Berlin in zwei Auflagen (1983 und 1985), von mir übersetzt und herausgegeben, illustriert von Wolfgang Würfel.

 

* Dein Freund ist dein Spiegel, ein Sprichwörter-Büchlein mit 111 Sprichwörtern der Adygen, Dagestaner Kalmyken, Karakalpaken, Karelier, Osseten, Tschuktschen und Tuwiner, von mir gesammelt und zusammengestellt, mit einer Vorbemerkung und ethnographischen Zwischentexten versehen, die Illustrationen stammen von Karl Fischer, die Gestaltung von Horst Wustrau, Herausgeber ist die Redaktion FREIE WELT, Berlin 1986.

 

 * Liebe auf Russisch, ein in Leder gebundenes Mini-Bändchen im Schuber mit Sprichwörtern zum Thema „Liebe“, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1990, von mir (nach einer Interlinearübersetzung von Gertraud Ettrich) in Sprichwortform gebracht, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen, illustriert von Annette Fritzsch.

 

Aphorismenbuch:

 

* 666 und sex mal Liebe, Auserlesenes, 2. Auflage, Mitteldeutscher Verlag Halle/Leipzig, 200 Seiten mit Vignetten und Illustrationen von Egbert Herfurth.

 

 

... als Mitautorin:

 

Kinderbücher:

 

* Warum? Weshalb? Wieso?, Ein Frage-und-Antwort-Buch für Kinder, Band 1 bis 5, Herausgegeben von Carola Hendel, reich illustriert, Verlag Junge Welt, Berlin 1981 -1989.

 

Sachbuch:

 

* Die Stunde Null, Tatsachenberichte über tapfere Menschen in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges, Hrsg. Ursula Höntsch, Verlag der Nation 1966.

 

* Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Herausgegeben von Leonhard Kossuth unter Mitarbeit von Gotthard Neumann, Nora Verlag 2008.

 

 

... als Verantwortliche Redakteurin

 

* Leben mit der Erinnerung, Jüdische Geschichte in Prenzlauer Berg, Edition  Hentrich, Berlin 1997, mit zahlreichen Illustrationen.

 

* HANDSCHLAG, Vierteljahreszeitung für deutsche Minderheiten im Ausland, Herausgegeben vom Kuratorium zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V., Berlin 1991 - 1993.

 

 

 

 

Die erste Ausgabe von HANDSCHLAG liegt vor. Von links: Dr. Gotthard Neumann, Leonhard Kossuth (Präsident), Horst Wustrau

(Gestalter von HANDSCHLAG), Gisela Reller, Dr. Erika Voigt

(Mitarbeiter des Kuratoriums zur kulturellen Unterstützung deutscher Minderheiten im Ausland e. V.).

Foto: aus Rellers Völkerschafts-Archiv

 

 

 

 

 

2. Streifenornament

 

 

 

 

 

Pressezitate (Auswahl) zu Gisela Rellers Buchveröffentlichungen:

 

 

Dieter Wende in der „Wochenpost“ Nr. 15/1985:

 

„Es ist schon eigenartig, wenn man in der Wüste Kysyl-Kum von einem Kamelzüchter gefragt wird: `Kennen Sie Gisela Reller?´ Es ist schwer, dieser Autorin in entlegenen sowjetischen Regionen zuvorzukommen. Diesmal nun legt sie mit ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik Berichte aus Kalmykien, Tuwa und von der Insel Sachalin vor. Liebevolle und sehr detailgetreue Berichte auch vom Schicksal kleiner Völker. Die ethnografisch erfahrene Journalistin serviert Besonderes. Ihre Erzählungen vermitteln auch Hintergründe über die Verfehlungen bei der Lösung des Nationalitätenproblems.“

 

B(erliner) Z(eitung) am Abend vom 24. September 1981:

 

"Gisela Reller, Mitarbeiterin der Illustrierten FREIE WELT, hat autonome Republiken und gebiete kleiner sowjetischer Nationalitäten bereist: die der Burjaten, Adygen und Karelier. Was sie dort ... erlebte und was Heinz Krüger fotografierte, ergíbt den informativen, soeben erschienenen Band Zwischen Weißem Meer und Baikalsee."

 

Sowjetliteratur (Moskau)Nr. 9/1982:

 

 "(...) Das ist eine lebendige, lockere Erzählung über das Gesehene und Erlebte, verflochten mit dem reichhaltigen, aber sehr geschickt und unaufdringlich dargebotenen Tatsachenmaterial. (...) Allerdings verstehe ich sehr gut, wie viel Gisela Reller vor jeder ihrer Reisen nachgelesen hat und wie viel Zeit nach der Rückkehr die Bearbeitung des gesammelten Materials erforderte. Zugleich ist es ihr aber gelungen, die Frische des ersten `Blickes´ zu bewahren und dem Leser packend das Gesehene und Erlebte mitzuteilen. (...) Es ist ziemlich lehrreich - ich verwende bewusst dieses Wort: Vieles, was wir im eigenen Lande als selbstverständlich aufnehmen, woran wir uns ja gewöhnt haben und was sich unserer Aufmerksamkeit oft entzieht, eröffnet sich für einen Ausländer, sei es auch als Reisender, der wiederholt in unserem Lande weilt, sozusagen in neuen Aspekten, in neuen Farben und besitzt einen besonderen Wert. (...) Mir gefällt ganz besonders, wie gekonnt sich die Autorin an literarischen Quellen, an die Folklore wendet, wie sie in den Text ihres Buches Gedichte russischer Klassiker und auch wenig bekannter nationaler Autoren, Zitate aus literarischen Werken, Märchen, Anekdoten, selbst Witze einfügt. Ein treffender während der Reise gehörter Witz oder Trinkspruch verleihen dem Text eine besondere Würze. (...) Doch das Wichtigste im Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee sind die Menschen, mit denen Gisela Reller auf ihren Reisen zusammenkam. Unterschiedlich im Alter und Beruf, verschieden ihrem Charakter und Bildungsgrad nach sind diese Menschen, aber über sie alle vermag die Autorin kurz und treffend mit Interesse und Sympathie zu berichten. (...)"

 

Neue Zeit vom 18. April 1983:

 

„In ihrer biographischen Skizze über den polnischen Pater Maksymilian Kolbe schreibt Gisela Reller (2. Auflage 1983) mit Sachkenntnis und Engagement über das Leben und Sterben dieses außergewöhnlichen Paters, der für den Familienvater Franciszek Gajowniczek freiwillig in den Hungerbunker von Auschwitz ging.“

 

Der Morgen vom 7. Februar 1984:

 

„`Reize lieber einen Bären als einen Mann aus den Bergen´. Durch die Sprüche des Kaukasischen Spruchbeutels weht der raue Wind des Kaukasus. Der Spruchbeutel erzählt auch von Mentalitäten, Eigensinnigkeiten und Bräuchen der Adygen, Osseten und Dagestaner. Die Achtung vor den Alten, die schwere Stellung der Frau, das lebensnotwendige Verhältnis zu den Tieren. Gisela Reller hat klug ausgewählt.“

 

 

1985 auf dem Solidaritätsbasar auf dem Berliner Alexanderplatz: Gisela Reller (vorne links) verkauft ihren „Kaukasischen Spruchbeutel“ und 1986 das extra für den Solidaritätsbasar von ihr herausgegebene Sprichwörterbuch „Dein Freund ist Dein Spiegel“.

Foto: Alfred Paszkowiak

 

 

 Neues Deutschland vom 15./16. März 1986:

 

"Vor allem der an Geschichte, Bräuchen, Nationalliteratur und Volkskunst interessierte Leser wird manches bisher `Ungehörte´ finden. Er erfährt, warum im Kaukasus noch heute viele Frauen ein Leben lang Schwarz tragen und was es mit dem `Ossetenbräu´ auf sich hat, weshalb noch 1978 in Nukus ein Eisenbahnzug Aufsehen erregte und dass vor Jahrhunderten um den Aralsee fruchtbares Kulturland war, dass die Tschuktschen vier Begriff für `Freundschaft´, aber kein Wort für Krieg besitzen und was ein Parteisekretär in Anadyr als notwendigen Komfort, was als entbehrlichen Luxus ansieht. Großes Lob verdient der Verlag für die großzügige Ausstattung von Diesseits und jenseits des Polarkreises.“

 

 

 

 

Gisela Reller während einer ihrer über achthundert Buchlesungen

in der Zeit von 1981 bis 1991.

 

Berliner Zeitung vom 2./3. Januar 1988:

 

„Gisela Reller hat klassisch-deutsche und DDR-Literatur auf Liebeserfahrungen durchforscht und ist in ihrem Buch 666 und sex mal Liebe 666 und sex mal fündig geworden. Sexisch illustriert, hat der Mitteldeutsche Verlag Halle alles zu einem hübschen Bändchen zusammengefügt.“

 

Neue Berliner Illustrierte (NBI) Nr. 7/88:

 

„Zu dem wohl jeden bewegenden Thema finden sich auf 198 Seiten 666 und sex mal Liebe mannigfache Gedanken von Literaten, die heute unter uns leben, sowie von Persönlichkeiten, die sich vor mehreren Jahrhunderten dazu äußerten.“

 

Das Magazin Nr. 5/88.

 

"`Man gewöhnt sich daran, die Frauen in solche zu unterscheiden, die schon bewusstlos sind, und solche, die erst dazu gemacht werden müssen. Jene stehen höher und gebieten dem Gedenken. Diese sind interessanter und dienen der Lust. Dort ist die Liebe Andacht und Opfer, hier Sieg und Beute.´ Den Aphorismus von Karl Kraus entnahmen wir dem Band 666 und sex mal Liebe, herausgegeben von Gisela Reller und illustriert von Egbert Herfurth."

 

 

 

Schutzumschlag zum „Buch 666 und sex mal Liebe“ .

Zeichnung: Egbert Herfurth

 

FÜR DICH, Nr. 34/89:

 

"Dem beliebten Büchlein 666 und sex mal Liebe entnahmen wir die philosophischen und frechen Sprüche für unser Poster, das Sie auf dem Berliner Solidaritätsbasar kaufen können. Gisela Reller hat die literarischen Äußerungen zum Thema Liebe gesammelt, Egbert Herfurth hat sie trefflich illustriert."

 

Messe-Börsenblatt, Frühjahr 1989:

 

"Die Autorin – langjährige erfolgreiche Reporterin der FREIEN WELT - ist bekannt geworden durch ihre Bücher Zwischen Weißem Meer und Baikalsee und Diesseits und jenseits des Polarkreises. Diesmal schreibt die intime Kennerin der Sowjetunion in ihrem Buch Von der Wolga bis zum Pazifik über die Kalmyken, Tuwiner und die Bewohner von Sachalin, also wieder über Nationalitäten und Völkerschaften. Ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird uns in fesselnden Erlebnisberichten nahegebracht."

 

 

Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel schrieb ich in der Ausgabe 49 vom 7. Dezember 1982 unter der Überschrift „Was für ein Gefühl, wenn Zuhörer Schlange stehen“:

 

„Zu den diesjährigen Tagen des sowjetischen Buches habe ich mit dem Buch Zwischen Weißem Meer und Baikalsee mehr als zwanzig Lesungen bestritten. (…) Ich las vor einem Kreis von vier Personen (in Klosterfelde) und vor 75 Mitgliedern einer DSF-Gruppe in Finow; meine jüngsten Zuhörer waren Blumberger Schüler einer 4. Klasse, meine älteste Zuhörerin (im Schwedter Alten- und Pflegeheim) fast 80 Jahre alt. Ich las z.B. im Walzwerk Finow, im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder, im Petrolchemischen Kombinat Schwedt; vor KIM-Eiersortierern in Mehrow, vor LPG-Bauern in Hermersdorf, Obersdorf und Bollersdorf; vor zukünftigen Offizieren in Zschopau; vor Forstlehrlingen in Waldfrieden; vor Lehrlingen für Getreidewirtschaft in Kamenz, vor Schülern einer 7., 8. und 10 Klasse in Bernau, Schönow und Berlin; vor Pädagogen in Berlin, Wandlitz, Eberswalde. - Ich weiß nicht, was mir mehr Spaß gemacht hat, für eine 10. Klasse eine Geographiestunde über die Sowjetunion einmal ganz anders zu gestalten oder Lehrern zu beweisen, dass nicht einmal sie alles über die Sowjetunion wissen – was bei meiner Thematik – `Die kleinen sowjetischen Völkerschaften!´ – gar nicht schwer zu machen ist. Wer schon kennt sich aus mit Awaren und Adsharen, Ewenken und Ewenen, Oroken und Orotschen, mit Alëuten, Tabassaranern, Korjaken, Itelmenen, Kareliern… Vielleicht habe ich es leichter, Zugang zu finden als mancher Autor, der `nur´ sein Buch oder Manuskript im Reisegepäck hat. Ich nämlich schleppe zum `Anfüttern´ stets ein vollgepacktes Köfferchen mit, darin von der Tschuktschenhalbinsel ein echter Walrosselfenbein-Stoßzahn, Karelische Birke, burjatischer Halbedelstein, jakutische Rentierfellbilder, eskimoische Kettenanhänger aus Robbenfell, einen adygeischen Dolch, eine karakalpakische Tjubetejka, der Zahn eines Grauwals, den wir als FREIE WELT-Reporter mit harpuniert haben… - Schön, wenn alles das ganz aufmerksam betrachtet und behutsam befühlt wird und dadurch aufschließt für die nächste Leseprobe. Schön auch, wenn man schichtmüde Männer nach der Veranstaltung sagen hört: `Mensch, die Sowjetunion ist ja interessanter, als ich gedacht habe.´ Oder: `Die haben ja in den fünfundsechzig Jahren mit den `wilden´ Tschuktschen ein richtiges Wunder vollbracht.´ Besonders schön, wenn es gelingt, das `Sowjetische Wunder´ auch denjenigen nahezubringen, die zunächst nur aus Kollektivgeist mit ihrer Brigade mitgegangen sind. Und: Was für ein Gefühl, nach der Lesung Menschen Schlange stehen zu sehen, um sich für das einzige Bibliotheksbuch vormerken zu lassen. (Schade, wenn man Kauflustigen sagen muss, dass das Buch bereits vergriffen ist.) – Dank sei allen gesagt, die sich um das zustande kommen von Buchlesungen mühen – den Gewerkschaftsbibliothekaren der Betriebe, den Stadt- und Kreisbibliothekaren, den Buchhändlern, die oft aufgeregter sind als der Autor, in Sorge, `dass auch ja alles klappt´. – Für mich hat es `geklappt´, wenn ich Informationen und Unterhaltung gegeben habe und Anregungen für mein nächstes Buch mitnehmen konnte.“

 

Die Rechtschreibung der Texte wurde behutsam der letzten Rechtschreibreform angepasst.

 

 

Die ASERBAIDSCHANER wurden am 15.10.2015 ins Netz gestellt. Die letzte Bearbeitung erfolgte am 20.01.2016.

 

Die Weiterverwertung der hier veröffentlichten Texte, Übersetzungen, Nachdichtungen, Fotos, Zeichnungen, Illustrationen... ist nur mit Verweis auf die Internetadresse www.reller-rezensionen.de gestattet - und mit  korrekter Namensangabe des jeweils genannten geistigen Urhebers.  

 

 

 

Zeichnung: Karl-Heinz Döhring